Von Manuel Priego Thimmel
FRANKFURT (Dow Jones)--Es sind keine einfachen Zeiten für Anleger. Extreme Volatilitäten an den Börsen zehren an den Nerven. Für eine Entwarnung ist es zu früh. Aber zumindest mehren sich die Anzeichen für eine Entspannung. Der Zusammenbruch des Ölpreises scheint zunächst gestoppt und die Berichtssaison in den USA ist bislang recht ordentlich gelaufen. Außerdem sind von den Zentralbanken wieder taubenhaftere Töne zu vernehmen - das Schlimmste an den Börsen könnte also bereits hinter den Anlegern liegen.
Am Freitag hat die japanische Zentralbank (BoJ) die Leitzinsen in den negativen Bereich gedrückt. Damit ist sie dem Beispiel der Europäischen Zentralbank (EZB) oder etwa der Schweizerischen Nationalbank (SNB) gefolgt und hat zugleich ein weiteres geldpolitisch taubenhaftes Signal gesetzt. Auf der Januarsitzung hatte EZB-Präsident Mario Draghi weitere Lockerungen auf der Märzsitzung mehr oder minder angekündigt. Am vergangenen Mittwoch schlug die US-Notenbank taubenhaftere Töne an, wenngleich sie eine Zinserhöhung im März weiter nicht ausschließt.
Das sind gute Nachrichten für die Börsen. Denn je mehr sich die Zentralbanker besorgt zeigen, desto mehr können die Anleger entspannen. Die Projektionen der US-Notenbank legen zwar noch vier Leitzinserhöhungen im laufenden Jahr nahe. Daran glaubt in der Zwischenzeit aber niemand mehr - an den Future-Märkten wird gerade noch eine Zinserhöhung eingepreist.
Aber auch fundamental gibt es erste Entspannungssignale. Der Ölpreis hat sich von den Jahrestiefs gelöst. Das ist wichtig wegen der hohen Korrelation zwischen Ölpreis und Entwicklung an den Aktienmärkten. Brent etwa steigt nun seit mehreren Tagen in Folge und notiert wieder über 34 Dollar je Barrel. In der vergangenen Woche lag der Preis zeitweise unter 28 Dollar.
Einer der Auslöser für die Erholung sind Berichte über mögliche Förderkürzungen durch Russland. Moskau sei zu einem Treffen mit dem Erdölkartell Opec bereit. Die Konsultationen könnten eine Bewertung der Marktsituation, die niedrigen Ölpreise und Optionen über eine Koordination der Förderung umfassen, heißt es. Wie die Commerzbank anführt, produzierten allein Russland und Saudi-Arabien bei einer Reduktion um 5 Prozent 1 Million Barrel pro Tag weniger und könnten damit das Überangebot bereits vom Markt nehmen.
Recht gute Nachrichten kommen auch von der Berichtssaison. Laut Warburg haben bislang 78 Prozent der im S&P-500 gelisteten Unternehmen, die Geschäftszahlen vorgelegt haben, die Gewinnerwartungen geschlagen. Bei den Umsätzen waren es immerhin 50 Prozent. Zwar relativiert sich die gute Entwicklung vor allem bei den Gewinnen dadurch, dass die Unternehmensanalysten ihre Gewinnschätzungen im Vorfeld der Zahlenveröffentlichungen kräftig nach unten revidiert hatten. Es bleibt aber ein positiver Gesamteindruck.
In Deutschland haben bislang zu wenige Unternehmen über die Entwicklung im vergangenen Quartal berichtet, um ein erstes Resümee ziehen zu können. Die Unternehmensanalysten scheinen aber wieder zuversichtlicher zu werden. Die Deutsche Bank weist darauf hin, dass nach den scharfen Abwärtsrevisionen im vierten Quartal die Gewinnerwartungen der Analysten für den DAX im Januar um 1,6 Prozent gegenüber dem Vormonat gestiegen sind. Hauptgrund hierfür sind höhere Gewinnerwartungen im Automobilsektor.
Was kann an den Märkten schief laufen? Hauptrisiko für die Börsen bleibt ein Abrutschen in die Rezession. Dafür gibt es aber bislang keine Hinweise, auch wenn sich das Wirtschaftswachstum in vielen Regionen verlangsamt hat. Am Montagmorgen wird in China der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe veröffentlicht. Der Index dürfte zwar auch im Januar weiter unter der Expansionsschwelle von 50 liegen - ein Absturz der chinesischen Wirtschaft ist derzeit aber nicht zu befürchten.
In den USA steht am kommenden Freitag die Veröffentlichung der offiziellen Arbeitsmarktdaten an. Analysten rechnen zwar mit einem deutlichen Rückgang auf 200.000 neu geschaffene Stellen im Januar nach über 290.000 im Vormonat. Allerdings war das ungewöhnlich starke Dezemberplus Sonderfaktoren wie etwa dem warmen Wetter geschuldet. Auch bleibt festzuhalten, dass selbst ein Wert von 200.000 noch immer als gut zu bezeichnen ist. Mit einer Arbeitslosenquote von 5 Prozent herrscht in den USA praktisch Vollbeschäftigung.
Bank of America-Merrill Lynch sieht mit Blick auf die aktuellen Marktverwerfungen denn auch mehr Parallelen zur Asienkrise 1998 und der damit verbundenen Marktkorrektur als mit der Lage 2008. Letztlich habe sich die 98er-Korrektur mehr als ein Marktschock als ein Makroschock erwiesen. In der Zwischenzeit sei die Bedeutung der Schwellenländer für die alten Industriestaaten gestiegen, allerdings nicht so sehr, um eine Rezession auslösen zu können. Insbesondere in Europa seien die Wirtschaftsdaten zuletzt ermutigend - kein Grund, das Handtuch zu werfen.
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January 29, 2016 07:56 ET (12:56 GMT)
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