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Im Fokus: Polen - Teil der EU-Wertegemeinschaft?

Nach der Parlamentswahl am 25. Oktober 2015 und dem Sieg der nationalkonservativen Partei PiS hat Polen einen politisch fragwürdigen Kurs eingeschlagen, der mit den Werten der EU im Widerspruch steht. Dies könnte auch wirtschaftlichen Implikationen für Polen und die EU haben.

Vor drei Wochen hat das polnische Parlament, bestehend aus zwei Kammern (Sejm und Senat), einen Gesetzesentwurf zur Reform des Landesrichterrates (KRS) beschlossen. Dieses Vorhaben hatte umgehend harsche Kritik aus Brüssel nach sich gezogen, da darin ein Weg der Einflussnahme der Regierung auf die Unabhängigkeit der Justiz gesehen wurde. Der polnische Staatspräsident und ehemaliges Mitglied der PiS, Andrzej Duda, unterschrieb den Gesetzesentwurf nicht und hat stattdessen einen eigenen Entwurf zur Abstimmung ins Parlament gegeben. Am 24.07.2017 legte Staatspräsident Duda ein Veto gegen zwei von drei Teilen eines weiteren Reformvorhabens der Regierung ein. Die Reformvorschläge zum Obersten Gerichtshofs und die dem Landesrichterrates betreffenden Teile wurden vorerst gestoppt, die zur Reform der allgemeinen Gerichte unterschrieb Duda jedoch.

Unabhängigkeit der Gerichte gefährdet
Der Landesrichterrat ist in Polen ein Kontrollgremium, das über die Unabhängigkeit der Justiz wacht und das, nach Meinung der Regierung, diese Aufgabe nur unzureichend erfüllt. Ein Reformvorschlag der polnischen Regierung sieht vor, dass die Mitglieder dieses Rates, wie auch die Richter des Verfassungsgerichts, direkt vom Justizminister entlassen und berufen werden können. Teile der Reform stärken vor allem die Position dieses Ministers. Duda kritisierte diese Machtballung und äußerte sich besorgt über eine mögliche Einschränkung der richterlichen Unabhängigkeit. Sein Widerspruch gegen Teile der Reform ist wohl auch damit zu begründen, den Streit mit der EU-Kommission besänftigen zu wollen. Außerdem möchte der Präsident möglicherweise signalisieren, dass er die die seit Wochen andauernden Proteste vieler polnischer Bürger wahrnimmt.

In der Bevölkerung hat der Richterstand keinen guten Ruf
Aus Sicht der Regierung in Warschau sei eine Justizreform schon lange notwendig. Der Richterstand in Polen gilt schon seit Jahrzehnten als äußert unbeliebt in weiten Teilen der Bevölkerung. Immer wieder werden Vorwürfe von Korruption und Vetternwirtschaft laut. Die Richterkaste sei eine verschworene Gemeinschaft, die sich über oft geltende Gesetze hinweg setzen würde. Dies könne geschehen, da die Judikative, anders als Exekutive und Legislative, nur unzureichend kontrolliert wird. Aus Sicht der PiS sei deshalb eine Reform nötig, um gerade die Gewaltenteilung in Polen wieder in ein Gleichgewicht zu bringen.

Schon Anfang des vergangenen Jahres hat die EU nach der Verabschiedung eines Gesetzes, das die Befugnisse des Verfassungsgerichtes in Polen beschränkte, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen eingeleitet. Laut Artikel 7 EUV könnte man nach so einem Verfahren einem Land sein Stimmrecht entziehen. Seit eineinhalb Jahren ist die Stimmung zwischen Brüssel und Warschau daher höchst angespannt. Die EU-Kommission hat die polnische Regierung mehrfach aufgefordert, den umstrittenen Gesetzesentwurf mit Hinblick auf die Wahrung der Unabhängigkeit der Justiz zu überarbeiten, was aus ihrer Sicht jedoch nur unzureichend geschehen ist. Unter anderem wurde in den vergangenen Wochen damit gedroht, Warschau die EU-Fördergelder zu entziehen und ein weiteres Verfahren wegen Verletzung des Artikels 2 EUV einzuleiten. Am 26.07.2017 erhöhte die EU noch einmal den Druck mit dem Statement, dass, sollte die polnische Regierung ihren Gesetzesvorschlag durchbekommen, es dann umgehend zu einem Verfahren gegen Polen kommen werde. Am 29.07.2017 hat die EU-Kommission nun dieses Verfahren eingeleitet, nachdem das erste Gesetz in einem Gesetzesblatt am Freitag zuvor veröffentlicht worden war. Angefangen mit einem Warnbrief an die polnische Regierung, hat diese nun einen Monat Zeit, offiziell darauf zu reagieren.

Die wirtschaftliche Lage Polens
Die Wirtschaft in von Polen steht momentan gut da. Hauptsächlich die industrielle Produktion ist eine tragende Stütze der polnischen Wirtschaft. Im Juni betrug die Wachstumsrate in diesem Sektor 6,7% (YoY). Der mit Abstand wichtigste Handelspartner Polens ist der Nachbar Deutschland (Anteil an den Gesamtexporten Polens: 27 %). Auch für die Bundesrepublik ist Polen ein wichtiger Handelspartner (Anteil an den Gesamtexporten Deutschlands: 23 %), in Mittel- und Osteuropa sogar der Bedeutendste. Waren im Wert von 41,8 Milliarden Euro importierte Deutschland 2016 aus Polen. Die Direktinvestitionen deutscher Unternehmen betrugen 2015 rund 2,4 Mrd. Euro und sind damit für Polen vom Investitionsvolumen und Anzahl die wichtigsten Handelspartner weltweit. Die Gesamtverschuldung des polnischen Staatshaushaltes, gemessen am BIP, liegt 2017 schätzungsweise bei 55 %. Auch in den letzten Jahren wurde die Schuldenobergrenze aus dem Maastrichter Vertrag von 60 % des BIP nicht überschritten. In den Jahren 2014 und 2015 ist das reale BIP um jährlich ca. 3,5 % gestiegen. 2016 gab das Wachstum etwas nach, lag jedoch immer noch bei 2,7 %. Schätzungen der EU-Kommission haben zusätzlich ergeben, dass Polen in den kommenden Jahren mit einem stabilen Wirtschaftswachstum von etwas über 3 % rechnen kann. Seit 2013 sinkt auch die jährliche Arbeitslosenrate stetig. Lag sie damals noch bei 10,34 %, so ist sie 2016 bis auf 6,14 % gesunken. Dies mag vor allem an dem guten industriellen Wachstum liegen. Die Nachfrage privater Haushalte hat in den vergangenen Jahren signifikant zum Wachstum des polnischen BIPs beigetragen. Zusätzlich wird die Wirtschaft Polens von der Erholung und der guten ökonomischen Lage in der Eurozone getragen. Allerdings ist die Stimmung der Investoren in Polen abwartend. Im ersten Halbjahr 2017 hielten sich Anleger, gemessen am Einkaufsmanagerindex, eher zurück, was wohl auch auf das angespannte Verhältnis zu Brüssel zurückzuführen ist. Man wartet ab, wie sich der politische Disput entwickelt.

Wie wird es weitergehen?
Es ist nicht zu erwarten, dass es in dem Streit mit der Europäischen Union so weit kommt, dass Polen am Ende tatsächlich das Stimmrecht entzogen werden könnte. Einige andere EU-Mitglieder, darunter Ungarn und Tschechien, halten zu Polen und könnten zusätzlichen Druck auf die Kommission ausüben. Auch ist es unwahrscheinlich, dass Polen in nächster Zeit Bestrebungen zeigen wird, die Union sogar verlassen zu wollen. Laut Umfragen der Bertelsmann-Stiftung befürwortet eine klare Mehrheit von 77 % die Mitgliedschaft in der EU (Stand: November 2016). Obwohl die nationalkonservative Regierung nicht gerade als europafreundlich gilt, weiß man jedoch, dass die Wirtschaft Polens sehr stark vom EU-Binnenmarkt abhängt. Die Partnerländer mit dem größten Handelsvolumen von Polen sind vor allem bei den Exporten Mitglieder der Union. 2016 betrug das Volumen der polnischen Exporte ca. 184 Milliarden Euro. Die größten Abnehmer waren Deutschland (50,2 Milliarden Euro), Großbritannien (12,1 Milliarden Euro ) und Tschechien (12,1 Milliarden Euro ). Bei den Importen, insgesamt ca. 179 Mrd. Euro, ist ebenfalls Deutschland der größte Handelspartner mit 41,8 Milliarden Euro, gefolgt von China (21,6 Milliarden Euro ) und Russland (10,4 Mrd. Euro). Politisch ist die EU in einer unbequemen Lage: Da Sanktionen aufgrund des Einstimmigkeitsprinzips kaum zu erwarten sind, besteht die Gefahr, dass andere Länder der EU gegen rechtsstaatliche Grundwerte verstoßen, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Kurzfristig wird dies kaum Auswirkungen haben. Mittel- bis langfristig wird dadurch jedoch die Einigkeit in der EU gefährdet. Das Bild einer Wertgemeinschaft könnte Schaden erleiden. Damit könnte auch die Attraktivität der EU als Investitionsstandort leiden.


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