Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) ist von den Fortschritten bei den Gesprächen über einen EU-Austritt Großbritanniens positiv überrascht und hofft, dass beim Brexit am Ende doch die wirtschaftliche Vernunft siegt. Jürgen Matthes, der Leiter des Kompetenzfelds Internationale Wirtschaftsordnung und Konjunktur beim IW, lobt, dass mit der Einigung auf eine Übergangsphase bis Ende 2020 den Unternehmen auf beiden Seiten des Kanals die Arbeit sehr erleichtert werde.
"Bei der gestrigen Einigung auf zentrale Elemente des Austrittsabkommens haben die Brexiteers viele Kröten geschluckt. Doch die britische Regierung zeigt auch endlich Handlungsfähigkeit", schreibt Matthes in einer Analyse. Bei Seiten hätten nun deutlich gemacht, dass sie ihren Unternehmen erst dann eine Änderung der Rahmenbedingungen zumuten wollten, wenn ein neues Freihandelsabkommen bestehe.
Matthes verweist darauf, dass die EU von vornherein klargemacht habe, dass sie den unveränderten Zugang Großbritanniens zu Binnenmarkt und Zollunion nur zulassen würde, wenn die Briten während der Übergangsphase alle Pflichten eines EU-Mitgliedes weiterhin erfüllten. Dazu gehöre die Zahlung von EU-Beiträgen, der Verzicht auf Einschränkungen bei der Personenfreizügigkeit, die anhaltende Anerkennung des Europäischen Gerichtshofs und sogar die vollständige Übernahme neuer EU-Regeln - ohne ein Mitspracherecht zu haben.
Matthes: "All diese Forderungen sind ein rotes Tuch für die Brexit-Befürworter, die solche Zwänge so schnell wie möglich loswerden wollen. Sie sehen das ehemalige Britische Empire schon zum Vasallenstaat verkommen. Doch am Ende haben sie all diese Kröten geschluckt." Geklappt hat das nach seiner Einschätzung deshalb, weil die britische Regierung ihren Unternehmen endlich Planungssicherheit für die unmittelbare Zeit nach dem Austritt geben musste.
"Der Druck der Wirtschaftsverbände und die Drohung wichtiger Firmen, Investitionen zu senken oder ihre Betriebe zu verlagern, war zuletzt immer größer geworden. Vor allem deshalb ist die britische Regierung - mit Ausnahme der Irland-Frage - auf die Forderungen der EU eingegangen", schreibt Matthes.
Seiner Einschätzung nach hat die EU der britischen Regierung den Kompromiss allerdings auch dadurch erleichtert, dass sie erlaubt hat, dass Großbritannien während der Übergangsphase Freihandelsabkommen mit Drittstaaten nicht nur verhandeln, sondern auch rechtsverbindlich unterschreiben darf. Die Abkommen können also 2021 direkt in Kraft treten.
Zudem sieht Matthes eine gewisse Aufweichung der Brüsseler Verhandlungsposition bei Finanzdienstleistungen. "So will die EU britischen Finanzdienstleistern wohl in begrenztem Ausmaß Zugang zum EU-Markt ermöglichen, wenn die Regulierungen im betreffenden Bereich hinreichend ähnlich zu denen der EU sind", schreibt Matthes.
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March 20, 2018 08:33 ET (12:33 GMT)
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