Fachleute waren sprachlos, selbst die Bundesagentur sah eine "kleine Sensation": Der überraschende Rückgang der November -Arbeitslosigkeit um 89.000 auf 3,995 Millionen hat das bisherige Bild von der Eintrübung des Arbeitsmarktes im Spätherbst auf den Kopf gestellt. Galt bislang bereits ein Anstieg der November- Zahlen um lediglich 10.000 bis 20.000 als Erfolg, so setzte der diesjährige November nach Einschätzung von Fachleuten neue Maßstäbe: Noch nie in der jüngeren Arbeitsmarktgeschichte hat der Job-Markt an der Schwelle zum Winter einen ähnlich starken Rückgang erfahren.
Die ungewöhnlich positive Entwicklung hat damit auch Skeptiker von der Trendwende am Arbeitsmarkt überzeugt, die die Bundesagentur bereits seit dem Spätsommer verkündet. Für Streit zwischen Regierung und Opposition sorgt allenfalls noch die Frage, ob es sich bei der aktuellen Entwicklung um einen dauerhaften Aufschwung oder nur um ein kurzfristig aufloderndes Strohfeuer handelt. Mit ihrer Einschätzung, auch 2007 gehe der Aufschwung weiter, ist die BA jedenfalls in bester Gesellschaft mit Ökonomen deutscher Großbanken. Einige rechnen mit bis zu 300 000 neuen Stellen im Jahr 2007.
Und auch ein Blick in die Zahlenkolonnen der vergangenen Jahre unterstreicht die positive Lage-Einschätzung von Bundesagentur und Bundesregierung: Immerhin ist die Zahl der Jobsucher im November auf den niedrigsten Stand seit mehr als vier Jahren gefallen. Vor dem Hintergrund der zwischenzeitlich eingeführten Hartz-IV-Reform wiege dieser Erfolg doppelt, betonen Fachleute. Schließlich hat die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum 1. Januar 2005 die bis dahin verdeckte Arbeitslosigkeit aufgedeckt und die Zahl der Jobsucher binnen eines Monats auf mehr als fünf Millionen katapultiert.
Bei genauerer Analyse verlieren die November-Zahlen freilich an Glanz. So hat allein die verstärkte Vermittlung von Ein-Euro-Jobs den Rückgang der Arbeitslosigkeit stark beschleunigt. Im November hat die Zahl der Ein-Euro-Jobber um 50.000 höher gelegen als vor einem Jahr - und damit die Arbeitslosen-Statistik im selben Umfang entlastet. Der warme Jahrhundert-Herbst schlug nach groben Schätzungen von Fachleuten ebenfalls dämpfend zu Buche. Auch sind viele der neuen Jobs Zeitarbeitsstellen mit ungewisser Perspektive für die Betroffenen.
Auch ist das "Herbst-Jobwunder" ganz offensichtlich ein Aufschwung West, wie die BA-Zahlen verdeutlichen. Denn Arbeitslose in den neuen Bundesländern profitieren in Ostdeutschland vergleichsweise wenig von der Aufwärtsentwicklung. Die neuen Jobs entstehen zum weitaus größten Teil im Westen. Von den mehr als 600.000 freien Stellen in den Job- Datenbanken der Arbeitsagenturen wurden 464.000 von westdeutschen Arbeitgebern gemeldet. Im Osten waren es nur 144.000; davon wiederum waren nur knapp die Hälfte Stellen in der freien Wirtschaft, der Rest Ein-Euro-Jobs und andere staatliche geförderte Jobs./kt/DP/zb
--- Von Klaus Tscharnke, dpa --- AXC0164 2006-11-30/18:25
