FRANKFURT (Dow Jones)--Eine spannende Woche steht den europäischen Aktienmärkten bevor - besonders da sie schon am Samstag davor entschieden sein könnte. Denn mit der Abstimmung im britischen Parlament wird über die Form des Brexit entschieden. Geht alles gut und die Parlamentarier stimmen dem Deal mit der EU zu, dürften die Märkte am Montag mit einer Erleichterungsrally reagieren. Vor allem Pfund-Anleihen und speziell die Aktien britischer Banken werden als Gewinner gesehen, ebenso die Unternehmen, die stark vom EU-Markt abhängig sind.
Gütlicher Brexit nur kurzfristig gut
Ein Stein vom Herzen der Anleger dürfte auch an den anderen Aktienmärkten in Europa fallen und entsprechende Risikoprämien weiter vom Markt genommen werden. Vom Eurex-Terminmarkt ist zu hören, dass die Optionen mit ihren erwarteten Volatilitäten Kursausschläge von bis zu 200 Punkten im DAX allein am Montag bereits einpreisen, nach oben oder unten je nach Ausgang der Abstimmung. Ein DAX von bis zu 12.900 Punkten wäre dann kurzfristig auch keine Überraschung mehr.
Nur, das Ende aller Probleme sollten Marktteilnehmer deswegen noch lange nicht erwarten. Denn viel von einem positiven Ausgang dürfte schon eingepreist sein, wie die Kursgewinne im DAX seit Oktoberbeginn zeigen. Dazu wird gerne vergessen, dass der Brexit nur ein einziger Risikobaustein war: Allein das Vermeiden von Chaos heißt noch lange nicht, dass die Unternehmen auch Geld verdienen.
"Gewinnwarnungssaison" beginnt gerade erst
So macht die beginnende Berichtsaison schmerzhaft klar, dass kein gutes Quartal auf die Börsen zukommt. Die überwiegend guten Zahlen der US-Banken hatten den Markt zunächst in Sicherheit gewiegt. Doch auf die völlig überraschende Ansammlung von Gewinnwarnungen und/oder Prognosesenkungen vor allem von französischen Blue-Chip-Unternehmen wie Renault, Danone, Thales und Accor allein am Freitag war der Markt nicht vorbereitet. Entsprechend kam es zu Kursverlusten von im Schnitt 5 Prozent und bei Renault zeigte sich so etwas wie Entsetzen und ließ die Aktien bis zu 14 Prozent einbrechen. Da auch noch Volvo vor einer Abschwächung warnte, ist von den Berichten aus dem Autosektor nicht viel Gutes zu erwarten.
US-Strafzölle gegen Europa weiter auf dem Tisch
Und auch der Erfolg der US-China-Verhandlungen ist bislang maßlos übertrieben worden. US-Präsident Donald Trump musste sich von den Chinesen quasi vorführen lassen. Nicht einmal die euphemisch als "Phase Eins" verkauften Teilzugeständnisse wollten Chinas Verhandlungsprofis bei ihrem US-Besuch unterschreiben und sehen nun sogar noch "weiteren Gesprächsbedarf". Die Verhandlungsposition von Trump verschlechtert sich währenddessen angesichts von heimischen Impeachement-Bestrebungen und den Rügen für das Im-Stich-lassen der Kurden weiter.
Entsprechend dürfte sich Trump andere Spielfelder für schnelle und TV-wirksame Erfolge suchen - und da bietet sich Europa an. Etwas untergegangen angesichts der totalen Fixierung auf den Brexit ist nämlich, dass die neuen Strafzölle der USA auf EU-Produkte im Umfang von 7,5 Milliarden Dollar am Freitag in Kraft getreten sind. Sie stützen sich noch auf den Sonderfall der angeblichen Subventionen für Airbus und zielen daher hauptsächlich auf Flugzeugimporte mit neuen Zöllen in Höhe von zehn Prozent ab.
Dazu sind aber auch Käse, Wein und andere Konsumgüter betroffen. Interessanter als eine detaillierte Definition, welcher Lebkuchen nun genau davon betroffen ist, dürfte die Erkenntnis sein, dass die EU-Verhandler bis zur letzten Minute versucht hatten, dies zu verhindern - und damit gescheitert sind.
Die Botschaft an den Markt ist damit klar: Die Europäer sollten sich keinesfalls in Sicherheit wiegen und glauben, dass die USA generell das Kriegsbeil begraben. Besonders über den deutschen Autobauern und damit automatisch dem DAX hängen weiter die Trump-Drohungen von Strafzöllen gegen "europäische" Hersteller. Anleger sollten daher selbst bei eventueller Feierlaune am Montag wegen einer gelungenen Brexit-Abstimmung nicht gleich darauf vertrauen, dass damit auch eine risikofreie Jahresend-Rally begonnen hat.
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October 18, 2019 06:27 ET (10:27 GMT)
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