BRüSSEL (AFP)--Nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl in Belarus wollen die EU-Außenminister am Freitag bei einer außerordentlichen Sitzung über mögliche Sanktionen gegen die Führung des Landes beraten. Bei der Videokonferenz stünden außerdem weitere "dringende Angelegenheiten" wie der Streit über die türkischen Öl- und Gas-Bohrungen im östlichen Mittelmeer sowie die Entwicklungen nach der Explosionskatastrophe in Beirut auf der Agenda, erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Mittwoch.
In einer gemeinsamen Erklärung hatten die EU-Mitgliedstaaten die Präsidentschaftswahl in Belarus am Dienstag als "weder frei noch fair" verurteilt und angekündigt, die Beziehungen der EU zu dem Land auf den "Prüfstand" zu stellen. In der Erklärung wurden auch Gewalt gegen regierungskritische Demonstranten und willkürliche Festnahmen angeprangert.
Laut dem amtlichen Wahlergebnis in Belarus hatte der seit 26 Jahren autoritär regierende Staatschef Alexander Lukaschenko bei der Präsidentschaftswahl am Sonntag mehr als 80 Prozent der Stimmen geholt, seine Hauptrivalin Swetlana Tichanowskaja kam demnach auf nur rund 10 Prozent. Die Opposition erkannte das Ergebnis nicht an und warf der Regierung massiven Wahlbetrug vor.
Seit Tagen gibt es in Belarus heftige Proteste, gegen die Sicherheitskräfte gewaltsam vorgehen. Mit Blick auf die Gewalt gegen die Demonstranten und den mutmaßlichen Wahlbetrug hatte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) eine Debatte über die Wiederverhängung von Sanktionen gegen Belarus gefordert.
Da die Minister nur per Videoschalte zusammenkommen, können sie keine politische Entscheidungen treffen. Allerdings könnten sie die EU-Kommission mit der Prüfung verschiedener Sanktionsmöglichkeiten beauftragen. "Das würde den Prozess beschleunigen, konkrete Maßnahmen zu beschließen", hieß es aus EU-Kreisen. Das nächste reguläre Treffen der EU-Außenminister soll am 27. und 28. August in Berlin stattfinden. Bei dem Treffen soll der Gipfel der Staats- und Regierungschefs am 24. und 25. September in Brüssel vorbereitet werden.
Die Beziehungen zwischen der EU und mehreren Drittstaaten sind derzeit stark belastet. Immer weiter zu spitzte sich zuletzt der Streit zwischen Brüssel und der Regierung in Ankara wegen der türkischen Gas- und Öl-Bohrungen im östlichen Mittelmeer. Als Reaktion auf die Entsendung eines türkischen Erkundungsschiffs vor die griechische Küste hatte die Regierung in Athen am Dienstag ein Treffen der EU-Außenminister gefordert.
Der griechische Außenminister Nikos Dendias will sich am Freitag zudem mit seinem US-Amtskollegen Mike Pompeo in Wien treffen, um über die Situation im östlichen Mittelmeer und die "wachsende Provokation" durch den Nato-Partner Türkei zu sprechen.
Die EU-Außenminister wollen sich zudem mit der politischen Krise im Libanon befassen, die sich nach der verheerenden Doppelexplosion vergangene Woche noch verschärft hat. Am Montag hatte die libanesische Regierung unter Ministerpräsident Hassan Diab als Reaktion auf die Katastrophe mit mehr als 170 Toten und tausenden Verletzten und darauffolgende tagelange Proteste ihren Rücktritt angekündigt. Experten rechnen damit, dass der Druck auf die politische Elite des Landes noch wächst. Viele Libanesen sehen in der Explosionskatastrophe einen Beleg für das Versagen der Verantwortlichen.
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August 12, 2020 09:58 ET (13:58 GMT)