In Deutschland lässt eine eindeutige Wirtschaftsverbesserung noch auf sich warten. Es fehlt an "harten" Konjunkturdaten und ausreichend freundlichen Unternehmensgewinnen. Und dennoch, der berühmt-berüchtigte Effekt "Sell in May and go away" zeigt abseits erhöhter Kursschwankungen keine besonders hässliche Fratze. Denn zunächst haben die Aktienmärkte in den ersten vier Monaten des Jahres keinen Gewinnpuffer in Form von Kursgewinnen erwirtschaftet, die Anleger nun realisieren könnten. Daneben bleibt die internationale Geldpolitik ein massives Auffangnetz. Nicht zuletzt bietet die geschönte Darstellung der Schuldentragfähigkeit Griechenlands der Politik ein grandioses Alibi für die Auszahlung des nächsten Hilfskredits. Anlegern bleibt die erneute Auseinandersetzung mit schmerzhaften Stabilitäts- und Grexitdebatten wie 2015 erspart.
Deutschlands Wirtschaft zeigt mitunter durchaus Frühlingsgefühle. Die Industrie hat im März mit einem Plus von 1,9 Prozent deutlich mehr Aufträge erhalten als im Vormonat und auch die Exporte legten kräftig zu. Das ist jedoch nicht der Beginn einer nachhaltigen Dynamisierung. Denn das solide Konjunkturwachstum im I. Quartal 2016 von 1,6 Prozent zum Vorjahr beruht maßgeblich auf Sondereffekten angesichts eines milden Winters.
Immerhin, die Gewinnentwicklung in der deutschen Industrie ist seit Jahresbeginn auf Erholungskurs. Eine branchenübergreifende Erholung deutscher Unternehmensgewinne bleibt jedoch eine fundamentale Bringschuld.
Als Bremsklotz für exportsensitive deutsche Unternehmen erweist sich die verhaltene Weltkonjunktur, die sich im II. Quartal 2016 laut ifo Institut lediglich stabilisieren konnte. Setzt man die Einschätzung der globalen Geschäftslage und -erwartungen zueinander in Beziehung, befindet sich die Weltkonjunktur nach wie vor in rezessivem Terrain.
Ein Indikator für die vergleichsweise verhaltene Weltwirtschaft ist auch die Entwicklung des Kupferpreises. Als weltkonjunkturzyklischstes aller Industriemetalle zeigt die langjährige Preisschwäche bei Kupfer, dass die Sturm-und Drangzeit der Schwellenländer der Vergangenheit angehört. Im Übrigen ist der Abbau von Überkapazitäten noch nicht abgeschlossen. Mittlerweile hat auch der sich seit Jahresbeginn erholende Kupferpreis wieder an Stärke verloren.
Trotzdem zeigt sich der deutsche Aktienmarkt von diesem Fundamentalszenario vergleichsweise wenig beeindruckt. Die früher noch eindeutige historische Korrelation, wonach schwächeren ifo Geschäftserwartungen in Deutschland im Jahresvergleich ebenso Kursverluste beim DAX folgten, hat sich seit Mitte 2012 ent-korreliert. Das geldpolitische Rettungsversprechen der EZB von Juli 2012 mit Start der tatsächlichen Liquiditätsoffensive ab Januar 2015 führte zu einer deutlichen Entkoppelung der Aktienmärkte von der fundamentalen Konjunkturentwicklung.
So werden fundamental gerechtfertigte Kurseinbrüche an den Aktienmärkten durch den liquiditätspolitisch verursachten Anlagenotstand verhindert, zumal die größte Alternativanlageklasse "Zinsvermögen" durch sinkende Notenbankzinsen der EZB und massive Rendite-drückende Anleiheaufkäufe immer unattraktiver geworden ist. Der Vergleich der Wertentwicklung des Deutschen Aktienindex mit der Umlaufrendite deutscher Staatsanleihen verdeutlicht dies: Während Bundesanleihen noch bis 2008 hohe Renditen von mindestens vier Prozent boten - die als lohnende Anlagealternative einen nachhaltigen Anstieg des DAX über die Marke von 8.000 Punkten verhinderten - erhalten Anleger heutzutage völlig unbefriedigende Durchschnittsrenditen von ca. 0,05 Prozent. De facto hat die Geldpolitik ein Sicherheitsnetz für Aktien gespannt.
Sag mir wo die Gründe für die Zinserhöhung sind, wo sind sie geblieben?