DJ DIHK: Krieg und Sanktionen treffen deutsche Wirtschaft in der Breite
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Die Auswirkungen der russischen Invasion in der Ukraine spürt die deutsche Wirtschaft nach einer Blitzumfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) in der ganzen Breite. In der bundesweiten Befragung unter 3.700 Unternehmen aus allen Branchen und Regionen sähen sich 78 Prozent der Betriebe vom Krieg und seinen Folgen geschäftlich betroffen, erklärte die Kammerorganisation. Im Detail berichteten demnach 60 Prozent der Unternehmen von Auswirkungen wie steigenden Preisen oder gestörten Lieferketten, 18 Prozent nannten direkte Folgen - etwa den Verlust von Kunden oder Lieferanten. Lediglich 22 Prozent der Unternehmen hätten angegeben, sie spürten bislang keine Auswirkungen
"Trotz dieser schmerzlichen Einbußen hören wir kaum Kritik an den verhängten Sanktionen", sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben bei Vorstellung der Ergebnisse. "Selbst für die stark betroffenen Unternehmen ist Krieg keine Basis für Geschäfte." Über alle Branchen hinweg nennen laut den Angaben neun von zehn Unternehmen höhere Energiekosten als spürbaren Effekt im eigenen Betrieb. "Dieser Effekt erreicht die gesamte Wirtschaft mit voller Wucht", so Wansleben. Bereits vor dem Krieg hätten zwei Drittel hier ein Risiko für ihre geschäftliche Entwicklung gesehen.
Besonders alarmierend seien die Ergebnisse aus der Industrie: Drei Viertel der Industriebetriebe litten unter Störungen in der Lieferkette und Logistik, gegenüber in der Gesamtwirtschaft 61 Prozent, fast 90 Prozent unter fehlenden Rohstoffen und Vorleistungen, in der Gesamtwirtschaft 66 Prozent. Während nur 9 Prozent sich gar nicht betroffen sähen, spürten rund ein Drittel der Betriebe direkte Folgen von Krieg, Sanktionen und Gegensanktionen - fast doppelt so viel wie in der Gesamtwirtschaft.
"Der schreckliche Krieg schlägt auch auf die deutsche Wirtschaft durch", sagte Wansleben. "Bereits zu Jahresbeginn waren wir wegen der hohen Energiepreise bei unserer Konjunkturprognose eher zurückhaltend. Nun herrscht in unserer auf Energie und Rohstoffe angewiesenen Industrie sowie bei Verkehr und Logistik eher Krisenstimmung", konstatierte der DIHK-Hauptgeschäftsführer. "Konjunkturprognosen sind jetzt Makulatur."
Zwei Drittel der Unternehmen müssten angesichts ihrer Kostenklemme mit der Weitergabe von Preissteigerungen an Kunden reagieren. "Hier droht zusätzliches Inflationspotential", warnte Wansleben. Häufig genannt würden auch mehr Lagerhaltung (32 Prozent), Streichung oder Verschiebung von Investitionen (30 Prozent), Suche nach neuen Lieferanten und Personalanpassung (je 21 Prozent). Bei den direkt vom Krieg, Sanktionen und Gegensanktionen betroffenen Unternehmen nennen laut DIHK fast drei Viertel als Auswirkung den "Verlust von Geschäftspartnern" und knapp die Hälfte "Hindernisse im Zahlungsverkehr". 40 Prozent erlebten eine "erhöhte Rechtsunsicherheit". Mehr als ein Viertel der Betriebe müsse einen Zahlungsausfall bei bereits gelieferter Ware verkraften.
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March 18, 2022 05:51 ET (09:51 GMT)
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