Branchen, Regionen, Märkte
8. Januar. Das Thema Nachhaltigkeit, also die Nutzung natürlicher Ressourcen in einer Art und Weise, dass sie im Wesentlichen erhalten bleiben, ist heute aktueller denn je und betrifft alle Lebensbereiche - auch Investments an der Börse. Denn was Anleger leicht vergessen: Ein Engagement in Wertpapieren wie Aktien oder Fonds finanziert Unternehmen und deren Geschäftstätigkeit.
An der Börse mit umweltgerechten Gewissen Geld zu verdienen, ist im Laufe der letzten Jahre einfacher geworden. Das Angebot an nachhaltigen Anlagen nimmt stetig zu. Eine wachsende Zahl deutscher Unternehmen legt Wert auf umweltgerechte Prozesse und Verfahren und investiert in Nachhaltigkeit. Ihr Ziel: die Balance zwischen wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Belangen zu gewährleisten und die Akzeptanz ihrer Produkte zu erhöhen.
Nachhaltigkeit - eine Begriffsklärung
Als Nachhaltigkeit wird der gewissenhafte und verantwortungsvolle Umgang mit der uns Menschen anvertrauten Umwelt bezeichnet. Bereits in der frühen Neuzeit wurde der Begriff "Nachhaltigkeit" in der Forstwirtschaft als Bewirtschaftungsweise geprägt, in der dem Wald jeweils nur so viel Holz entnommen wurde, dass eine Gesamtabholzung verhindert wurde und eine Regeneration des Waldes möglich blieb.
Die durch uns Menschen verursachten Schäden an unseren eigenen Lebensräumen haben mit der industriellen Revolution im 18. Jahrhundert einen rapide wachsenden Umfang angenommen. Das Ziel einer nachhaltigen Entwicklung ist die Begrenzung dieser Schäden und eine dauerhafte Existenzfähigkeit für Mensch und Natur. Tatsächlich werden heute nach Angaben von Umweltschutzorganisationen pro Minute durch illegalen Holzeinschlag oder Brandrodung 28 Hektar Wald zerstört. Eine Fläche, so groß wie 38 Fußballfelder. Internationale Initiativen setzen sich daher für den weltweiten Schutz der Wälder und eine nachhaltige Bewirtschaftung ein.
Das Konzept der Nachhaltigkeit wird heute weiter gefasst und schließt ethische Faktoren mit ein. Denn das komplexe, langfristige Konzept ist ein Gesamtökonomisches und zielt auf Wohlfahrtssteigerung einer Gesellschaft ab.
Ausschlusskriterien für nachhaltiges Investieren sind zum Beispiel Kernkraft, Chlorchemie, Menschenrechtsverletzungen, Gen-/Bio-Technologie, Tierversuche, Kinderarbeit, Zwangsarbeit, Rüstung und Diskriminierung von Minderheiten.
Ein stark wachsender Markt
Laut einer Studie des European Social Investment Forum (Eurosif) stieg die Größe des deutschen Marktes für nachhaltige Investments von 2,9 Milliarden Euro in 2002 um 45 Prozent auf 5,3 Milliarden Euro Ende 2005. Aktuell beträgt das Volumen 7,4 Milliarden Euro.
Effizienz deutscher Unternehmen verbesserungswürdig
Forscher des Instituts für Zukunftsstudien und Technologiebewertung in Berlin haben berechnet, wie effizient deutsche Konzerne ihre Ressourcen nutzen. Bayer setzt sie zum Beispiel 1,6 Mal effizienter ein als andere Chemieunternehmen. Der Energieversorger E.ON gehört dagegen nach den Angaben der Forscher zu den am wenigsten ressourceneffizienten deutschen Unternehmen.
Von den bewerteten 28 deutschen Unternehmen schufen nur 17 mit ihren ökonomischen, ökologischen und sozialen Ressourcen einen Mehrwert. Die übrigen vernichteten vielfach Milliardensummen. Maßstab sind der volkswirtschaftliche sowie der Branchendurchschnitt, womit der Forderung von Firmen wie Robert Bosch nach echter Vergleichbarkeit entsprochen wird.
Daimler erzielte zwar den höchsten absoluten Euro-Wert. Der Autobauer ist jedoch nicht das effizienteste Unternehmen, beschreibt die Studie des Instituts. Andere Firmen wirtschafteten effizienter, erzielten aber, weil sie kleiner seien, einen niedrigeren absoluten Mehrwert. Die höchste Nachhaltigkeitseffizienz hat BMW, denn der Hersteller setzt seine Ressourcen fünf Mal effizienter ein als die deutsche Volkswirtschaft. Bosch wirtschaftete mit seinen Ressourcen fast vier Mal effizienter als die deutsche Volkswirtschaft, die Deutsche Telekom 2,8 Mal besser, Henkel 1,7 Mal.
BASF zog aus seinen Ressourcen 3,1 Mal mehr Ertrag als Celanese, der Chemiekonzern geht aber weiter und stellte kürzlich eine Methode zur Bewertung und Steuerung der Nachhaltigkeit von Produkten und Herstellungsverfahren vor. Die vom Unternehmen seit Jahren praktizierte Ökoeffizienz-Analyse wird um soziale Aspekte wie Beschäftigtenzahl, mögliche Berufskrankheiten und Arbeitsunfälle, Löhne, Gehälter sowie Forschungsinvestitionen erweitert.
E.ON und RWE hingegen nutzten der Studie zufolge ihre Ressourcen 14 Mal ineffizienter als der volkswirtschaftliche Durchschnitt. Wegen hoher Kapital- und Umweltintensität hätten sie je mehr als 140 Milliarden Euro an Wert vernichtet. Die Forscher hätten gerne mehr Unternehmen bewertet, bei etlichen Unternehmen wie vielen Logistikern, sowie bei Siemens, der Deutschen Post, Lufthansa und dem Energieversorger EnBW waren nicht genügend Daten verfügbar.
ÖkoDAX setzt Zeichen
Die Deutsche Börse hat das steigende Interesse der Anleger aufgegriffen und im Juni 2007 einen speziellen ÖkoDax aufgelegt. Der Index umfasst die nach aktuellem Marktwert zehn größten deutschen börsennotierten Unternehmen aus dem Bereich erneuerbare Energien. Rechnet man die Aktienkurse bis Anfang Januar 2007 zurück, so hat der Index seitdem um 40 Prozent zugelegt und damit fast doppelt so viel wie der deutsche Leitindex DAX®.
Immerhin ist die Börsenkapitalisierung der zehn im ÖkoDax enthaltenen Firmen inzwischen auf mehr als 21 Milliarden Euro gestiegen - ein Vielfaches des voraussichtlichen Umsatzes in diesem Jahr von insgesamt fünf Milliarden Euro.
Weltweites Wachstum der erneuerbaren Energien
Der Markt wächst rasant. Setzte die Branche im vergangenen Jahr weltweit noch 55 Milliarden US-Dollar um, so sollen es nach einer Prognose der US-Beratungsgesellschaft Clean Edge bis zum Jahr 2014 bereits knapp 230 Milliarden US-Dollar sein. Doch es bestehe angesichts der sehr hohen Bewertung an der Börse die Gefahr einer Kursblase, die platzen könne.
Die zehn OköDax-Unternehmen entwickeln sich ebenso dynamisch wie die übrige Branche. Nach einer Studie der Volkswirte der Dresdner Kleinwort konnten sie ihre Konzernumsätze im Geschäftsjahr 2006 durchschnittlich um mehr als 40 Prozent erhöhen und erwirtschafteten eine Umsatzrendite nach Steuern von knapp acht Prozent. Die Unternehmen verfügen im Schnitt über eine sehr solide Eigenkapitalquote von mehr als 50 Prozent und vielfach auch über eine gut gefüllte Kasse. Im Schnitt beträgt der Anteil der liquiden Mittel am Gesamtkapital 23,4 Prozent.
Finanzindustrie hat das Thema für sich entdeckt
Auch in der Finanzbranche hat Nachhaltigkeit Einzug gehalten. Zukünftig werden Unternehmen und auch Länder verstärkt nach den Kriterien der Nachhaltigkeit beurteilt. Denn wer die Umwelt und die vorhandenen Ressourcen nicht effizient und nachhaltig nutzt, wird in der Gunst der Anleger nicht oder weniger stark berücksichtigt. Den laufenden Erträgen werden dabei zunehmend die zukünftigen Kosten des heutigen Handelns gegenüber gestellt. Von Investments, die Projekte in Entwicklungsländern refinanzieren oder die Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit ermöglichen, bis hin zu so genannten nachhaltigen Anlageprodukten im Fonds-Segement, bietet der Finanzmarkt zahlreiche Variationen an.
Rendite steht immer noch im Vordergrund
Doch bei allem guten Willen der Investoren: Ohne eine angemessene Rendite werden die institutionellen Gelder nicht in gleichem Maße in die angebotenen Produkte fließen wie bei normalen Mischfonds. Zahlreiche Studien haben jedoch ergeben, dass die Renditen von Nachhaltigkeitsfonds mit denen konventioneller Fonds mithalten können.
Im Juli 2007 untersuchte die Stiftung Warentest Nachhaltigkeitsfonds und errechnete in der Fünfjahresentwicklung eine Rendite zwischen 7 und 10 Prozent pro Jahr. Das Institut sieht mit diesem Ergebnis die Konkurrenzfähigkeit zu den konventionell anlegenden Fonds durchaus als gegeben an.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kam das Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung ZEW in Mannheim. Dies stellte in einer Studie fest, dass Aktienfonds und Aktienindizes, die nach nachhaltigen Kriterien konzipiert sind, zumindest nicht schlechter abschneiden als herkömmliche Anlageprodukte. Die Renditechancen zwischen den unterschiedlichen Nachhaltigkeitsfonds schwanken jedoch stark. Bedingt durch steigende Rohstoffpreise konnten Investoren in den vergangenen Jahren mit dem Thema Nachhaltigkeit allerdings überdurchschnittliche Gewinne erzielen, so dass das Interesse für Anlagemöglichkeiten in diesem Bereich deutlich gestiegen ist.
Hohes Wachstum bei der Fondsauflegung
Nach Angaben des Sustainable Business Institute (SBI) waren Anfang 2007 rund 30 Milliarden Euro in deutschsprachigen Raum in Nachhaltigkeitsfonds investiert. Der Anteil dieser Investitionen am gesamten europäischen Fondsmarkt betrug aber gerade einmal zwei Prozent. Im Hinblick auf die stark steigende Nachfrage aller Anlegergruppen vom institutionellen Investor bis zum Privatanleger bemühen sich daher zahlreiche Finanzdienstleister um die Auflage und Zulassung neuer Produkte. Dabei nimmt die Spezifikation auf einzelne Bereiche ebenfalls zu. So werden mittlerweile Themenfonds kreiert, wie der Woodstockinvest, der sich auf die Anlage in nachwachsende Tropenhölzer konzentriert hat.
Solche Angebote erfüllen allerdings nicht die Kriterien, die die Finanzbranche an das Thema Nachhaltigkeitsfonds stellt, kritisiert das Sustainable Business Institute (SBI). Der ganzheitliche Anspruch der Nachhaltigkeit werde nicht durch einzelne Branchen- oder Themenfonds erfüllt. Nur die Einbeziehung aller Aspekte des Themas Nachhaltigkeit in die Konzeption des Fonds verleihten dem Emittenten Glaubwürdigkeit und Seriösität in der Branche und bei den Anlegern.
Investoren sollten sich bei der Anlageauswahl nicht an den zum Teil verwirrenden Fondsbezeichnungen orientieren. Häufig enthielten diese Produkte Investments, bei denen nicht ganz klar scheine, ob sie den Ansprüchen einer nachhaltigen Anlage entsprechen. Um sich Gewissheit zu schaffen helfe zum Beispiel das Börsenprospekt, das angemessen Auskunft über die Ausrichtung des Fonds gibt.
Fonds mit Schwerpunkt Nachhaltigkeit
Wie bereits eingangs erwähnt, bietet sich mittlerweile eine breite Palette an Anlagemöglichkeiten in Nachhaltigkeitsfonds.
Einer der erfolgreichsten Fonds hinsichtlich der Performance des vergangenen Jahres ist der SAM Smart Energy Fund (WKN 913257) von Julius Baer. Der Fonds investiert in Aktien von Unternehmen, die Technologien, Produkte und Dienstleistungen mit Bezug zu folgenden Sektoren im Energiemarkt anbieten: erneuerbare Energien, d.h.insbesondere Wind- und Solartechnologien, dezentrale Energieversorgung ,Technologien in den Bereichen Speicherung, Messung und Steuerung, Erdgas, sowie der nachfrageseitigen Energieeffizienz. Es werden schwergewichtige Unternehmen berücksichtigt, die der Nachhaltigkeit erhöhte Bedeutung beimessen. Der Fonds gewann im abgelaufenen Jahr knapp 56 Prozent hinzu.
Eine Alternative hierzu ist der Fortis Fund Equity Sustainability World (WKN A0LEWU).
Der Fonds investiert in Unternehmen, die Lösungen für Umweltprobleme der Bereiche alternative Energien, Entsorgung und Wasser anbieten. In den letzten 12 Monaten hat der Fonds eine Performance von 23 Prozent erreicht.
Eine allgemeinere Ausrichtung bietet der KBC Eco Fund-Climate Change (WKN A0MKZM), der sich dem Thema Klimawandel insgesamt verschrieben hat. Dieser Teilfonds vom KBC Eco Fund legt direkt oder indirekt in Unternehmen an, die auf nachhaltige Weise aktiv im Kampf gegen den Klimawandel oder Treibhausgase tätig sind. Derzeit umfasst sein Anlageuniversum 80 Unternehmen. Der seit knapp vier Monaten auf dem Markt befindliche Fonds liegt mit 3 Prozent im Minus.
ETF's mit Nachhaltigkeitsorientierung
Der iShares S&P Global Water (WKN A0MSAG) investiert gezielt in die weltweit größten börsennotierten Unternehmen der Wasserindustrie. Aktuell bildet der S&P Global Water Index die Wertentwicklung von 49 Unternehmen ab, die weltweit im Wassergeschäft tätig sind, darunter Versorger und Aufbereiter.
Der iShares S&P Global Clean Energy (WKN A0M5X1) bildet als erster ETF in Europa den Bereich "saubere Energie" ab. Er bietet Anlegern eine kostengünstige Möglichkeit, in einen bislang nur schwer zugänglichen Markt zu investieren. Der zugrunde liegende Index umfasst Aktien der weltweit 30 größten börsennotierten Unternehmen aus diesem Sektor. 35 Prozent der Unternehmen produzieren saubere Energieformen wie Wind- oder Solarkraft, die restlichen 65 Prozent stellen Anlagen und Technologie für diesen Industriezweig her. Die drei größten Werte im Index sind Renewable Energy mit gut 8 Prozent Indexgewichtung sowie Vestas Wind Systems und Q-Cells mit jeweils über 7 Prozent.
© 8. Januar 2008/Andreas Wolf
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