FRANKFURT (Dow Jones)--Keine Anzeichen für eine Besserung bei DAX & Co gibt es auch in der kommenden Woche. Die Belastungsthemen bleiben die immer selben, nur die Gewichtung ändert sich. Das Thema Brexit hat sich mit der scharfen Reaktion auf das Abkommen zwischen Großbritannien und der Rest-EU in den Vordergrund gedrängt. Der Brandherd Italien ist damit kurzzeitig in den Hintergrund gedrängt worden, obwohl er noch wesentlich gefährlicher für die Zukunft der EU ist. Schließlich hat die Regierung in Rom gerade mit ihrem Haushaltsentwurf unterstrichen, dass sie auf Konfrontationskurs mit Brüssel gehen will.
Dazu gesellt sich die Angst vor einem weiteren Anstieg der Inflation weltweit, und das bei einer gleichzeitigen Abschwächung der Konjunktur - also der denkbar schlechtesten Kombination für die Aktienmärkte. Und bei den ehemaligen Anlagelieblingen der Börsianer, den FANG-Stocks rund um Apple, Amazon und Google, gibt es ebenfalls keine verlässlichen Anzeichen, dass die massiven Gewinnmitnahmen zum Halten kommen.
Technologiesektor im Fokus - Nach Apple belastet Nvidia
Analysten sprechen zwar zunehmend von Kaufgelegenheiten, offen ist jedoch, ob dies nur Pfeifen im Walde ist. Nach rund 11 Prozent Kurseinbruch in nur fünf Handelstagen bei Apple spricht Morgan Stanley von einer Überreaktion, die zum Kauf einlade. Der Ausverkauf habe Apple über 100 Milliarden Dollar an Börsenwert gekostet und die Aktie fast in den Bärenmarkt gedrückt. Man sei daher Käufer in der Aktie und sehe ein Kursziel von 253 Dollar, was immerhin 35 Prozent über dem aktuellen Kursniveau liegt.
Doch selbst wenn Morgan Stanley hier Recht hat und man Apple mit dem iPhone auf ein spezifisches Produkt reduzieren möchte, sieht es auch in anderen Segmenten der Technologiewerte nicht rosig aus. Denn mit Nvidia und Applied Materials haben auch davon völlig unabhängige Unternehmen der Chip-Branche negative Ausblicke gegeben. Sie sehen trübe Aussichten für die Branche, sprechen von einem Chip-Überangebot und erwarten eine Abschwächung der Ertragslage. Der Technologiesektor war aber der letzte, der noch deutliche Wachstumsraten aufgewiesen hatte, warnte ein Stratege schon vor Wochen: "Gerade daher waren ja alle so übergewichtet in den FANG-Stocks und der ganzen Branche."
US-Inflation und Zinsangst bremst Aktienbewertung
Ein Ende der Wachstumsfantasie im Technologiesektor dürfte damit das allerletzte sein, was Investoren noch sehen wollen. Entsprechend weisen große Emittenten von börsennotierten ETF-Fonds darauf hin, dass es auch kaum Interesse an neuen Investitionen in den Aktienmarkt gebe. So heißt es von Lyxor dazu, "dem ETF-Markt geht die Puste aus". Das vierte Quartal sei mit geringen Nettomittelzuflüssen gestartet. Nur im April und Juni seien die Zuflüsse noch geringer gewesen. Als Grund für den schwachen Oktober machen sie die politischen Entwicklungen und das Fehlen klarer Trends aus.
Auch von Zinsseite dürfte es weiter Druck auf die Aktienmärkte geben. Das Risiko stärkerer Zinserhöhungen durch die US-Notenbank ist nicht geringer geworden. Schließlich zeigte die US-Inflation der Verbraucherpreise im Wochenverlauf den schnellsten Anstieg seit neun Monaten. Auch die Aktienmarktbewertung in Form von Kennzahlen wie Kurs-Gewinn-Verhältnis und anderen "Multiples" dürfte damit weiter unter Druck stehen.
Jahresendrally allenfalls bei Einigung im Handelsstreit USA-China
Die Chancen auf die erhoffte Jahresendrally schwinden damit immer mehr. Mit Italien, Brexit, Technologiewerten und Zinserhöhung, dazu der Unsicherheit über die politische Zukunft Deutschlands, hängen derart viele ungelöste Probleme im Raum, dass Marktteilnehmer eigentlich schon froh sein könnten, wenn sich DAX & Co unverändert ins Jahresende schleppen können. Lediglich das Thema Handelsstreit USA-China hat dabei überhaupt die Chance, ein positives Überraschungspotenzial zu entfalten. Sollte es hier zu einer Einigung vor dem G-20-Treffen Ende des Monats in Buenos Aires kommen, könnte ein Teil der Risikoprämie über den Märkten ausgepreist werden. In diesem Fall würden Strategen wie die der Landesbank Baden-Württemberg sogar eine Rally des DAX in Richtung 12.500 Punkte nicht für unmöglich halten.
Die Zeit dafür läuft allerdings aus - denn bereits in vier Wochen ist das Jahr aus Anlegersicht vorbei. Und die kommende Woche fällt fast schon weg, da der US-Feiertag "Thanksgiving" am Donnerstag mit einer geschlossenen Wall Street zum verlängerten Wochenende für die halbe USA einlädt. Auch am Freitag wird dort nur verkürzt gehandelt. Die Berichtssaison ist indes abgehakt, hier stehen keine marktbewegenden Unternehmen mehr an. Umso sensibler dürften die Märkte aber auf jede Form von Warnungen und Ausblicken aus der Technologiebranche reagieren.
Bei den Konjunkturdaten im Fokus steht der beschleunigte Inflationsanstieg, vor allem die Erzeugerpreise aus Deutschland. Das Land hatte ohnehin schon enttäuscht, nachdem das deutsche BIP im dritten Quartal erstmals seit 2015 wieder geschrumpft ist. Von der EZB-Sitzung am Mittwoch wird nichts erwartet, mit Interesse jedoch auf das Protokoll der Sitzung vom 25. Oktober geblickt. Die interessantesten Konjunkturindikatoren dürften die neuen Einkaufsmanager-Indizes für den Service-Sektor im November werden. Sie werden von den Ländern der Eurozone bis hin zu den USA vorgelegt. Angesichts des langen Wochenendes dürfte sie aber erst in der folgenden Woche gespielt werden.
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November 16, 2018 08:03 ET (13:03 GMT)
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