
Die Europäische Union soll Bulgarien und Rumänien mit strikten Auflagen am 1. Januar 2007 beitreten lassen, dann aber bis zur Lösung der Verfassungskrise eine "Erweiterungspause" machen. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sagte am Montag in Brüssel: "Ich glaube, dass es unvorsichtig wäre, weitere Mitglieder aufzunehmen, ohne nicht zuvor die Verfassungsfrage zu klären." Die Kommission will an diesem Dienstag vorschlagen, Sofia und Bukarest trotz nach wie vor großer Probleme mit Korruption und organisierter Kriminalität, beim Aufbau einer unabhängigen Justiz und der Schaffung einer funktionierenden Verwaltung aufzunehmen. Erstmals wird jedoch die Anwendung von Schutzklauseln vorgesehen, mit denen Mitgliedsrechte ausgesetzt werden können.
Der von Barroso geforderte Erweiterungsstopp würde zunächst Kroatien treffen, das nach der Erweiterung um Bulgarien und Rumänien zum 1. Januar 2007 dem Beitritt am nächsten ist. "Ich möchte gerne, dass Kroatien so rasch wie möglich beitritt, wenn es die Kriterien erfüllt", sagte Barroso nach einem Gespräch mit Frankreichs Premierminister Dominique de Villepin. "Aber wir können nicht dauernd erweitern, ohne die Verfassungsfrage zu klären." Die Erweiterung setze nicht nur voraus, dass die Beitrittsländer dazu bereit seien. "Es ist auch wichtig, dass Europa sich selbst vorbereitet, um neue Mitglieder zu empfangen."
Der Vertrag von Nizza, der nach dem Scheitern des Verfassungsentwurfs bei Referenden in Frankreich und den Niederlanden vom Frühjahr 2005 zunächst weiter gilt, sehe ohnehin eine Überprüfung der Institutionen nach der Erweiterung auf 27 Mitglieder vor. "Wir erreichen jetzt den Moment, an dem wir eine Regelung brauchen." Frankreich soll 2008 Vorschläge für eine Lösung der Verfassungskrise machen. Ob und wann es zu einer Einigung kommt, gilt EU-Diplomaten als völlig ungewiss. Frankreichs Premier De Villepin sagte: "Mit Rumänien und Bulgarien erreichen wir eine Etappe. Und es ist wichtig, dass wir bei unserem Regelwerk Fortschritte machen, bevor wir neue Etappen in Betracht ziehen."
Bulgarien und Rumänien müssen dem Kommissionsvorschlag zufolge auch nach dem Beitritt alle sechs Monate Berichte über den Fortschritt von Reformen vorlegen. Von diesen Berichten sollen mögliche EU-Sanktionen abhängig gemacht werden. Beide Staaten hätten "einen hohen Grad von Anpassung" an die EU-Standards erreicht, konstatierte die EU-Kommission. Es gebe jedoch in mehreren Bereichen "Grund zur Sorge" und die Notwendigkeit, "Maßnahmen zum ordentlichen Funktionieren der EU zu ergreifen, sofern die beiden Staaten nicht sofort korrigierend handeln"./eb/DP/ck
AXC0142 2006-09-25/17:13