FRANKFURT (dpa-AFX) - Großbritannien wird trotz des anstehenden EU-Austritts nach Einschätzung vom Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer im europäischen Binnenmarkt bleiben. "Auch die Europäische Union hat ein Interesse an einer sauberen Scheidung", sagte Krämer am Freitag der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX. Schließlich ist Großbritannien der zweitgrößte Handelspartner der anderen EU-Länder nach den USA und vor China.
"An der Einführung von Zöllen kann die Rest-EU kein Interesse haben", sagte Krämer. Insbesondere die deutsche Wirtschaft habe ein großes Interesse an einem weiteren Zugang zum wichtigen britischen Exportmarkt. Die britische Wirtschaft sei noch mehr angewiesen auf ihre Geschäftskontakte in der EU. Dies gelte insbesondere für den wichtigen Bankensektor. "Die EU-Gegner werden realisieren, dass sie die Bande mit der Union nicht völlig kappen können."
Großbritannien müsste dann die Regeln des Binnenmarktes respektieren, Beiträge an die EU entrichten und die ungeliebte Arbeitnehmerfreizügigkeit respektieren. "Es ist nicht vorstellbar, dass die EU auf die Personenfreizügigkeit als einer der Grundpfeiler des Binnenmarktes verzichtet", sagte Krämer. Dies werde angesichts der aufgeheizten Stimmung in der Bevölkerung nur schwer zu vermitteln sein. "Die Briten gewinnen also nicht so viel, wenn sie die EU verlassen." Dies zeige, dass die Brexit-Entscheidung "sehr emotional" getroffen wurde.
"Die Finanzmärkte haben zwar heftig, aber nicht panisch reagiert", sagte Krämer. Er erwarte nach den Turbulenzen wieder eine Beruhigung an den Finanzmärkten. Voraussetzung sei jedoch, dass sich langsam eine konstruktive Lösung abzeichne und Großbritannien einen Status im Binnenmarkt erhält, wie ihn beispielsweise auch Norwegen hat./jsl/bgf/jha/
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