Minus 4,9 Basispunkte - dort notierten die AAA-gerateten Anleihen des iBoxx Corporates am 19. Oktober 2017. Das ist schon mehr als ein anekdotisches Indiz für die Verfassung des europäischen Unternehmenssektors kurz vor der heutigen EZB-Sitzung. Auch gemessen am Gesamtindexstand des iBoxx - deutlich unter 40 Basispunkten - befinden wir uns in Bereichen eines nie dagewesenen Vertrauensvorschusses in die geringe Ausfallwahrscheinlichkeit der Corporates. Angesichts der Markterwartungen, dass die EZB heute den langsamen Rückzug aus ihrem Anleihekaufprogramm verkünden wird, eine bemerkenswerte Entwicklung - die zudem im Gegensatz zum Renditeanstieg bei Staatsanleihen in den letzten Tagen steht. Wie lässt sich das erklären?
Sicherlich nicht mit der Kreditqualität des Unternehmenssektors: Insbesondere dessen gestiegene Schuldenbelastung sorgt dafür, dass die Ratingausblicke der Agenturen sich eintrüben. Bei Investitionsgüter haben 18 % der von S&P gerateten Unternehmen einen negativen Ausblick, nur 6 % dagegen einen positiven. Auch in der Branche Consumer Products ist das Verhältnis negativ (17 % zu 5 %), ebenso bei Verpackungen (29 % zu 6 %), Energie (26 % zu 9 %) und Einzelhandel (23 % zu 3 %). Das ist noch kein ausgesprochen großer Grund zur Sorge, aber es zeigt, dass sich die Anleger in den nächsten sechs Monaten auf eine Verschlechterung der Rating-Durchschnitte einstellen müssen.
Ein Erklärungsansatz findet sich in der vorgestern erschienenen Bank Lending Survey der EZB. Demnach stieg die Nachfrage nach Krediten laut jüngster EZB Lending Survey insgesamt deutlich an. Noch deutlicher stiegen die Erwartungen: Per Saldo reporteten 26 % der befragen Banken, dass sie mit weiteren Nachfragesteigerungen in Q4 2017 rechnen. Gleichzeitig werteten die Banken den Einfluss des Anleihekaufprogramms der EZB auf die Kreditvergabebedingungen insgesamt als unterstützend (-4 %). Im Umkehrschluss heißt das: Sobald die EZB ihr Asset Purchase Programme APP zurückfährt, würden sich die Kreditvergabebedingungen der Banken insgesamt eher verschärfen und damit eine Wendung im europäischen Kreditzyklus auslösen. Es ist also gut möglich, dass wir in den Kreditmärkten aktuell einen Endspurt beobachten, der die Spreads drückt.
Bereits im dritten Quartal 2017 haben sich in der Bank Lending Survey die Kreditvergabebedingungen an Unternehmen leicht verschärft: von -3 % auf -1 %, wobei die Marktteilnehmer eher einen Wert von unter -3 % erwartet hatten. Nach der heutigen Sitzung könne diesbezüglich ein weiterer Impuls hinzukommen. Dann steht zu erwarten, dass die Spreads der Unternehmensanleihen den steigenden Renditen der Staatspapiere folgen.
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