
DJ BÖRSEN-AUSBLICK/Bodenbildung im DAX nicht in Sicht
FRANKFURT (Dow Jones)--Wer die aktuelle Börsenlage als "von Unsicherheit geprägt" bezeichnet, wählt noch die milde Variante. Tatsächlich regieren Angst und Schrecken an den Finanzmärkten - teils blanke Panik. Wohin man auch schaut, überall starren verängstigte Anleger zurück, denen es in ihrer Ratlosigkeit derzeit am liebsten ist, wenn sie überhaupt keine Investitionsentscheidungen treffen müssen.
Die Hoffnungen auf eine Bodenbildung im DAX, als es dem Leitindex kurz gelungen war, über das Niveau von 7.000 Punkten zu schauen, sind in den vergangenen Tagen geradezu zertrümmert worden. Seit Ende Februar hat der DAX in einer schmerzhaften Bewegung fast ohne Gegenwehr etwa 500 Punkte eingebüßt.
Das Jahrestief bei 6.384 Punkten ist damit in greifbare Nähe gerückt und dürfte in den kommenden Tagen getestet werden. Das Feld wird dabei den spekulativ ausgerichteten Investoren überlassen. Aus den Handelsräumen der Banken ist immer wieder zu hören, dass fundamentale Käufe langfristig agierender Anleger eine absolute Mangelerscheinung sind. Es sei zu früh zum Einstieg, ist immer wieder zu hören, und das obgleich der DAX in der Zwischenzeit mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 11 optisch äußert attraktiv gepreist wird.
Aber was helfen die schönsten Bewertungsparameter, wenn die Anleger erhebliche Zweifel an den Gewinnschätzungen der Analysten für das laufende Jahr haben. In der nun praktisch beendeten Berichterstattung für das 4. Quartal in Europa haben sich die Unternehmen insgesamt zwar leidlich geschlagen, die Ausblicke sind aber häufig von Zurückhaltung und Unsicherheit geprägt.
Das Platzen der Immobilienkrise in den USA manifestiert sich einerseits in einer schwächelnden Wirtschaft und andererseits in einer ausgewachsenen Finanzmarktkrise. Es ist nicht leicht zu sagen was hierbei schwerer wiegt, ein schrumpfendes BIP oder der Credit Crunch - letztendlich kann das eine wohl nicht gesondert vom anderen betrachtet werden. Zumindest in den vergangenen Tagen haben vor allem negative Nachrichten zur Kreditkrise die Börsen und hier insbesondere den Finanzmarktsektor belastet.
So hat der Anleihenversicherer Ambac nur mit Mühe und Not dringend benötigtes Kapital am Markt aufnehmen können. Das so wichtige "AAA"-Rating ist aber weiter in Gefahr. Nach Aussagen von Moody's wird die Einstufung vor allem von der zukünftigen Geschäftsentwicklung abhängen. Der negative Ausblick wird erst einmal beibehalten. Daneben hat Carlyle Capital Corp, welche ein MBS-Portfolio, also durch Immobilien besicherten Anleihen, im Volumen von mehr als 21 Mrd USD verwaltet, Nachschussforderungen einiger Banken nicht mehr bedienen können.
Einige Tage zuvor war der Hedge Fonds Peloton Partners in eine Schieflage geraten. Dieser hatte sich mit einem 2 Mrd USD schweren ABS-Fonds verspekuliert. Die Zahl gescheiterter Hedge Fonds dürfte weiter zunehmen und damit einen anhaltenden Belastungsfaktor für die Finanzmärkte darstellen. Hauptproblem der Branche ist deren hoher Anteil an Fremdkapital, also deren hohes Leverage. Sobald die Portfolios der "Hedgies" an Wert verlieren, fordern die Kreditgeber höhere Sicherheiten, die angesichts der oftmals dünnen eigenen Kapitaldecke nicht mehr gestellt werden können.
Die Folge können Zwangsverkäufe sein, was angesichts der mangelnden Aufnahmebereitschaft am Markt den Wert ganzer Asset-Klassen weiter verringert und somit den Abschreibungsbedarf im Finanzsektor insgesamt erhöht. So werden denn auch die Schätzungen für den Subprime-Abschreibungsbedarf von den Analysten ständig nach oben korrigiert. Zuletzt werden Größenordnungen von 400 bis 600 Mrd USD genannt, wovon die Hauptlast auf den Bankensektor entfallen dürfte. Damit zeichnen sich japanische Dimensionen ab, wie sie sich nach dem Platzen der Immobilienblase im Land der aufgehenden Sonne zu Beginn der 90er Jahre eingestellt haben.
Und ein Ende der Abwärtsspirale zeichnet sich nicht ab. Solange das den strukturierten Finanzprodukten zu Grunde liegende Underlying, nämlich die US-Immobilienpreise, weiter nachgeben, erscheint eine Stabilisierung nur schwer möglich. Auch andere wirtschaftliche Daten zeichnen ein düsteres Bild und nähren die Furcht vor einer Rezession in den USA. Neben dem anhaltend negativen Nachrichtenfluss aus dem Bausektor seien hier nur die unter die Kontraktionsschwelle gefallenen ISM-Indizes genannt.
In der Zwischenzeit hat die Krise bis zum US-Arbeitsmarkt durchgeschlagen. Mit einem Minus von 63.000 ist die Zahl der Beschäftigten im Februar deutlich stärker zurückgegangen als von Analysten im Vorfeld erwartet. Als nachlaufender Indikator hat die Verschlechterung hier erst mit Verzögerung eingesetzt. Der lange Zeit robuste Arbeitsmarkt wurde bislang von Beobachtern als Grund genannt, warum die US-Wirtschaft einer Rezession entgehen könnte. Nach den Daten dürften diese Stimmen verstummen und die Attraktivität des Rentenmarktes als sicherer Hafen weiter erhöhen.
Inwieweit die Federal Reserve der angeschlagenen Wirtschaft bzw den Finanzmärkten unter die Ärme greifen kann, bleibt indes abzuwarten. Die bisherigen Zinssenkungen haben jedenfalls nur geringe Wirkung gezeigt. Am Markt wird zwar zunehmend auf eine Leitzinssenkung von 75 Basispunkten am 18. März spekuliert. Angesichts eines Ölpreises über 105 USD je Barrel, Rekordtiefs des Greenbacks gegen den Euro und anderen Währungen sowie den damit verbundenen Gefahren einer importierten Inflation, erscheint der Spielraum der US-Notenbank aber beschränkt.
Mit dem Ende der Berichtssaison ist der Terminkalender in der kommenden Woche weitestgehend leer. Zu Wochenbeginn veranstaltet Continental ihren Capital Markets Day. Die Bilanzpressekonferenz bei EADS findet am Dienstag statt. Am gleichen Tag wird auch die US-Handelsbilanz für Januar veröffentlicht. Mit den US-Einzelhandelsumsatzdaten Februar, den Import- und Exportpreisen sowie Jahres-PKs von VW und Allianz hat der Donnerstag noch am meisten zu bieten. Die Woche schließt mit den US-Verbraucherpreisen für den Monat Februar sowie der 1. Umfrage für den Index der Verbraucherstimmung der Universität Michigan für den Monat März. -Von Manuel Priego Thimmel, Dow Jones Newswires; +49 (0)69 - 29725 223,manuel.priego-thimmel@dowjones.com
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March 07, 2008 09:18 ET (14:18 GMT)
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