Von Michael Denzin
FRANKFURT (Dow Jones)--Eine nervöse Handelswoche dürfte DAX & Co bevorstehen. Denn gerade in Europa geht es darum, ob eine Bodenbildung gelingt, oder sich die dramatische Underperformance gegenüber dem US-Markt fortsetzt. Beim DAX ist die Verteidigung der wichtigen 12.000er-Marke noch lange nicht in trockenen Tüchern. Der anstehende Große Verfalltag an den internationalen Terminbörsen am kommenden Freitag dürfte zwar für eine freundliche Tendenz sorgen, die Gefahr eines nur kurzfristigen Strohfeuers ist aber nicht gebannt.
Für Orientierungslosigkeit bei Anlegern sorgt die steigende Zahl von Quellen der Unsicherheit. So gesellen sich neben die bekannten Problemen um überraschende Tweets von US-Präsident Donald Trump und dem Handelskonflikt mit China die Probleme der Emerging Markets, die steigende Inflation vor allem durch Lohnkosten und zahlreiche Notenbankentscheidungen rund um den Globus.
Warten auf Schwellenländer und US-Notenbank
"Bis nicht alle Notenbanken durch sind, kann man Aktien eigentlich gar nicht bewerten", unterstrich ein Händler im Wochenverlauf. Denn im Vergleich zweier Länder stünden die Zinsdifferenzen im Fokus. Mit der Europäischen Zentralbank habe aber erst eine große Bank ihre Entscheidung bekannt gegeben. Die US-Notenbank werde erst übernächste Woche agieren, in der kommenden Woche stellen die Zentralbanken Japans und der Schweiz ihre Entscheidungen vor.
Dazu stehen die Schwellenländer klar im Fokus nach der teils kräftigen Zinserhöhung der Notenbanken in der Türkei und in Russland. Vor allem die Aussagen der Notenbanken Brasiliens, Ungarns, Südafrikas und Thailands stehen daher nächste Woche im Blick. Verwerfungen in diesen Märkten könnten Anleger auch zum Positionsabbau in entwickelten Märkten wie Europa zwingen. Schließlich hatte die Jagd nach Rendite im globalen Nullzinsumfeld viele von ihnen in die höher verzinsten Schwellenländer gelockt.
Die steigenden US-Zinsen stellen nun aber viele Schwellenländer vor Probleme bei der Refinanzierung ihrer in Dollar begebenen Schulden. Dazu hat Europa auch seinen eigenen Krisenherd: "Italien ist und bleibt ein Brennpunkt", sagt Thomas Altmann von QC Partners. Solange der neue Haushalt nicht stehe, könne das Land "jederzeit wieder zum Thema werden und die Kurse bewegen".
Selbst US-Börsen könnten fallen
Und selbst bei den US-Märkten dürfen steigende Kurse nicht als gottgegeben betrachtet werden, schließlich hängt dort alles an den Technologiewerten. Nur die fünf größten Aktien wie Apple und Google machen die Hälfte der Marktkapitalisierung des angeblich so marktbreiten S&P-500-Index aus. Dies verfälsche viele Kennzahlen. "Nimmt man Apple & Co heraus, lebt auch der breite US-Markt hauptsächlich nur von seinem Gewinnsprung durch Trumps Steuerreform", warnte ein Händler. Die Konjunktur laufe zwar momentan stark, sei aber "mehr als ausreichend" eingepreist in den Kursen.
Eine US-Korrektur würde daher die dahinsiechenden Märkte Europas doppelt so stark treffen. Analysten wie von der Societe Generale warnen hier bereits mit Blick auf das zweite Halbjahr: "Es wird Abwertungen geben". Denn nur die US-Steuerreform habe das Kurs-Gewinn-Verhältnis von 18,5 zu Jahresbeginn auf nunmehr 17 gedrückt. Wenn die Fed aber in den kommenden 12 Monaten noch viermal die Zinsen anheben werde, sei es historisch immer zu fallenden Aktienbewertungen gekommen. Vor allem die Mid-Term-Wahlen im November sehen die Analysten als eine "Quelle der Volatilität" für den US-Markt. Zudem könnte eine Abschwächung der US-Konjunktur ab 2020 ein Thema werden.
Konjunktur hat Zenit überschritten
Besonders Deutschland dürfte damit unter der Sorge vor dem Überschreiten des Konjunktur-Tops leiden. Hier steht die Auftragslage aus dem Ausland im Fokus, die zuletzt scharf eingebrochen war. Von Branchen-Verbänden aus dem Maschinenbau war zu hören, dass nun eine neunjährige Konjunkturrally zu Ende gehe. Für Anleger aus dem Ausland wird damit auch der deutsche Aktienmarkt immer uninteressanter.
Die Konjunkturdaten der kommenden Woche stehen daher besonders im Blick, allen voran die "PMIs", die Einkaufsmanager-Indizes aus den Ländern der Eurozone und den USA. Doch gerade ihnen werfen einige Analysten den Hang zur Schönfärberei vor. Auch gute PMIs könnten daher wirkungslos am Markt verpuffen, da die wichtigeren Auftrags- und Produktionsdaten eher enttäuschend sind. Die Analysten der Commerzbank befürchten ohnehin schwächere Zahlen für den Industrie-PMI im Euroraum. Und selbst in China geht das Wachstum zurück, wie die aktuellen Daten zur Investitionstätigkeit zeigen: Dies wuchs nur noch mit der schwächsten Rate, die seit Beginn der Datenerhebung 1992 jemals gemessen wurde.
Zeit der ETS zu Ende - DAX als Index irrelevant
Für den Aktienkauf sind all das keine Argumente. Dazu kommen nun auch noch systematische Probleme. Denn mit dem Auslaufen der Billigzinspolitik in den USA und bald auch Europa dürften Aktienmärkte nicht mehr einfach auf ganzer Breite gekauft werden, weil alles gleichmäßig steigt. Die Zeit von passiven Anlageprodukten wie den börsengehandelten Index-Fonds (ETFs) gehe damit dem Ende entgegen, warnt unter anderem der Börsenbriefschreiber Bernecker und rät zu dem radikalen Schritt, sämtliche dieser Vehikel zu verkaufen.
Die Notwendigkeit, in Zukunft wieder jedes einzelnen Unternehmen für sich zu bewerten, wird klar beim Blick auf den DAX: Hier zeichnet die leicht negative Index-Entwicklung kein repräsentatives Bild des breiten Aktienmarktes. Denn dahinter verstecken sich zweistellige Minuszeichen bis weit über 30 Prozent seit Jahresbeginn bei Deutsche Bank und selbst Standardwerten wie Continental und Bayer. Gleichzeitig gibt es aber auch Kursgewinne in ähnlich hohem Prozentbereich bei RWE, Adidas und Deutscher Börse. "Der DAX-Index wird als Kursbarometer für Anleger langsam irrelevant", fasste ein Stratege die Lage für Fondsanleger zusammen.
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September 14, 2018 07:08 ET (11:08 GMT)
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