New York (BoerseGo.de) - Die Wall Street setzte ihren gestrigen Kursrutsch fort. Die Flut weitgehend positiver Unternehmenszahlen der vergangenen Tage und die konjunkturelle Aufhellung in den USA sind schon wieder in Vergessenheit geraten. Der Aktienmarkt wurde heute zu einem Gefangenen des Öls. Die Ölspekulation wird zunehmend als eine Gefahr wahrgenommen, weil sie den Preis des Energieträgers auf immer neue Rekorde schraubt. Dabei wird weltweit immer mehr Kaufkraft abgeschöpft. Weil die Verbraucher daher weniger Geld in den Taschen haben, sehen Volkswirte die Gefahr, dass die positiven Wirkungen der US-Konjunkturprogramme genauso verpuffen wie die Lohnzuwächse und Arbeitsplatzgewinne in Europa.
Die Tatsache, dass die American International Group, die weltweit größte Versicherungsgruppe, bereits gestern nach Börsenschluss einen Verlust von 7,8 Milliarden Dollar meldete und deshalb frisches Geld im Volumen von 12,5 Milliarden Dollar aufnehmen will, sorgte nicht gerade für gute Stimmung. Immerhin wurden damit wieder die Gespenster der Finanzkrise geweckt. Dennoch verlor der Finanzsektor insgesamt mit minus 0,76% nicht mehr als der breite Markt. Die Wall Street scheint sich an die Verluste zu gewöhnen, zumal zahlreiche Beobachter bei der Finanzkrise ein Licht am Ende des Horizonts sehen - im Gegensatz zur Ölpreisexplosion. Übrigens schnitt der Bereich Energie-Aktien mit minus 0,56% heute nicht viel besser ab. Lediglich der Bereich Versorger landete im Plus (0,12%).
Der Dow Jones Industrial Average rutschte 0,94% auf 12.745 Punkte, der S&P 500, der eigentlich den Markt repräsentiert, verlor 0,67% auf 1.388 Punkte. Der technologielastige Nasdaq Composite Index kam mit minus 0,23% auf 2.445 Punkte davon.
Vergleich zur Vorwoche
S&P 500 -1.81%
Dow Jones -2.39%
NASDAQ -1.27%
Russell 2000 -.78%
Branchen im Vergleich zur Vorwoche:
Tops:
Stahl +5.53%
Ölbohrdienstleister +5.39%
Festplattenlaufwerke +3.5%
Bau +2.36%
Computerhardware +2.02%
Flops:
Airlines -9,84%
Versicherungen -6,84%
Investmentbanken - 6,18%
Banken -6,10%
Einzelhandel -4,7%
Dow Jones Average: Schlank für die Rendite
Der Flop des Tages war natürlich die American International Group mit einem Verlust von 8,77% auf 40,28 Dollar. Die Analysten zeigen allerdings Milde. Die Bank of America senkte zwar ihre Gewinnschätzung für das laufende Gesamtjahr auf 3,20 Dollar je Aktie (vorher: 4,41 Dollar), hält aber an dem Urteil „Neutral“ und dem Kursziel 48 Dollar fest. Goldman Sachs wollte erst einmal die Analystenkonferenz des Versicherers abwarten und dann das Anlageurteil überprüfen, bislang „Kaufen“ mit Kursziel 59 Dollar. Strenger zeigte sich der Broker Keefe, Bruyette & Woods, der zwar sein Urteil „Market Perform" behält, aber sein Kursziel auf 41 Dollar eindampfte (vorher: 51 Dollar).
Die volatile Aktie von General Motors rutschte 4,07% auf 20,29 Dollar. Der Autokonzern will bis zu 200 Millionen Dollar an seinen Zulieferer American Axle zahlen, um dort einen Streik zu beenden. Außerdem belastet das teure Öl, das den Amerikaner die Lust an den Benzinfressern nimmt. Die Citigroup verlor 2,76% auf 23,63 Dollar. Der größte Bankkonzern der Welt will in den kommenden Jahren Vermögenswerte im Gesamtvolumen von 400 Milliarden Dollar verkaufen. Die Schlankheitskurs soll die Rendite aufzubessern.
Die Preisexplosion beim Öl - Crude sprang zeitweise über 126,00 Dollar - war sogar den Inhabern der großen Ölaktien nicht geheuer. Exxon Mobil verlor 1,23% auf 88,82 Dollar, also mehr als der Gesamtmarkt. Chevron kam mit minus 0,05% auf 97,39 Dollar davon. Vermutlich befürchten die Aktionäre, dass der exorbitante Ölpreis der Konjunktur einen nachhaltigen Schaden zufügt.
Nur 6 der 30 Blue Chips schafften es bis zum Schluss in den grünen Bereich. Der Top des Dow war ausgerechnet ein Bank-Titel: JP Morgan Chase legte 1,13% auf 46,57 Dollar zu. Vielleicht wird der Bankkonzern als Gewinner der Schlankheitskur der Citi Group gesehen, immerhin will der Rivale beträchtlich schrumpfen. Der im Dow erfasste Nasdaqwert Microsoft belegte mit plus 0,41% auf 29,39 Dollar den 2. Platz. Der Softwareriese erhob Einspruch gegen eine Kartellstrafe der Europäischen Union im Volumen von 1,4 Milliarden Dollar. Vielleicht waren die Aktionäre auch erleichtert, weil aus der angestrebten Übernahme von Yahoo wohl doch nichts wird. Viele Microsoft-Aktionäre waren wegen der hohen Kosten und der unsicheren Aussichten ohnehin dagegen. Ein weiterer Finanz-Titel schaffte den 3. Rang: Der Kreditkartenkonzern American Express verbesserte sich nachrichtenlos um 0,23% auf 48,96 Dollar.
S&P 500: Für Jeans ist noch Geld da
Trotz dem Debakel der American International Group zählten auch im S&P zahlreiche Finanz-Titeln zu den Gewinnern. Lehman Brothers setzen heute ihre Erholung mit plus 1,42% auf 43,54 Dollar fort. Merrill Lynch gewann 1,06% auf 48,45 Dollar. Der Hypothekenriese Fannie Mae verbesserte sich 0,65% auf 27,81 Dollar.
Ein helleres Licht schien aber ausgerechnet im inflationsgebeutelten Konsumsektor. True Religion Apparel Inc. sprang 14,15% auf 22,27 Dollar. Der Bekleidungshersteller, der vor allem Jeans produziert, hatte - trotz Konsumschwäche - seinen Gewinn um 35% gesteigert und den Ausblick angehoben. Das begeisterte auch die Analysten. Der Broker Wedbush Morgan Securities hob sein Empfehlung von „Halten“ auf „Kaufen“ und das Kursziel von 18 Dollar auf 25 Dollar. Die True Religion-Kunden scheinen nicht von der Verbrauchsflaute betroffen zu sein, hiess es dort. Der Broker Brean Murray, Carret & Co. schraubte das Kursziel von 24 Dollar auf 29 Dollar und bekräftigte die Kaufempfehlung. True Religion entwickle sich zu einer Life Style Marke. Der Broker Friedman, Billings, Ramsey & Co. bekräftigte die Einschätzung „Outperform“ und Kursziel 25 Dollar.
Sprint Nextel sprintete 4,45% auf 9,38Dollar. Der Handydienstleister bekam schon mal Vorschusslorbeeren für die am Montag fälligen Quartalszahlen. Vielleicht machten die schon bekannten überraschend guten Ergebnisse des Rivalen Leap Wireless Mut. AES Corp. avancierte 6,58% auf 19,11 Dollar. Der Stromversorger war im vergangenen Quartal in die Gewinnzone zurückgekehrt, die Umsätze stiegen um 33% gegenüber Vorjahr. Dazu hätten vor allem gestiegene Strompreise in Lateinamerika und der schwache Dollar beigetragen, hiess es. Continental Airlines gewann trotz Ölverteuerung 3,08% auf 17,38 Dollar. Der Fluglinienbetreiber folgt jetzt seinen Rivalen und erhebt eine zusätzliche Treibstoffgebühr von 20 Dollar je US-Flug.
Das Thema Fusionen & Übernahmen sorgte auch heute wieder für Kurssprünge. Circuit City gewann 5,85% auf 5,07 Dollar. Der zweitgrößte US-Elekronikhändler bietet jetzt nicht nur Handys oder Flachbildschirm-TVs an, sondern stellt sich auch selbst zum Verkauf. Dafür habe der Einzelhändler die Investmentbank Goldman Sachs engagiert, berichtete Bloomberg. Als mögliche Käufer werden die Videokette Blockbuster oder der Finanzinvestor Carl Icahn gesehen. Beide bekommen Einblick in die Bücher von Circuit City, um dessen finanzielle Situation zu prüfen. MGM Mirage zog um 4,55% an und schloss auf 51,25 Dollar. Händler verwiesen auf Übernahmegerüchte. Als mögliche Interessenten wurden der Finanzinvestor Kirk Kerkorian oder der Staatsfonds Dubai World genannt.
Riskante Defensive
Dass die als defensiv geltenden Pharmawerte riskanter sind als viele denken, zeigte sich heute wieder. Bristol Myers Squibb sank 4,74% auf 21,71 Dollar. Der Pharmakonzern litt darunter, dass der Schweizer Generikahersteller ein preisgünstige Nachahmerpräparat zur Blutverdünnung auf den deutschen Markt bringen will. Dass die Produktion solcher Generika aber auch nicht immer glücklich macht, bewies Mylan Inc., die um 8,35% auf 11,42 Dollar rutschte. Der Generikahersteller gab einen enttäuschenden Ausblick ab.
Auch zahlreiche Rohstoffwerte zählten zu den Verlierern. Valero sank 3,70% auf 44,56 Dollar. Dort gibt es Zweifel, ob der Raffineriebetreiber die gestiegenen Rohölpreise (Crude) voll auf den Benzinverkaufspreis an den Tankstellen abwälzen kann. Freeport-McMoRan Copper & Gold verlor 3,26% auf 114,22 Dollar. Der zweitgrößter Kupferlieferant der Welt litt unter dem fallenden Kupferpreis. Laut Bloomberg fällt der Preis des roten Metall bereits schon seit 2 Wochen. Wachsende Lagerbestände seien ein Signal, dass sich die Nachfrage aus China abkühlt, hiess es. Der Stahlkonzern Nucor büsste 4,23% auf 78,41 Dollar ein. United States Steel gab 1,26% auf 171,12 Dollar ab.
Nasdaq: Gnade vor Recht
Dass sich die Nasdaq heute relativ gut schlagen konnte, dass die dort repräsentierte Technologie auch in einem stagflationären Klima (kaum Wachstum, aber anziehende Verbraucherpreise) gebraucht wird. Verschiedene Nasdaq-Mitglieder konnten das in den vergangen Tagen mit überraschenden Gewinn- und Umsatzwachstumsraten beweisen.
Der Philadelphia Semiconductor Sector Index, der 19 Halbleiter-Titel erfasst, bröckelte 0,32% auf 398,50 Punkte. Nvidia gewann 2,64% auf 22,53 Dollar. Der Halbleiterhersteller Nvidia verpasste zwar mit seinen gestrigen Quartalszahlen die Erwartungen des Marktes. Einer der Analysten ließ aber Gnade vor Recht ergehen. Analyst Blake Fischer vom Broker Stifel Nicolaus & Co. lupfte sein Urteil gleich von „Verkaufen“ gleich auf „Kaufen“. Das Kursziel beträgt 26 Dollar. Die gestrigen Resultate waren zwar schwach, gibt Fischer zu, der Analyst sieht aber eine Verbesserung im Laufe des Jahres. Die Verluste an Marktanteilen sollten sich verringern und die Gewinnmargen verbessern, glaubt der Analyst. Dazu sollten neue Produkte beitragen.
Leap Wireless sprang 8,74% auf 54,48 Dollar. Der Handy-Dienstleister konnte seinen Quartalsverlust einengen und steigerte Umsatz und Abonnentenzahl stärker als erwartet. Goldman Sachs und Bank of America bekräftigten jeweils die Einschätzung „Neutral“. Activision kletterte 14,22% auf 31,64 Dollar. Der Spezialist für Videospiele war im Rahmen seiner Quartalszahlen in die Gewinnzone zurückgekehrt. Der Umsatz war gegenüber Vorjahr um 93% gesprungen. Vor allem die Verkäufe der Spiele „Guitar Hero III" und „Call of Duty 4" beeindruckten.
Apple bröckelte 0,87% auf 183,45 Dollar. Der Rivale Research in Motion, Hersteller des BlackBerry, verbesserte sich 1,21% auf 132,77 Dollar.
Internet: Trennen macht Freude
Bei den in der Nasdaq notierten Internetwerten gab es vor allem zwei Lichtblicke. Realnetworks sprang 13,12% auf 7,33 Dollar. Der Dienstleister und Softwarehersteller, der im Internet unter anderem Musik und Videos übermittelt (Rhapsody), beeindruckte nicht nur mit seinen gestrigen Quartalszahlen, die deutlich über den Erwartungen lagen. Die Anleger reagierten auch erfreut auf die Ankündigung, Realnetworks wolle seine Spiele-Softwaretochter als eigene Gesellschaft abtrennen und deren Anteile an seine Aktionäre aushändigen. Der Broker Kaufman Brothers hob sein Kursziel von 8 Dollar auf 9 Dollar und wiederholte seine Kaufempfehlung.
Priceline kletterte 12,00% auf 138,63 Dollar. Der Online-Reiseauktionator hatte bereits gestern nach Börsenschluss Quartalszahlen und Ausblick geliefert, die merklich über den Erwartungen lagen. Heute applaudieren die Analysten. Goldman Sachs bekräftigte die Kaufempfehlung und hob das Kursziel von 140 Dollar auf 155 Dollar. Mit seiner weiten geographischen Streuung, dem breiten Produktangebot, niedrigen Kosten und günstiger Bewertung, könne sich die Internetaktie dem Konkurrenzdruck und den konjunkturellen Unsicherheiten entziehen, hiess es dort. Die Citigroup schraubte ihr Kursziel von 137 Dollar auf 161 Dollar. Priceline sei die defensivste Internetaktie. Dafür sorge etwa das starke europäische Netzwerk des Dienstleisters. Die Bank of America bestätigte ihre Kaufempfehlung und verbesserte das Kursziel von 125 Dollar auf 155 Dollar. Die Aktie sollte sich auch weiterhin überdurchschnittlich entwickeln, weil das Unternehmen den wachsenden internationalen Online-Reisemarkt erobert und auch auf dem amerikanischen Heimatmarkt zugewinnt.
Die Flaggschiffe des Internets konnten sich dagegen der allgemeinen Blues-Stimmung nicht entziehen. Yahoo verlor 1,11% auf 25,93 Dollar. Die Aktie wird seit Tagen von Spekulationen bewegt, wie es nach dem zurückgezogen Übernahmeangebot von Microsoft weiter geht. Außerdem belastete wohl auch den Widerstand von Politaktivisten gegen eine Werbepartnerschaft mit Google. Der Suchmaschinen-Marktführer verlor 1,68% auf 573,20 Dollar und Baidu.com, Chinas Marktführer bei den Suchmaschinen, gab 2,50% auf 346,28 Dollar ab.
Amazon.com setzte den Kursrückgang der Vortage fort und sank 0,52% auf Dollar. Neben der - wegen der Ölpreisexplosion befürchteten - Konsumschwäche, vor allem in Europa (das Auslands trägt knapp 50% zum Umsatz bei) - belasteten auch noch die leidigen Steuern. Der US-Bundesstaat verlangt seit kurzem, dass Onlinehändler für Lieferungen an Bürger des Bundesstaates eine Verkaufssteuer abführen. Jetzt denkt auch der Staat Texas über die Onlinesteuer nach. Ebay verlor 0,66% auf 30,00 Dollar.
Energie: Preisspirale schraubt sich höher
Am Markt für Ölkontrakte drehte sich das gewohnte Karussell: Der Preis für den Kontrakt steigt, das lockt zusätzliche Kontraktkäufer an, das steigert den Preis des Kontrakts weiter, das lockt weitere Käufer an, das steigert wieder den Preis, das lockt noch mehr Käufer an......................................... Der Crude-Kontrakt für Juni verteuerte sich heute um 2,27 Dollar auf 125,96 Dollar je Barrel. Zeitweise notierte der Kontrakt über 126,00 Dollar. Der heutige Schlusskurs liegt um 8,3% über dem Stand der Vorwoche und etwa 100% über dem Niveau des Vorjahrs.
Gold: Europäische Notenbank und Ölpreise beflügeln das Edelmetall
Das Gold profitierte heute - wie bereits schon gestern - von der Europäischen Notenbank. Die beließ ihren Zins bei 4% und betonte ihre Priorität, die wachsende Inflationsgefahr zu bekämpfen. Das stärkte den Euro und schwächte - spiegelbildlich - den Dollar. Häufig bewegt sich das Gold entgegengesetzt zum Greenback - so auch heute. Außerdem bewegt sich das Edelmetall häufig im Gleichschritt mit dem Öl und profitierte heute von dessen erneuten Preisexplosion. Daher stieg der Gold-Kontrakt für Juni heute um 3,70 Dollar auf 8825,80 Dollar, ein Wochengewinn von 3,2%.
Ausblick:
Montag:
Quartalszahlen: Fluor (Ingenieurdienste), Imax (Kinos), Mbia (Anleiheversicherer), Sprint Nextel (Handydienstleister)
Dienstag:
14:30 Uhr Ex- und Importpreise sowie Einzelhandelsumsätze jeweils vom April, 16:00 Lagerhaltung der Unternehmen vom März
Quartalszahlen: Applied Materials (Halbleiter-Ausrüster). Electronic Arts (PC-Spiele), Liz Claiborne (Fashion), Toll Brothers (Eigenheimbauer), Wal-Mart
Mittwoch:
14:30 Uhr Verbraucherpreise vom April, 16:30 Uhr Ölvorräte der Vorwoche
Quartalszahlen: Deere (landwirtschaftliche Maschinen), Freddie Mac (Hypothekenbank), Macy´s (Kaufhäuser)
Donnerstag:
14:30 Uhr Arbeitslosenmeldungen der Vorwoche und Empire State Index vom Mai (Industrieentwicklung im Ballungsgebiet New York). 15:15 Uhr Industrieproduktion und Kapazitätsauslastung vom April, 16:00 Index der Philadelphia Fed (Industrieentwicklung im Ballungsgebiet)
Quartalszahlen: Brocade Communications Systems (Datenspeicher; Netzwerke) Hewlett Packard (Weltmarktführer PCs & Drucker), JC Penney (Kaufhäuser), Nordstrom (Fashionkette), Urban Outfitters (Textilkette)
Freitag:
14:30 Uhr Baubeginne und -genehmigungen vom April, 16:00 Verbraucherstimmung Universität Michigan vom Mai.
Quartalszahlen: Abercrombie & Fitch Co. (Textilkette).
Die Tatsache, dass die American International Group, die weltweit größte Versicherungsgruppe, bereits gestern nach Börsenschluss einen Verlust von 7,8 Milliarden Dollar meldete und deshalb frisches Geld im Volumen von 12,5 Milliarden Dollar aufnehmen will, sorgte nicht gerade für gute Stimmung. Immerhin wurden damit wieder die Gespenster der Finanzkrise geweckt. Dennoch verlor der Finanzsektor insgesamt mit minus 0,76% nicht mehr als der breite Markt. Die Wall Street scheint sich an die Verluste zu gewöhnen, zumal zahlreiche Beobachter bei der Finanzkrise ein Licht am Ende des Horizonts sehen - im Gegensatz zur Ölpreisexplosion. Übrigens schnitt der Bereich Energie-Aktien mit minus 0,56% heute nicht viel besser ab. Lediglich der Bereich Versorger landete im Plus (0,12%).
Der Dow Jones Industrial Average rutschte 0,94% auf 12.745 Punkte, der S&P 500, der eigentlich den Markt repräsentiert, verlor 0,67% auf 1.388 Punkte. Der technologielastige Nasdaq Composite Index kam mit minus 0,23% auf 2.445 Punkte davon.
Vergleich zur Vorwoche
S&P 500 -1.81%
Dow Jones -2.39%
NASDAQ -1.27%
Russell 2000 -.78%
Branchen im Vergleich zur Vorwoche:
Tops:
Stahl +5.53%
Ölbohrdienstleister +5.39%
Festplattenlaufwerke +3.5%
Bau +2.36%
Computerhardware +2.02%
Flops:
Airlines -9,84%
Versicherungen -6,84%
Investmentbanken - 6,18%
Banken -6,10%
Einzelhandel -4,7%
Dow Jones Average: Schlank für die Rendite
Der Flop des Tages war natürlich die American International Group mit einem Verlust von 8,77% auf 40,28 Dollar. Die Analysten zeigen allerdings Milde. Die Bank of America senkte zwar ihre Gewinnschätzung für das laufende Gesamtjahr auf 3,20 Dollar je Aktie (vorher: 4,41 Dollar), hält aber an dem Urteil „Neutral“ und dem Kursziel 48 Dollar fest. Goldman Sachs wollte erst einmal die Analystenkonferenz des Versicherers abwarten und dann das Anlageurteil überprüfen, bislang „Kaufen“ mit Kursziel 59 Dollar. Strenger zeigte sich der Broker Keefe, Bruyette & Woods, der zwar sein Urteil „Market Perform" behält, aber sein Kursziel auf 41 Dollar eindampfte (vorher: 51 Dollar).
Die volatile Aktie von General Motors rutschte 4,07% auf 20,29 Dollar. Der Autokonzern will bis zu 200 Millionen Dollar an seinen Zulieferer American Axle zahlen, um dort einen Streik zu beenden. Außerdem belastet das teure Öl, das den Amerikaner die Lust an den Benzinfressern nimmt. Die Citigroup verlor 2,76% auf 23,63 Dollar. Der größte Bankkonzern der Welt will in den kommenden Jahren Vermögenswerte im Gesamtvolumen von 400 Milliarden Dollar verkaufen. Die Schlankheitskurs soll die Rendite aufzubessern.
Die Preisexplosion beim Öl - Crude sprang zeitweise über 126,00 Dollar - war sogar den Inhabern der großen Ölaktien nicht geheuer. Exxon Mobil verlor 1,23% auf 88,82 Dollar, also mehr als der Gesamtmarkt. Chevron kam mit minus 0,05% auf 97,39 Dollar davon. Vermutlich befürchten die Aktionäre, dass der exorbitante Ölpreis der Konjunktur einen nachhaltigen Schaden zufügt.
Nur 6 der 30 Blue Chips schafften es bis zum Schluss in den grünen Bereich. Der Top des Dow war ausgerechnet ein Bank-Titel: JP Morgan Chase legte 1,13% auf 46,57 Dollar zu. Vielleicht wird der Bankkonzern als Gewinner der Schlankheitskur der Citi Group gesehen, immerhin will der Rivale beträchtlich schrumpfen. Der im Dow erfasste Nasdaqwert Microsoft belegte mit plus 0,41% auf 29,39 Dollar den 2. Platz. Der Softwareriese erhob Einspruch gegen eine Kartellstrafe der Europäischen Union im Volumen von 1,4 Milliarden Dollar. Vielleicht waren die Aktionäre auch erleichtert, weil aus der angestrebten Übernahme von Yahoo wohl doch nichts wird. Viele Microsoft-Aktionäre waren wegen der hohen Kosten und der unsicheren Aussichten ohnehin dagegen. Ein weiterer Finanz-Titel schaffte den 3. Rang: Der Kreditkartenkonzern American Express verbesserte sich nachrichtenlos um 0,23% auf 48,96 Dollar.
S&P 500: Für Jeans ist noch Geld da
Trotz dem Debakel der American International Group zählten auch im S&P zahlreiche Finanz-Titeln zu den Gewinnern. Lehman Brothers setzen heute ihre Erholung mit plus 1,42% auf 43,54 Dollar fort. Merrill Lynch gewann 1,06% auf 48,45 Dollar. Der Hypothekenriese Fannie Mae verbesserte sich 0,65% auf 27,81 Dollar.
Ein helleres Licht schien aber ausgerechnet im inflationsgebeutelten Konsumsektor. True Religion Apparel Inc. sprang 14,15% auf 22,27 Dollar. Der Bekleidungshersteller, der vor allem Jeans produziert, hatte - trotz Konsumschwäche - seinen Gewinn um 35% gesteigert und den Ausblick angehoben. Das begeisterte auch die Analysten. Der Broker Wedbush Morgan Securities hob sein Empfehlung von „Halten“ auf „Kaufen“ und das Kursziel von 18 Dollar auf 25 Dollar. Die True Religion-Kunden scheinen nicht von der Verbrauchsflaute betroffen zu sein, hiess es dort. Der Broker Brean Murray, Carret & Co. schraubte das Kursziel von 24 Dollar auf 29 Dollar und bekräftigte die Kaufempfehlung. True Religion entwickle sich zu einer Life Style Marke. Der Broker Friedman, Billings, Ramsey & Co. bekräftigte die Einschätzung „Outperform“ und Kursziel 25 Dollar.
Sprint Nextel sprintete 4,45% auf 9,38Dollar. Der Handydienstleister bekam schon mal Vorschusslorbeeren für die am Montag fälligen Quartalszahlen. Vielleicht machten die schon bekannten überraschend guten Ergebnisse des Rivalen Leap Wireless Mut. AES Corp. avancierte 6,58% auf 19,11 Dollar. Der Stromversorger war im vergangenen Quartal in die Gewinnzone zurückgekehrt, die Umsätze stiegen um 33% gegenüber Vorjahr. Dazu hätten vor allem gestiegene Strompreise in Lateinamerika und der schwache Dollar beigetragen, hiess es. Continental Airlines gewann trotz Ölverteuerung 3,08% auf 17,38 Dollar. Der Fluglinienbetreiber folgt jetzt seinen Rivalen und erhebt eine zusätzliche Treibstoffgebühr von 20 Dollar je US-Flug.
Das Thema Fusionen & Übernahmen sorgte auch heute wieder für Kurssprünge. Circuit City gewann 5,85% auf 5,07 Dollar. Der zweitgrößte US-Elekronikhändler bietet jetzt nicht nur Handys oder Flachbildschirm-TVs an, sondern stellt sich auch selbst zum Verkauf. Dafür habe der Einzelhändler die Investmentbank Goldman Sachs engagiert, berichtete Bloomberg. Als mögliche Käufer werden die Videokette Blockbuster oder der Finanzinvestor Carl Icahn gesehen. Beide bekommen Einblick in die Bücher von Circuit City, um dessen finanzielle Situation zu prüfen. MGM Mirage zog um 4,55% an und schloss auf 51,25 Dollar. Händler verwiesen auf Übernahmegerüchte. Als mögliche Interessenten wurden der Finanzinvestor Kirk Kerkorian oder der Staatsfonds Dubai World genannt.
Riskante Defensive
Dass die als defensiv geltenden Pharmawerte riskanter sind als viele denken, zeigte sich heute wieder. Bristol Myers Squibb sank 4,74% auf 21,71 Dollar. Der Pharmakonzern litt darunter, dass der Schweizer Generikahersteller ein preisgünstige Nachahmerpräparat zur Blutverdünnung auf den deutschen Markt bringen will. Dass die Produktion solcher Generika aber auch nicht immer glücklich macht, bewies Mylan Inc., die um 8,35% auf 11,42 Dollar rutschte. Der Generikahersteller gab einen enttäuschenden Ausblick ab.
Auch zahlreiche Rohstoffwerte zählten zu den Verlierern. Valero sank 3,70% auf 44,56 Dollar. Dort gibt es Zweifel, ob der Raffineriebetreiber die gestiegenen Rohölpreise (Crude) voll auf den Benzinverkaufspreis an den Tankstellen abwälzen kann. Freeport-McMoRan Copper & Gold verlor 3,26% auf 114,22 Dollar. Der zweitgrößter Kupferlieferant der Welt litt unter dem fallenden Kupferpreis. Laut Bloomberg fällt der Preis des roten Metall bereits schon seit 2 Wochen. Wachsende Lagerbestände seien ein Signal, dass sich die Nachfrage aus China abkühlt, hiess es. Der Stahlkonzern Nucor büsste 4,23% auf 78,41 Dollar ein. United States Steel gab 1,26% auf 171,12 Dollar ab.
Nasdaq: Gnade vor Recht
Dass sich die Nasdaq heute relativ gut schlagen konnte, dass die dort repräsentierte Technologie auch in einem stagflationären Klima (kaum Wachstum, aber anziehende Verbraucherpreise) gebraucht wird. Verschiedene Nasdaq-Mitglieder konnten das in den vergangen Tagen mit überraschenden Gewinn- und Umsatzwachstumsraten beweisen.
Der Philadelphia Semiconductor Sector Index, der 19 Halbleiter-Titel erfasst, bröckelte 0,32% auf 398,50 Punkte. Nvidia gewann 2,64% auf 22,53 Dollar. Der Halbleiterhersteller Nvidia verpasste zwar mit seinen gestrigen Quartalszahlen die Erwartungen des Marktes. Einer der Analysten ließ aber Gnade vor Recht ergehen. Analyst Blake Fischer vom Broker Stifel Nicolaus & Co. lupfte sein Urteil gleich von „Verkaufen“ gleich auf „Kaufen“. Das Kursziel beträgt 26 Dollar. Die gestrigen Resultate waren zwar schwach, gibt Fischer zu, der Analyst sieht aber eine Verbesserung im Laufe des Jahres. Die Verluste an Marktanteilen sollten sich verringern und die Gewinnmargen verbessern, glaubt der Analyst. Dazu sollten neue Produkte beitragen.
Leap Wireless sprang 8,74% auf 54,48 Dollar. Der Handy-Dienstleister konnte seinen Quartalsverlust einengen und steigerte Umsatz und Abonnentenzahl stärker als erwartet. Goldman Sachs und Bank of America bekräftigten jeweils die Einschätzung „Neutral“. Activision kletterte 14,22% auf 31,64 Dollar. Der Spezialist für Videospiele war im Rahmen seiner Quartalszahlen in die Gewinnzone zurückgekehrt. Der Umsatz war gegenüber Vorjahr um 93% gesprungen. Vor allem die Verkäufe der Spiele „Guitar Hero III" und „Call of Duty 4" beeindruckten.
Apple bröckelte 0,87% auf 183,45 Dollar. Der Rivale Research in Motion, Hersteller des BlackBerry, verbesserte sich 1,21% auf 132,77 Dollar.
Internet: Trennen macht Freude
Bei den in der Nasdaq notierten Internetwerten gab es vor allem zwei Lichtblicke. Realnetworks sprang 13,12% auf 7,33 Dollar. Der Dienstleister und Softwarehersteller, der im Internet unter anderem Musik und Videos übermittelt (Rhapsody), beeindruckte nicht nur mit seinen gestrigen Quartalszahlen, die deutlich über den Erwartungen lagen. Die Anleger reagierten auch erfreut auf die Ankündigung, Realnetworks wolle seine Spiele-Softwaretochter als eigene Gesellschaft abtrennen und deren Anteile an seine Aktionäre aushändigen. Der Broker Kaufman Brothers hob sein Kursziel von 8 Dollar auf 9 Dollar und wiederholte seine Kaufempfehlung.
Priceline kletterte 12,00% auf 138,63 Dollar. Der Online-Reiseauktionator hatte bereits gestern nach Börsenschluss Quartalszahlen und Ausblick geliefert, die merklich über den Erwartungen lagen. Heute applaudieren die Analysten. Goldman Sachs bekräftigte die Kaufempfehlung und hob das Kursziel von 140 Dollar auf 155 Dollar. Mit seiner weiten geographischen Streuung, dem breiten Produktangebot, niedrigen Kosten und günstiger Bewertung, könne sich die Internetaktie dem Konkurrenzdruck und den konjunkturellen Unsicherheiten entziehen, hiess es dort. Die Citigroup schraubte ihr Kursziel von 137 Dollar auf 161 Dollar. Priceline sei die defensivste Internetaktie. Dafür sorge etwa das starke europäische Netzwerk des Dienstleisters. Die Bank of America bestätigte ihre Kaufempfehlung und verbesserte das Kursziel von 125 Dollar auf 155 Dollar. Die Aktie sollte sich auch weiterhin überdurchschnittlich entwickeln, weil das Unternehmen den wachsenden internationalen Online-Reisemarkt erobert und auch auf dem amerikanischen Heimatmarkt zugewinnt.
Die Flaggschiffe des Internets konnten sich dagegen der allgemeinen Blues-Stimmung nicht entziehen. Yahoo verlor 1,11% auf 25,93 Dollar. Die Aktie wird seit Tagen von Spekulationen bewegt, wie es nach dem zurückgezogen Übernahmeangebot von Microsoft weiter geht. Außerdem belastete wohl auch den Widerstand von Politaktivisten gegen eine Werbepartnerschaft mit Google. Der Suchmaschinen-Marktführer verlor 1,68% auf 573,20 Dollar und Baidu.com, Chinas Marktführer bei den Suchmaschinen, gab 2,50% auf 346,28 Dollar ab.
Amazon.com setzte den Kursrückgang der Vortage fort und sank 0,52% auf Dollar. Neben der - wegen der Ölpreisexplosion befürchteten - Konsumschwäche, vor allem in Europa (das Auslands trägt knapp 50% zum Umsatz bei) - belasteten auch noch die leidigen Steuern. Der US-Bundesstaat verlangt seit kurzem, dass Onlinehändler für Lieferungen an Bürger des Bundesstaates eine Verkaufssteuer abführen. Jetzt denkt auch der Staat Texas über die Onlinesteuer nach. Ebay verlor 0,66% auf 30,00 Dollar.
Energie: Preisspirale schraubt sich höher
Am Markt für Ölkontrakte drehte sich das gewohnte Karussell: Der Preis für den Kontrakt steigt, das lockt zusätzliche Kontraktkäufer an, das steigert den Preis des Kontrakts weiter, das lockt weitere Käufer an, das steigert wieder den Preis, das lockt noch mehr Käufer an......................................... Der Crude-Kontrakt für Juni verteuerte sich heute um 2,27 Dollar auf 125,96 Dollar je Barrel. Zeitweise notierte der Kontrakt über 126,00 Dollar. Der heutige Schlusskurs liegt um 8,3% über dem Stand der Vorwoche und etwa 100% über dem Niveau des Vorjahrs.
Gold: Europäische Notenbank und Ölpreise beflügeln das Edelmetall
Das Gold profitierte heute - wie bereits schon gestern - von der Europäischen Notenbank. Die beließ ihren Zins bei 4% und betonte ihre Priorität, die wachsende Inflationsgefahr zu bekämpfen. Das stärkte den Euro und schwächte - spiegelbildlich - den Dollar. Häufig bewegt sich das Gold entgegengesetzt zum Greenback - so auch heute. Außerdem bewegt sich das Edelmetall häufig im Gleichschritt mit dem Öl und profitierte heute von dessen erneuten Preisexplosion. Daher stieg der Gold-Kontrakt für Juni heute um 3,70 Dollar auf 8825,80 Dollar, ein Wochengewinn von 3,2%.
Ausblick:
Montag:
Quartalszahlen: Fluor (Ingenieurdienste), Imax (Kinos), Mbia (Anleiheversicherer), Sprint Nextel (Handydienstleister)
Dienstag:
14:30 Uhr Ex- und Importpreise sowie Einzelhandelsumsätze jeweils vom April, 16:00 Lagerhaltung der Unternehmen vom März
Quartalszahlen: Applied Materials (Halbleiter-Ausrüster). Electronic Arts (PC-Spiele), Liz Claiborne (Fashion), Toll Brothers (Eigenheimbauer), Wal-Mart
Mittwoch:
14:30 Uhr Verbraucherpreise vom April, 16:30 Uhr Ölvorräte der Vorwoche
Quartalszahlen: Deere (landwirtschaftliche Maschinen), Freddie Mac (Hypothekenbank), Macy´s (Kaufhäuser)
Donnerstag:
14:30 Uhr Arbeitslosenmeldungen der Vorwoche und Empire State Index vom Mai (Industrieentwicklung im Ballungsgebiet New York). 15:15 Uhr Industrieproduktion und Kapazitätsauslastung vom April, 16:00 Index der Philadelphia Fed (Industrieentwicklung im Ballungsgebiet)
Quartalszahlen: Brocade Communications Systems (Datenspeicher; Netzwerke) Hewlett Packard (Weltmarktführer PCs & Drucker), JC Penney (Kaufhäuser), Nordstrom (Fashionkette), Urban Outfitters (Textilkette)
Freitag:
14:30 Uhr Baubeginne und -genehmigungen vom April, 16:00 Verbraucherstimmung Universität Michigan vom Mai.
Quartalszahlen: Abercrombie & Fitch Co. (Textilkette).
(© BörseGo AG 2007 - http://www.boerse-go.de, Autor: Maier Gerhard, Redakteur)