
BERLIN (Dow Jones-VWD)--Der neue Bundespräsident Horst Köhler ruft die Deutschen zu mehr Zuversicht bei den anstehenden Reformen auf. "Aus ureigenem Interesse braucht Deutschland einen neuen Aufbruch", sagte Köhler nach seiner Vereidigung in einer gemeinsamen Sitzung von Bundestag und Bundesrat in Berlin. Die Agenda 2010 weise in die richtige Richtung. Was Deutschland jetzt brauche sei Konsequenz und Stetigkeit bei der Fortsetzung dieses Weges, betonte Köhler. Zuvor hatte er seinen Amtseid abgelegt. Er sprach die Eidesformel mit den religiösen Zusatz "So wahr mir Gott helfe".
Deutschland könne sich trotz aller Wahlen kein einziges verlorenes Jahr für die Erneuerung mehr leisten, appellierte Köhler an die Parteien. Das Land brauche den Mut der Regierung zu Initiativen, die den Weg der Erneuerung konsequent fortschreiben sowie den Mut der Opposition, ihre Alternativen umfassend und vollständig klarzumachen. "Und wir brauchen noch etwas: die Fähigkeit zu konstruktiven Kompromissen", mahnte das neue deutsche Staatsoberhaupt an.
Köhler würdigte in seiner Rede darüber hinaus die deutsch-französische Freundschaft ebenso wie die transatlantischen Beziehungen zu den USA. Deutschland müsse ein Land sein, das Ideen zur politischen Gestaltung habe, zum Ausgleich fähig sei und wisse, dass es seine Partner dies- und jenseits des Atlantiks brauche. Er kündigte an, dass ihn seine ersten Auslandsreisen nach Polen und Frankreich führen werden.
Zu Beginn seiner Rede hatte Köhler seinem Vorgänger Johannes Rau für dessen Amtsführung in den vergangenen fünf Jahren gedankt. Rau sei im besten Sinne ein Bürgerpräsident gewesen. Im Zentrum von Raus Denken und Handeln stehe immer der einzelne Mensch in seiner unverwechselbaren Würde.
Auch Bundestagspräsident Wolfgang Thierse und der Präsident des Bundesrates, Thüringens Regierungschef Dieter Althaus, hatten vor Köhlers Vereidigung die Verdienste des bisherigen Bundespräsidenten gewürdigt. "Johannes Rau hat sich um das Vaterland verdient gemacht", sagte Thierse. Als Staatsoberhaupt sei Rau versöhnlich, aber nicht anbiedernd gewesen. Auch im eigenen Land habe Rau stets gesagt, was gesagt werden musste, selbst wenn es unbequem gewesen sei.
Althaus hob die Amtsführung des bisherigen Präsidenten hervor. Die Menschen hätten Rau als einen volksnahen Präsidenten erlebt, der seine Aufgabe mit Lebensfreude und Humor wahrgenommen hat, sagte Althaus. Zugleich habe Rau in zahlreichen Reden wichtige Akzente gesetzt.
Rau selbst rief die Deutschen in seiner Abschiedsrede nachdrücklich zur Solidarität untereinander auf. Er bedankte sich für das Vertrauen, das ihm so viele Menschen entgegengebracht hätten. Zugleich wünschte er seinem Nachfolger Köhler, die gleiche Offenheit und das gleiche Vertrauen zu erfahren.
Der 61-jährige Finanzfachmann Köhler war am 23. Mai von der Bundesversammlung als Kandidat von Union und FDP mit 604 von 1202 Stimmen in das höchste Staatsamt gewählt worden. Johannes Rau hatte nach fünfjähriger Amtszeit auf eine erneute Kandidatur verzichtet.
Dow Jones Newswires/ddp/1.7.2004/apo
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