Von Hans Bentzien
TALLINN/FRANKFURT (Dow Jones)--Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihre Prognosen für die Inflationsentwicklung im Euroraum spürbar gesenkt, zugleich aber die Wachstumsprognosen leicht angehoben und sich optimistischer zu den Wachstumsrisiken geäußert. Wie Präsident Mario Draghi in seiner Pressekonferenz nach der EZB-Ratssitzung in Tallinn sagte, rechnet die EZB für 2017 nun mit einem Anstieg der Verbraucherpreise um 1,5 Prozent. Im März hatte sie noch 1,7 Prozent Teuerung erwartet. Die Prognose für 2018 wurde auf 1,3 (1,6) Prozent und die für 2019 auf 1,6 (1,7) Prozent reduziert.
Die EZB ist zur mittelfristigen Gewährleistung von Preisstabilität verpflichtet, die sie bei einer Inflationsrate von knapp 2 Prozent gewährleistet sieht. Im Mai waren die Verbraucherpreise mit einer Jahresrate von 1,4 (Vormonat: 1,9) Prozent gestiegen. Allerdings ist die Gesamtinflation stark von der Entwicklung des Ölpreises beeinflusst. Ihre aktuellen Kerninflationsprognosen veröffentlicht die EZB am Nachmittag.
Wörtlich sagte der EZB-Präsident: "Es ist weiterhin eine substanzielle geldpolitische Akkommodation erforderlich, damit sich ein grundlegender Inflationsdruck aufbauen und die Gesamtinflation mittelfristig stützen kann. Sollte sich der Ausblick eintrüben oder sollten sich die Finanzierungsbedingungen in einer Weise verändern, die dem Ziel einer nachhaltig höheren Inflation zuwiderlaufen, würde der EZB-Rat Volumen und/oder Dauer des Ankaufprogramms erhöhen."
Die Prognosen für das Wirtschaftswachstum wurden leicht angehoben. Laut Draghi rechnet die EZB für 2017 nun mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodults (BIP) um 1,9 (1,8) Prozent. Für 2018 und 2019 werden Wachstumsraten von 1,8 (1,7) und 1,7 (1,6) Prozent vorausgesagt. Laut Draghi betrachtet der EZB-Rat die diesen Wachstumsausblick umgebenden Risiken als weitgehend ausgeglichen. Bisher hatte der Rat diese Risiken stets als "abwärts gerichtet" bezeichnet.
Zuvor hatte die EZB beschlossen, Leitzinsen und Wertpapierkäufe unverändert zu lassen. Zugleich ließ sie jedoch ihre Prognose fallen, dass die Zinsen weiter sinken könnten. Stattdessen heißt es im aktuellen Statement, dass die Leitzinsen für längere Zeit - und zwar weit über die Zeitdauer von Wertpapierkäufen hinaus - auf dem aktuellen Niveau bleiben dürften.
Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com
DJG/hab/apo
(END) Dow Jones Newswires
June 08, 2017 08:45 ET (12:45 GMT)
Copyright (c) 2017 Dow Jones & Company, Inc.