Karlsruhe (ots) - Kanzler sein ist schwer genug - Kanzler werden noch viel schwerer. Als Minister gehörten Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück einst zu den Stützen der Großen Koalition. In einer Partei wie der SPD, die latent dazu neigt, sich mit sich selbst zu beschäftigen, sind sie die Gesichter der pragmatischen Vernunft: unaufgeregt, kompromissfähig, realistisch. Egal, wer von ihnen die Sozialdemokraten als Spitzenkandidat in die Bundestagswahl führt: Kanzler könnten beide. Die Aussichten, dass es einer von ihnen wird, stehen ein Jahr vor der Wahl dennoch nicht allzu gut. Steinmeiers markiges Credo, die SPD spiele auf Sieg, nicht auf Platz, klingt ein wenig wie das berühmte Pfeifen im Walde. In Deutschland herrscht alles, nur keine Wechselstimmung wie 1998 nach 16 Jahren Helmut Kohl, die Union liegt in den Umfragen klar vorne - und verglichen mit Angela Merkels Popularitätswerten sind die des früheren Außenministers und des früheren Finanzministers zwar gut, aber eben nicht gut genug. Die "Stones" sind, wenn man so will, Opfer ihres eigenen Erfolges: Mehr als die Hälfte der Deutschen wünscht sich die Große Koalition zurück - mit Merkel als Kanzlerin. So gesehen spielt es schon fast keine Rolle mehr, wen Parteichef Sigmar Gabriel den Genossen als Kanzlerkandidaten vorschlägt. Er selbst wird es kaum sein: Der SPD-Vorsitzende weiß, dass er von den Mitgliedern der Troika die mit Abstand schlechtesten Chancen hat. Obwohl er die Partei nach der letzten Wahl schnell und ohne größeren Flügelstreit aus ihrem 23-Prozent-Trauma geholt hat, wird er das Image des Flatterhaften, Effekthascherischen nicht los - und will es womöglich auch gar nicht. Im Moment gefällt Gabriel sich in der Rolle des Kandidatenmachers. Er bestimmt die Spielregeln und die Dramaturgie, er kann es sich leisten, zu warten: Falls Steinmeier oder Steinbrück scheitern, wird er nach der Wahl auch noch den Fraktionsvorsitz übernehmen und so fast zwangsläufig zum Kanzlerkandidaten für 2017 aufrücken. Angela Merkel hat das vor zehn Jahren ja nicht anders gemacht, als sie Edmund Stoiber nach dem berühmten Frühstück von Wolfratshausen in ein schweres Rennen gegen Gerhard Schröder jagte, um eine Wahl später umso strahlender dazustehen. Sollte Gabriel sich insgeheim schon für Peer Steinbrück entschieden haben, wie es am Rande des SPD-Zukunftskongresses in Berlin kolportiert wurde, würde er seiner Partei allerdings einiges zumuten. Viele Sozialdemokraten halten den 65-jährigen nicht nur für einen verkappten Bürgerlichen, sondern vermissen bei ihm auch die genossenübliche Bindekraft zwischen Person und Partei. So populär er bis weit ins konservative und liberale Milieu hinein ist, so schwer wäre eine Kandidatur des Funktionärsverächters Steinbrück der SPD-Linken zu vermitteln. Steinmeier dagegen hat mit der nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hannelore Kraft nicht nur eine mächtige Fürsprecherin, sondern auch den stärksten Landesverband im Rücken. Obwohl die SPD mit dem früheren Schröder-Intimus als Kandidat 2009 ihr bislang schlechtestes Ergebnis eingefahren hat, sind die Wunden von damals längst verheilt. Um die populäre Kanzlerin stürzen zu können, müsste die SPD allerdings fast so stark werden wie die Union - oder die FDP zu einem Dreierbündnis mit Genossen und Grünen bereit sein. Für beides spricht bisher wenig, für eine Neuauflage der Großen Koalition dafür umso mehr. In diesem Fall aber ist der Spitzenkandidat der SPD in Wirklichkeit nicht der Kanzlerkandidat, sondern nur der Vizekanzlerkandidat. Egal, wie er heißt.
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Pressekontakt: Badische Neueste Nachrichten Klaus Gaßner Telefon: +49 (0721) 789-0 redaktion.leitung@bnn.de
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