Die anstehende Finanzreform für die Krankenkassen wird nach Einschätzung von Experten die gesetzlich Versicherten nur vorübergehend finanziell entlasten - wenn überhaupt. Zumindest mittelfristig wird sie ihrer Ansicht nach jedoch zu steigenden Beiträgen führen. Das Bundeskabinett will das entsprechende Reformgesetz an diesem Mittwoch beschließen. Änderungen sind dann noch im Bundestag möglich.
Nach dem Entwurf soll Anfang 2015 der Beitragssatz von 15,5 auf 14,6 Prozent sinken. Der bisherige, allein von den Kassenmitgliedern zu zahlende Sonderbeitrag von 0,9 Prozent des Einkommens soll entfallen. Stattdessen sollen die Kassen Zusatzbeiträge nehmen können, die ebenfalls vom Einkommen abhängig sind.
Der Essener Gesundheitsökonom Jürgen Wasem sagte der Nachrichtenagentur dpa, im Schnitt werde der Zusatzbeitrag nach dem Reformstart 2015 zunächst unter 0,9 Prozent liegen. "Mehrere Millionen Versicherte dürften entlastet werden." Wasem erwartet, dass dann mindestens eine halbe Millionen Versicherte zunächst einen halben Prozentpunkt weniger zahlen müssen als heute. "Und es wird auch Kassen geben, bei denen es zu einer Nettobelastung kommt." Ähnliche Prognosen hatte auch die Bundesregierung gemacht.
Die Vorstandschefin des Spitzenverbandes der gesetzlichen Kassen, Doris Pfeiffer, geht davon aus, dass die Kassen die Möglichkeit zur Erhebung von Zusatzbeiträgen auch nutzen. "Das liegt quasi in der Logik der neuen gesetzlichen Regelung", sagte sie der "Passauer Neuen Presse" (Mittwoch). Ob es im Durchschnitt zu einer Entlastung der Versicherten komme, werde sich erst im Herbst entscheiden, wenn die Kassen ihre Haushalte für 2015 aufstellten.
Die weitere Entwicklung bei den Beiträgen hängt dann von den Ausgaben und Einnahmen der Krankenversicherung ab. Offiziellen Prognosen zufolge werden die Ausgaben für Kliniken, Medikamente und Ärzte Jahr für Jahr schneller steigen als die Einnahmen. Wasem sagte: "Ich gehe davon aus, dass der Zusatzbeitrag ab 2016 im Schnitt jedes Jahr um 0,2 bis 0,3 Prozentpunkte steigen wird." Manche Kassen würden dies durch Rücklagen abfedern können.
"Für 2017 rechne ich mit Zusatzbeiträgen von 1,3 bis 1,5 Prozent", so der Politikberater und Professor für Medizinmanagement. Das Bundesversicherungsamt hatte sogar noch eine etwas pessimistischere Prognose abgegeben.
Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) verspricht sich einen stärkeren Wettbewerb der Krankenkassen und stabile Lohnnebenkosten durch die Reform. Dass der Beitragssatz und somit der Anteil der Arbeitgeber fixiert werden soll, verteidigte Gröhe: Denn immer weiter an der Beitragsschraube zu drehen, schade der Wirtschaft.
Mit der Reform entfällt für finanzstarke Kassen auch die Möglichkeit, Prämien auszuschütten. In diesem und dem vergangenen Jahr profitierten rund acht Millionen Kassenmitglieder von einer Beitragsrückerstattung./bw/DP/zb
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