FRANKFURT (dpa-AFX) - Die italienische Parlamentswahl vom Wochenende hat zwei wesentliche Ergebnisse gebracht: Es gibt offenbar keine klare Regierungsmehrheit und populistische Parteien haben überraschend deutliche Stimmengewinne erhalten. Was bedeutet das Resultat für die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone? Noch mehr Schulden, einen anhaltenden Reformstau, vielleicht sogar den Euro-Austritt? Das sagen Ökonomen:
HOLGER SCHMIEDING, CHEFÖKONOM BERENBERG BANK:
"Die Wahl am Sonntag scheint Italien in eine politische Zwickmühle gebracht zu haben. Während keines der drei großen politischen Lager einer Mehrheit nahe ist, haben die beiden großen radikalen Parteien deutlich besser abgeschnitten als erwartet. Es könnte Monate dauern, eine Regierung zu bilden, die offenbar von einer der beiden großen radikalen Parteien, den Fünf Sternen oder der euroskeptischen Lega, unterstützt werden muss. Das Risiko, dass Italien auf ein Euro-Referendum zusteuert, bleibt gering. Es ist aber nicht bei Null."
THOMAS GITZEL, CHEFÖKONOM VP BANK:
"In Italien sind europakritische und rechte Parteien klare Gewinner geworden. Dass die Fünf-Sterne-Bewegung stärkste Kraft ist, muss niemanden überraschen. Umfragen ließen dies erwarten. Überrascht hat dann aber doch, dass innerhalb des Mitte-Rechts-Bündnisses die Lega Nord auf mehr Stimmen kommt als die Forza Italia. Eine Mehrheit gibt es derzeit aber für keines der verschiedenen Lager. Damit steht eine schwierige Regierungsbildung an."
MATTEO RAMENGHI, UBS-INVESTMENTCHEF FÜR ITALIEN:
"Nach dieser Wahl erwarten wir langwierige Verhandlungen, die zu erhöhter Volatilität italienischer Anlagen führen können. Eine breit aufgestellte große Koalition würde an den Märkten gut ankommen, da sie politische Stabilität und fiskalische Disziplin bedeuten würde. Neuwahlen dagegen würden die Unsicherheit verlängern und auf italienischen Anlagen lasten."
MARCO WAGNER, COMMERZBANK:
"Italien scheint unregierbar. Kein Wahlbündnis und keine Einzelpartei konnte bei der gestrigen Parlamentswahl die absolute Mehrheit erringen. Die rechnerischen Optionen für eine mehrheitsfähige Regierung sind politisch schwierig. Wir rechnen am Ende einer mehrmonatigen Sondierungsphase mit einer Flickenteppich-Regierung oder einer Minderheitsregierung, die beide nur eine Politik des Minimalkonsens durchsetzen könnten."
FRIEDRICH HEINEMANN, ZEW:
"Das Wahlergebnis bringt Italien neue Unsicherheit und wird die ökonomische Erholung des Landes erschweren. Diejenigen Parteien haben die Wahl gewonnen, die den Menschen mehr Staatsausgaben ohne Gegenfinanzierung und damit den Bruch europäischer Regeln versprochen haben. Mit dem Wahltag ist das Risiko einer staatlichen Insolvenz Italiens in den kommenden Jahren weiter gestiegen. Die EU und allen voran die Europäische Kommission müssen einer neuen italienischen Regierung nun unmissverständlich signalisieren, dass der Stabilitäts- und Wachstumspakt mit seinen Schuldengrenzen auch für Italien gilt."/bgf/tos/fba
AXC0115 2018-03-05/10:46