FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 28. April 2017. Deutsche Staatsanleihen legen nach Verlusten zum Wochenbeginn wieder den Vorwärtsgang ein. Analysten sehen den Grund in den unverändert weit geöffneten EZB-Geldschleusen.
Das Ergebnis aus Runde eins der französischen Präsidentschaftswahl sowie die Geldpolitik im Euroraum dominieren das Geschehen an den Kapitalmärkten. "Diese Woche war recht turbulent", fasst Arthur Brunner von der ICF Bank das Geschehen im Bond-Handel zusammen. Die Erleichterung der Investoren spiegle sich unter anderem in der Kurve des Euro-Bund-Future wider. Stand der hiesige Gradmesser für die langfristige Zinsentwicklung vor dem Urnengang der Franzosen noch bei 62,50 Prozent, so sorgte die Erleichterung über den Wahlausgang am Montag für einen deutlichen Rutsch nach unten. "Die Rendite hiesiger Bundesanleihen stieg zwischenzeitlich auf über 0,4 Prozent."
Aufschwung reicht nicht aus
Nach der gestrigen EZB-Entscheidung sprang der Euro-Bund-Future wieder an, wie Gregor Daniel von der Walter Ludwig Wertpapierhandelsbank registriert. "Alles bleibt wie gehabt, es gibt zunächst keine Anzeichen für eine Rückführung der Liquiditätsschwemme." Ökonomen erwarteten erste Hinweise dies bezüglich im Juni. Im Gespräch sei eine Drosselung der Anleihen-Käufe Anfang 2018, eine Zinserhöhung könne dann im dritten Quartal folgen. Im Juni wird Draghi nach Auffassung der Helaba angesichts steigender Inflationsraten womöglich zunächst den Passus in der Kommunikation streichen, wonach die Leitzinsen im Bedarfsfall noch weiter gesenkt werden könnten.
Für Folker Hellmeyer von der Bremer Landesbank verweigert sich die Europäische Zentralbank mittlerweile einer realistischen Bewertung der quantitativen und auf Einkommen basierenden makroökonomischen Performance im Euroraum. "Damit wird der Aufschwung schwach geredet." Mit der Beibehaltung der Null- und Negativzinsen werde bekanntermaßen die Kaufkraft der Geldvermögens geschmälert. Dies schade der Reputation der Eurozone und es schade bezüglich der internationalen Kapitalströme.
Mehr Transparenz schafft Vertrauen
Nicht zu vernachlässigen sind Klaus Stopp zufolge die durch die massiven Bond-Käufe der Zentralbanken immer wieder zu beobachtenden Belieferungsprobleme bei Anleihen. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich habe die Notenbanken bereits aufgefordert, dem für einen funktionierenden Handel notwendigen Repo-Markt Material aus ihren Beständen zur Verfügung zu stellen. Bislang habe die EZB nur sehr zögerlich agiert.
Mehr Transparenz fordert Stopp zudem hinsichtlich der Einhaltung des Verbots einer monetären Haushaltsfinanzierung durch die Notenbanken. Eigentlich dürften die Behörden bei Staatsanleihen am Primärmarkt nicht als Käufer auftreten. "Jedoch sind die Übergänge aufgrund der vielen Aufstockungen inzwischen fließend." Etwa gebe es in der Übersicht der angekauften Staatsanleihen eine Gattung, die erst kurz zuvor emittiert bzw. aufgestockt worden sei. Zwar könne nicht geklärt werden, ob es sich bei den angekauften Stücken tatsächlich um Altbestände einer Bank gegehandelt habe. Derartige Transaktionen schürten aber Mistrauen und Spekulationen über möglicher Tricksereien der Notenbanken. "Nur ein Mehr an Transparenz kann mehr Vertrauen schaffen", urteilt der Händler und nennt als einen möglichen Weg dahin die Rückkehr zur Vergabe sogenannter Stücke-Nummern.
Schweden bleibt ebenfalls auf Kurs
Nach wie vor um Preisstabilität sorgt sich übrigens auch die schwedische Zentralbank. Vor dem Hintergrund einer weiterhin niedrigen Inflation beließ die Riksbank wie erwartet ihren Leitzins bei minus 0,5 Prozent, wie die HSBC bemerkt. Aller Voraussicht nach werde sich der Schlüsselzinssatz bis 2019 im negativen Bereich bewegen. Die Währungshüter verlängerten laut HSBC ihr Asset-Kaufprogramm bis Ende 2017. Bis dahin plane die Behörde den Erwerb von Anleihen im Volumen von zusätzlich 15 Milliarden schwedischen Kronen. Angesichts guter heimischer Wachstumszahlen erwarten die HSBC-Analysten künftig indes einen stärkeren Schwenk Richtung Zustand der Gesamtwirtschaft und rechnen 2018 mit ersten Zinserhöhungen in Schweden.
Bonds von mittelgroßen Unternehmen in Bewegung
Den Handel mit Bonds kleinerer und mittelgroßer Firmen beschreiben die Händler als aktiv. Daniel meldet reges Interesse an einer bis April 2025, mit jährlich 7,5 Prozent verzinsten Neuquen Province-Anleihe (WKN A19GPQ). "Der in US-Dollar geführte Wert ist beherzt gekauft worden." Einen möglichen Grund erkennt der Händler in dem Bemühen der argentinischen Regierung, die Öl- und Gasförderung in der Neuquen Region zu beleben. Zur Unterstützung des Vorhabens plane Staatschef Mauricio Macri eine Reihe von bürokratischen Erleichterungen.
Auch an einer im März 2022 fälligen Abengoa Abenewco 2-Anleihe (WKN A19FUR) fänden Investoren überwiegend Gefallen. Der Wert notiert derzeit um 16 Prozent. "Mittlerweile scheint der angeschlagene spanische Anbieter von erneuerbaren Energien die Umschuldung geschafft zu haben."
Rickmers und Air Berlin bleiben im Fokus
In den Büchern von Rainer Petz belegen Anleihen von Air Berlin (WKNs AB100B, AB100L) wie in der Vorwoche einen vorderen Rang in der Umsatzstatistik. Die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft legte heute mit 278 Millionen Euro einen Rekordverlust offen. Dennoch scheinen Anleger grundsätzlich an die anhaltende Unterstützung von Ethiad oder auch weiteren Geldgebern zu glauben, wie der Händler der Oddo Seydler Bank feststellt.
Stark in beide Richtungen gespielt würde zudem nach wie vor ein Wert der Reederei Rickmers (WKN A1TNA3). "Am Montag stieg der Kurs der bis Juni 2018 laufenden Anleihe sehr stark auf 16 Prozent." Mittlerweile notiert der Bond wieder oberhalb von 15 Prozent.
Eyemaxx-Bond volatil
Schwankungsreich geht es Brunner zufolge bei einer Wandelanleihe des Immobilienentwicklers Eyemaxx Real Estate (WKN A2DAJB) mit einem Kupon von 4,5 Prozent und Fälligkeit im Dezember 2019 zu. Im Laufe der Woche hat der Wert von 103 auf 100 Prozent nachgegeben. Brunner sieht einen Zusammenhang mit der Entwicklung der Aktie, die zunächst von 13 auf zwischenzeitlich 11 Euro verlor. Mittlerweile notiert die Aktie wieder um 12 Euro.
von: Iris Merker, 28. April 2017, sie können sich kostenlos für unseren täglichen Newsletter per E-Mail anmelden. Registrieren Sie sich bei www.boerse-frankfurt.de/newsletter
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