Branchen, Regionen, Märkte
5. Dezember. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Die Zeiten, in denen Singapur sich als einer der "Tigerstaaten" zusammen mit Südkorea, Hongkong und Taiwan in Bezug auf Wachstum und Dynamik großen Respekt bei den westlichen Industriestaaten erwarb, sind zwar Vergangenheit; doch mit einem unbeschreiblichen Bauboom ist das Wachstum in den ersten drei Quartalen dieses Jahres mit neun Prozent wieder auf dem Weg zum Anschluss an alte Zeiten. Die chinesische Expansion erreicht damit auch Singapur - getrieben von den Auslandschinesen, die Niederlassungen in Singapur gründen.
Stabile politische Verhältnisse locken Investoren
Die regierende People's Action Party (PAP) hat 82 der 84 Parlamentssitze inne und dominiert die Politik seit der Unabhängigkeit 1967. Großer Pluspunkt für die wirtschaftliche Entwicklung Singapurs ist die Qualität seiner Verwaltung und seines Rechtswesens. Die staatliche Verwaltung gilt nach Einschätzung der Volkswirte von Länderanalystenteam der Deutschen Bank, DB Research, als sehr effizient und serviceorientiert. Hohe Rechtssicherheit und kaum Korruption sind wichtige Grundlagen, um den Stadtstaat gerade für kleine und mittelständische Unternehmen attraktiv zu machen. Insbesondere bezüglich Fragen beim Schutz geistigen Eigentums nimmt Singapur sowohl bei den rechtlichen Bestimmungen als auch bei der Durchsetzung der Rechtsnormen - zumindest in Asien, wenn nicht gar weltweit - eine Spitzenstellung ein.
Wirtschaftliche Entwicklung seit jeher vom Dienstleistungssektor bestimmt
Obwohl Singapur nur eine kleine Insel ist, bietet das Land eine überaus große Palette an Dienstleistungen und Produktionszweigen. Den frühen wirtschaftlichen Erfolg verdankt es größtenteils der elektronischen Industrie (hier insbesondere Diskettenlaufwerke). Nach einer Analyse der Citigroup bleibt die Elektronik auch weiterhin ein wichtiger Wirtschaftsbereich, obwohl der Sektor "Diskettenlaufwerke" aufgrund der Umsiedelung von Produktionsstätten an günstigere Standorte schrumpft.
Ebenso ist die Chemieindustrie gut entwickelt und profitiert überdurchschnittlich von starken Pharmaexporten. Singapur verfügt außerdem über die zweitgrößten Raffineriekapazitäten der Welt. Die Bemühungen, das Wachstum im Sektor Finanzdienstleistungen anzukurbeln, wird nach Angaben der Citigroup-Analysten noch durch die verhältnismäßig kleine Größe des Aktienmarkts sowie die Dominanz von mit der Regierung verbundenen Unternehmen in den Indizes erheblich gebremst. Ein weiteres Standbein ist der Tourismus: Mehr als neun Millionen Menschen besuchen Singapur jedes Jahr.
Dank dieser breit gefächerten Wirtschaft war Singapur in der Lage, nationale Stürme in der Wirtschaft in der Vergangenheit zu überstehen.
Frühzeitige Positionierung in Zukunftsbranchen
Als Reaktion auf das Heranwachsen von Konkurrenten im Billiglohnbereich hat die Regierung sich bereits frühzeitig auf Nischenbranchen mit hoher Wertschöpfung (zunächst Elektronik, jetzt Pharmazeutik, Bio- und Nanotechnologie sowie Umwelt- und Wassertechnologien, digitale und interaktive Medien) spezialisiert und diese Branchen massiv gefördert. Da nahezu alle multinationalen Unternehmen bereits Niederlassungen in Singapur unterhalten, konzentriert sich die Regierung nun vorrangig auf innovative kleinere und mittelständische Unternehmen aus dem Ausland.
Zur Förderung der Wirtschaft braucht der Stadtstaat Humankapital. Um die besten und die klügsten Chinesen und Inder anzulocken, ködert Singapur die Aspiranten mit westlichem Lebensstandard, niedrigen Steuern und lockeren Einwanderungsregeln.
Die Landwirtschaft spielt dagegen, abgesehen von einigen wenigen Vorzeigefarmen, so gut wie keine Rolle. Das Land importiert fast alle seine Nahrungsmittel.
Aktuelle Wirtschaftsentwicklung sehr positiv
Das Wirtschaftswachstum erreichte mit 7,9 Prozent auch 2006 wieder ein beachtliches Niveau. Singapur hat damit im dritten Jahr in Folge nach der SARS-Krise 2003 ein Wachstum von über 6 Prozent zu verzeichnen. Die Volkswirte der Deka-Bank schätzen, dass das BIP in diesem Jahr auf nahe neun Prozent anwachsen wird.
Die Preissteigerungsrate betrug 2006 1,0 Prozent, gegenüber 0,5 Prozent in 2005. Die Situation auf dem Arbeitsmarkt hat sich im vergangenen Jahr weiter verbessert. Mit dem hohen Wirtschaftswachstum einher ging eine weitere Verringerung der Arbeitslosenquote auf 2,7 Prozent nach 3,1 Prozent 2005. Die Zahl der Beschäftigten stieg gleichzeitig von 2,27 Millionen im Jahr 2005 auf 2,49 Millionen 2006.
Staatliche Einflussnahme auf Unternehmen erheblich
Auch wenn Singapur als einer der freiesten Standorte für wirtschaftliche Aktivitäten weltweit gilt und in entsprechenden Rankings meist auf Platz zwei hinter Hongkong geführt wird (niedrige Steuersätze, nur wenig bürokratische Auflagen), ist die Rolle des Staates in der Wirtschaft beachtlich. Die Steuerung, insbesondere Festlegung von Schwerpunktindustrien und Förderung ausländischer Investitionen, erfolgt über das Economic Development Board (EDB), das dem Ministry of Trade and Industry unterstellt ist Auf der Unternehmensseite üben die der Regierung gehörenden Firmen ("government-linked companies", GLC), allen voran die Holdinggesellschaft Temasek großen Einfluss auf Investitionsentscheidungen aus. Unternehmen und Holdinggesellschaften wie Temasek, zu der unter anderem Singapore Airlines und die Telekom-Gesellschaft SingTel gehören, und investieren zunehmend im Ausland.
Mangelnde Meinungsvielfalt behindert Reformmöglichkeiten
Bei allem Bemühen der Regierung sowohl die politischen Rahmenbedingungen im Griff zu behalten als auch in Zukunftstechnologien zu investieren, mangelt es der eigenen Bevölkerung an ausreichender eigenständiger Meinungsvielfalt. Die jahrzehntelange autokratische Erziehung hat die Bürger zu der Überzeugung kommen lassen, dass der Staat alles besser könne. Gleichzeitig benötige dieser aber immer mehr Unternehmertum und Risikofreude, beschreiben die Analysten der Deka-Bank die Situation in einer Studie.
Premierminister Lee Hsien Loong fordert daher seine Untertanen auf, an den fortwährenden Veränderungen in der Region teilzuhaben und sich selber zu verändern. Als Zeichen dessen entstehen immer mehr Bars und Unterhaltungsmöglichkeiten wie Spielkasinos in Singapur. Auch Formel-I-Rennen sollen künftig in der Stadt ausgetragen werden. Die Unterhaltungsindustrie soll der Stadt ähnlich wie Dubai im Nahen Osten ein weiteres Wachstumsfeld im harten Konkurrenzkampf mit den asiatischen Nachbarn sichern.
STI weist kontinuierlichen Aufwärtstrend auf
Von seinem Tiefpunkt bei 1.213 Punkten im Jahr 2003 hat sich der STI-Index bis zur Jahresmitte 2006 in einer moderaten Aufwärtsbewegung verdoppelt. Ausgehend von 2.500 Indexpunkten im August 2006 setzte der STI zu einer verschärften Rally bis zu einem Allzeithoch bei 3.875 Punkten Anfang Oktober dieses Jahres an. Im Zuge der weltweiten Indexeinbrüche hat der STI bis Ende November rund 10 Prozent verloren. Nach Aussagen der Analysten von HSBC befindet sich der Index jedoch immer noch in einem intakten, mittelfristigen Aufwärtstrend. Sie billigen dem STI mittelfristig Potenzial bis zum alten Jahreshoch zu.
Fonds mit Anlageschwerpunkt Asien/Singapur
Fonds, die in den vergangenen fünf Jahren in Singapur investiert haben, können im Durchschnitt auf einen Gewinn von 130 Prozent zurückblicken. Dies liegt weit über den Durchschnittsentwicklungen europäischer und weltweit investierender Fonds.
Ein Fonds, der ausschließlich in Aktiengesellschaften aus Singapur oder in notierten Investmentanteilen an den Aktienmärkten von Singapur investiert, ist der HSBC GIF Singapore Equity AC (WKN 120412). Der Fonds setzt vor allem aus Unternehmen aus den Bereichen Finanzen (43 Prozent), Industrie (25 Prozent) und Konsumgüter (20 Prozent).
Anleger, die eine Mischung aus verschiedenen asiatischen Ländern unter Beteiligung Singapurs bevorzugen, fahren ganz gut mit dem Fidelity ASEAN Fund (WKN: 973254).
Ziel des Fonds ist langfristiges Kapitalwachstum auf der Basis eines Portfolios, das zu mindestens 75 Prozent aus Aktien von Unternehmen aus Mitgliedsländern der südostasiatischen Staatengemeinschaft ASEAN besteht. Im Fidelity Asean Fund besitzen Singapur mit rund 40 Prozent, Malaysia (30 Prozent), Thailand und Indonesien (je 11 Prozent) das größte Gewicht.
Betrachtet man die Branchen ist der Finanzsektor mit 42 Prozent im Portfolio übergewichtet, gefolgt von Industrie (23 Prozent), Energie (9 Prozent), sowie Telekommunikation und Konsumgüter (je 6 Prozent).
© 4. Dezember 2007/Andreas Wolf
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