
In dem Fall “Placanica³, der gestern vom EuGH entschieden wurde, ging es um einen italienischen Wettbürobetreiber, der für das in England sitzende Unternehmen Stanley Sportwetten vermittelt. Die italienische Justiz hielt dies für einen Rechtsverstoß, da nach dem dort geltenden Recht eine italienische Lizenz für Glücksspiele nötig ist, und Stanley nur über eine Lizenz in England verfügt. Wer gegen diese Vorschrift handelte, konnte in Italien bislang mit Haft bis zu drei Jahren verurteilt werden. Der EuGH entschied in seinem heutigen Urteil nun, dass Beschränkungen in Italien in Bezug auf die Erteilung von Konzessionen für Glücksspiele im konkreten Beispiel gegen die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit des EG-Vertrages verstoßen. In diesem Fall lägen zudem keine beispielsweise sittlichen, religiösen oder kulturellen Besonderheiten vor, die diese Einschränkung rechtfertigen würden.
In Deutschland, wo es statt einem Konzessionsmodell wie in Italien bislang abgesehen von den so genannten DDR-Lizenzen ein staatliches Wettmonopol gibt, war das Urteil mit großer Spannung erwartet worden. Hier hatten mit Ausnahme von Schleswig-Holstein Ende letzten Jahres alle Länder einen Staatsvertrag gebilligt, der das Monopol für weitere vier Jahre fortschreibt. Eine endgültige Entscheidung in dieser Sache soll am 22. März von den Ministerpräsidenten der Länder getroffen werden. Vertreter der privaten Wettbranche halten das staatliche Glücksmonopol in Deutschland aber spätestens nach dem heutigen Urteil des EuGH nicht mit Europarecht vereinbar. “Das Urteil ist Richtung weisend für die regulierte Öffnung der europäischen Sportwettenmärkte und des deutschen Sportwettenmarktes³, erklärte Jörg Wacker, Direktor beim Wettanbieter bwin, dessen Börsenkurs gestern um über zehn Prozent nach oben schnellte. Noch deutlich wird Helmut Sürtenich, Vorstand des Sportwettenanbieters Stratega-Ost: “Der deutsche Lotteriestaatsvertrag ist nicht europatauglich, wenn man das Urteil sorgfältig studiert. Die Länderfürsten sollten daher besser nachsitzen und nach bessern.³
Bei Juristen sind die Auswirkungen des Urteils hingegen teilweise umstritten. “Die konkreten Auswirkungen sind abschließend noch nicht absehbar. Eines ist jedoch sicher: Es wird ein ordentlicher Ruck durch die europäische und insbesondere auch deutsche Glückspiel- und Sportwettbranche gehen. Auch die Einführung privater Konzessionen in Deutschland ist damit alles andere als ausgeschlossen, da der Gerichtshof ausdrücklich die grundsätzliche Möglichkeit der kontrollierten Zulassung privater Anbieter in Erwägung zieht³, urteilt beispielsweise Michael Terhaag, Rechtsexperte für Sportwetten aus Düsseldorf. Weniger optimistisch aus Sicht von bwin & Co. ist hingegen Alexander Birnstiel, Experte für EU- und Wettrecht der Kanzlei Nörr Stiefenhofer Lutz. “Das Urteil ist alles andere als der von der privaten Wettbranche erhoffte Paradigmenwechsel. Von Liberalisierungsschub per Urteil kann keine Rede sein. Die Auswirkungen auf die Rechtslage in Deutschland dürften äußert gering sein. Allenfalls scheint das Urteil geeignet, die Diskussion über ein Lizenz- oder Konzessionsmodell anzuheizen.³
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