Von Manuel Priego Thimmel
FRANKFURT (Dow Jones)--Der DAX ist wieder unter die Marke von 10.000 Punkten gefallen. Dort dürfte er in der kommenden Woche verharren. Es fehlen einfach die Impulse, um die Aktienmärkte nachhaltig nach oben zu ziehen. Die Unternehmensgewinne haben den Höhepunkt überschritten, die Weltwirtschaft wächst nur moderat, die Zentralbanken scheinen ihre Zauberkräfte verloren zu haben und die politischen Risiken sind gestiegen.
2016 war bislang kein gutes Jahr für Aktionäre. Der DAX hat seit Jahresbeginn mehr als 8 Prozent an Wert verloren und eine Trendwende nach oben zeichnet sich nicht ab. Es ist ein Potpourri von Gründen, die gegen den Markt sprechen. Einzeln betrachtet, wären sie vermutlich nicht dazu angetan, die Stimmung der Anleger nachhaltig zu untergraben. In der Summe stellen sie aber eine signifikante Belastung für das Sentiment dar.
Die Furcht vor einer globalen Rezession hat zwar in den vergangenen Wochen merklich nachgelassen. Das allein reicht aber noch nicht aus, um die Märkte zu befeuern. Denn die Konjunkturdaten bleiben insgesamt mau. In den USA ist das Wachstum im ersten Quartal auf den schwächsten Wert seit zwei Jahren gefallen.
Dies spiegelt sich zunehmend in den Unternehmensgewinnen wider. In der bereits recht weit fortgeschrittenen US-Berichtssaison übertreffen die meisten Unternehmen zwar die Marktprognosen - wie sonst auch üblicherweise. Das liegt aber vor allem daran, dass die Erwartungen der Analysten kräftig nach unten revidiert worden waren.
Absolut betrachtet ergibt sich ein weniger schmeichelhaftes Bild. Wie die Societe Generale (SocGen) anmerkt, sind die MSCI-World-Unternehmensgewinne - ein guter Indikator für die Weltwirtschaft - seit dem Top im August 2014 um 14 Prozent gefallen und liegen damit auf dem gleichen Niveau wie vor fünf Jahren. Der Abwärtstrend bei den Gewinnen hat sich zuletzt sogar beschleunigt.
Ins gleiche Horn stößt die DZ-Bank. Mit Blick auf die US-Unternehmen heißt es das eigentliche Problem seien die Gewinnschätzungen für das laufende Quartal. "Diese befinden sich immer noch im freien Fall", so das Haus. Aktuell werde ein Minus von 5 Prozent erwartet, zum Beginn des Jahres lagen die Schätzungen noch bei einem Plus von einem halben Prozent. Nun bestehe zudem die Gefahr, dass auch die Prognosen für das dritte Quartal ins Negative abkippten.
An den US-Börsen sind die fallenden Unternehmensgewinne bislang kaum zur Kenntnis genommen worden. Die Indizes notieren nur wenig unterhalb der Allzeithochs. Der Hauptgrund, warum dies so ist, dürfte an der schwindenden Zinserhöhungsfantasie in den USA liegen. Während zu Jahresbeginn noch drei bis vier Zinserhöhungen erwartet wurden, ist es jetzt gerade noch eine.
Die lockere Geldpolitik der Zentralbanken war in den vergangenen Jahren einer der Hauptgründe für die steigende Aktiennotierungen und dürften auch weiter dafür Sorge tragen, dass ein Crash an den Märkten ausbleibt, zumindest solange die Wirtschaft nicht in eine Rezession fällt. Das kann aber nicht darüber hinweg täuschen, dass die Zentralbanken ihren "Magic Touch" scheinbar verloren haben.
Die jüngsten Lockerungsrunden der EZB und der Bank of Japan haben nicht die aus Zentralbanksicht erhofften Wirkungen gezeigt. Der Euro hat von Ständen von 1,07 Dollar zu Jahresbeginn auf fast 1,15 aufgewertet. Der Dollar hat im gleichen Zeitraum zum Yen von 120 auf 107 abgewertet. Die Marktreaktionen sind ein klarer Hinweis darauf, dass die Anleger zunehmend zumindest Zweifel haben an der Allmacht der Notenbanken.
Zugleich steigen die politischen Risiken. Ende Juni stimmen die Briten über einen Austritt ihres Landes aus der EU ab. Ein Austritt dürfte zu erheblichen Verwerfungen an den Finanzmärkten führen, da die Anleger den Erhalt der EU vermutlich grundsätzlich in Frage stellen würden. Die jüngsten Umfragen deuten zwar an, dass sich die Briten gegen den "Brexit" entscheiden werden. Bis zum Tag des Referendums wird aber allein die Möglichkeit eines Austritts einen Schatten werfen.
Damit nicht genug. Aller Wahrscheinlichkeit wird Donald Trump im Juli auf dem Kongress der Republikaner zum Präsidentschaftskandidaten gekürt werden. Die Umfragen sprechen zwar nicht dafür, dass sich der Immobilien-Tycoon gegen die wahrscheinliche demokratische Herausforderin Hillary Clinton durchsetzen wird. Aber allein die Möglichkeit, dass Trump der nächste Präsident der USA werden könnte, dürfte den Investoren Schweißperlen auf die Stirn treiben.
Würde Trump bei einem Sieg auch nur ansatzweise seine Wahlversprechen umsetzen, wäre die gesamte Nachkriegs-Stabilitätsordnung rund um den globalen Anker Vereinigte Staaten in Gefahr. Trump träumt von einer amerikanischen Version der britischen "splendid isolation", also dem Rückzug Großbritanniens von der internationalen politischen Bühne im späten 19. Jahrhundert.
Trumps "Wahlprogramm" enthält Forderungen nach dem Bau einer Mauer nach Mexiko. Bezahlen soll das der mexikanische Steuerzahler. Trump will die US-Streitkräfte aus Europa und Asien abziehen, es sei denn die damit verbundenen Kosten werden von den europäischen und asiatischen Partnern übernommen. Trump möchte Handelsabkommen aufkündigen und Importe aus China zusätzlich besteuern. Für international denkende Investoren ein Schreckensszenario.
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May 06, 2016 08:03 ET (12:03 GMT)
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