DJ BGA: Jahresbilanz fällt im Außenhandel und Großhandel trostlos aus
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) hat eine ernüchternde Bilanz über die Lage im zurückliegenden Jahr 2020 gezogen, hält ein wirtschaftliches Durchstarten aber nun trotz des scharfen Einschnitts für möglich. "Die Jahresbilanz fällt im Außenhandel wie auch im Großhandel trostlos aus", erklärte der Verband bei seiner Jahrespressekonferenz. Angesichts des abermaligen Herunterfahrens der Wirtschaften in Europa, das immerhin für gut ein Drittel des weltweiten Güterhandels stehe, erwarte der BGA "bis zum Jahresende beim Exportrückgang mindestens eine 12 vor dem Komma".
Verbandspräsident Anton Börner warnte aber vor einer halbherzigen Pandemiebekämpfung. "Das Corona-Virus verzeiht keine Fehler und Nachlässigkeiten", erklärte er. So zeige der aktuelle Rückschlag, dass eine halbherzige Pandemiebekämpfung einen hohen, bei weitem nicht nur wirtschaftlichen Preis koste. "Doch die deutsche Wirtschaft ist stark, und trotz des scharfen Einschnitts stehen die Strukturen hierzulande bereit zum Durchstarten - dank vielfältiger Initiativen und dem Rückgriff auf eigene Reserven sowie umfangreicher Stabilitätshilfen", meinte er.
"Covid-19 hat uns exportseitig um fünf Jahre zurückgeworfen und zugleich, insbesondere bei der Digitalisierung, um fünf Jahre nach vorne katapultiert", konstatierte Börner bei einer Online-Pressekonferenz. Bisher sei das US-Geschäft um knapp 16 Prozent eingebrochen, Großbritannien habe die Folgen des Brexits vorweggenommen, die Exporte seien bislang um 18,5 Prozent zurückgegangen. Lateinamerika liege darnieder. Einziger Lichtblick seien China und das übrige Asien, deren Bedeutung während der Corona-Pandemie weiter gestiegen sei.
Exportgetriebener Handel besonders betroffen
Im Großhandel sieht es laut BGA nicht viel besser aus. Sektoral besonders betroffen ist nach seinen Angaben der export- und industriell getriebene Produktionsverbindungshandel, der nach dem dritten Quartal nominal 4,6 Prozent unter dem Vorjahreswert liege. Gleiches gelte aber auch für den Teil des Großhandels, der sich auf die Belieferung des Gastgewerbes spezialisiert habe. So entfielen beispielsweise im Bereich der Großmärkte und in weiten Bereichen des Lebensmittelzustellgroßhandels mit der Schließung der Hauptkundengruppe Gastronomie Geschäfte in einer Spanne von 40 bis 60 Prozent.
Eine rasche wirtschaftliche Erholung sei aber möglich, wenn Impfstoffe ausreichend zur Verfügung stünden und die richtigen Lehren aus der Krise gezogen würden. "Mehr denn je liegt Deutschlands Zukunft in einem starken Europa, das seine geopolitische Rolle nach und nach annimmt, sich unabhängiger macht und in einer zunehmend multipolaren Welt eigene Akzente setzt, etwa mit neuen Handelsabkommen", erklärte Börner.
Dass die Europäische Union und Großbritannien sich auf den letzten Metern auf ein Post-Brexit-Handelsabkommen geeinigt hätten, sei ein wichtiges Signal für die Wirtschaft, sie in der aktuellen Krisensituation nicht zusätzlich zu belasten. Schließlich werde auch mit einem "weichen" Brexit eine Vielzahl von Veränderungen auf die Unternehmen zukommen. So steige der bürokratische Aufwand und wiege der Verlust der Waren- und Personenverkehrsfreiheit ohnehin schwer.
EU soll Freihandelsabkommen vorantreiben
Derweil unterstreiche China mit der neuen, weltweit größten Handelszone RCEP nicht nur seinen politischen Führungsanspruch in der Region, sondern auch seine Rolle als globale Gestaltungsmacht. Um nicht den Anschluss zu verlieren und nicht zuletzt zur Diversifizierung der Lieferketten, müsse die EU nun die Verhandlungen über eigene Freihandelsabkommen in der Region energisch vorantreiben, forderte der BGA-Präsident. Börner zeigte sich zudem besorgt wegen explodierender Frachtraten, fehlender Kapazitäten und massiver Probleme auch bei Themen wie der Liefertreue im Schiffsverkehr.
Mit der bisherigen Krisenpolitik seien die Unternehmer allerdings ganz überwiegend zufrieden, wie die aktuelle BGA-Unternehmerumfrage zeige. Nur knapp jeder siebte hält sie laut den vom BGA bekanntgegebenen Ergebnissen für unzureichend. Rund 40 Prozent der Unternehmer hätten bereits durch den ersten Lockdown erhebliche Umsatzeinbrüche erlitten. Nachdem viele Unternehmen in der ersten Phase noch auf ihre Reserven zurückgreifen konnten, sähen sich über 44 Prozent nun von dem zweiten, partiellen Lockdown stärker betroffen, wobei die meisten von ihnen davon ausgehen, dass sie die Krise mit Blessuren überleben.
Nur jedes zweite Unternehmen (49 Prozent) hat laut der Erhebung bislang Hilfen in Anspruch genommen. Fast drei von vier Unternehmen wollen demnach auch weiterhin keine beanspruchen. Zu den in Anspruch genommenen Hilfen zählen ganz besonders das Kurzarbeitergeld (fast neun von zehn Unternehmern) sowie steuerliche Hilfen.
"Weitere Hilfen gilt es sparsam auf betroffene Unternehmen zu konzentrieren und nicht auf ganze Branchen, weil diese in den meisten Fällen viel zu heterogen sind", mahnte Börner. Steuererhöhungen wie Vermögensteuern, Vermögensabgabe oder Reichensteuer seien das völlig falsche Signal. Wichtiger denn je sei dagegen eine Modernisierung des Unternehmenssteuerrechts, "um die Belastung an das internationale Niveau heranzuführen".
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December 29, 2020 04:50 ET (09:50 GMT)
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