New York (BoerseGo.de) - Die Wall Street war heute wieder einmal auf der Suche nach dem Boden. Kurz vor Schluss setzte sich wohl bei einigen der Glaube durch, der Markt hätte ihn endlich gefunden. Jedenfalls setzten dann Käufe ein, die die Indizes schnell in die Höhe trieben. Der breite Aktienmarkt gewann - gemessen am S&P 500 - etwa 9% gegenüber seinem Tagestief. Die Schluss-Rallye glich zwar nur das letzte Drittel des gestrigen Kursrutsches aus, der heutige Tagesschluss war aber zumindest besser als der Schluss vom vergangenen Freitag. Bleibt also die Hoffnung, dass der vergangene Freitag, der 10.10., wie von manchen Beobachtern vermutet, das Ende des Bärenmarktes markiert. Sollte die USA tatsächlich in eine Rezession gerutscht sein, spräche das nicht dagegen, weil die Börse stets mehrere Monate vor dem Ende einer Rezession ihren Wiederaufschwung startet.
Die heutigen Konjunkturdaten waren bei der Bodensuche allerdings keine große Hilfe. Die wöchentlichen Arbeitslosenmeldungen verbesserten sich auf zwar 461.000 (Vorwoche: 477.000, Konsenserwartung: 470.000), die gleichzeitig gemeldete Industrieproduktion vom September enttäuschte aber mit einem Rückgang um 2,8% (der stärkste Rückgang seit 1974). Die Agenturen wiesen allerdings auf Sondereffekte hin, die die Zahlen verzerrten. Dazu zählte der Streik bei Boeing, der dort zu Produktionsausfällen führte. Außerdem wurde die Industrieproduktion durch die Hurricanes Gustav und Ike gestört. Die Wirbelstürme hatten den Output um 2,25 Prozentpunkte gesenkt, der Streik um 0,5 Prozentpunkte, rechnete der Infodienst Briefing.com vor. Belastend wirkte sich auch Rückgang des Minen-Outputs um 7,8% aus. Dort machte sich der Preisverfall bei den Rohstoffen (Kohle, Metalle) bemerkbar.
Schrecken aus Philadelphia
Einen Schrecken jagte der um 10:00 Uhr US-Ostküstenzeit (16:00 Uhr MEZ) veröffentlichte Stimmungsindex der Philadelphia Fed vom Oktober ein. Das bei Managern aus der Industrie in dieser Region ermittelte Umfrageergebnis brach scharf ein, nämlich auf minus 37,5 (September: plus 3,8). Die Volkswirte hatten nur mit einem Rückgang auf minus 10,0 gerechnet. Werte deutlich unter Null bedeuten, dass die Industrie im Ballungsgebiet kräftig schrumpft.
James B. Bullard, Präsident und CEO der Federal Reserve Bank of St. Louis, erklärte heute, dass er für das dritte Quartal, dessen Wachstumsrate Ende des Monats gemeldet wird, entweder Stagnation oder einen leichten Rückgang erwartet. Verantwortlich dafür sei aber nicht die Finanzkrise, sondern der noch bis August (also bis zur Quartalsmitte) erfolgte scharfe Anstieg der Öl- und anderer Rohstoffpreise in Kombination mit einem schwachen Arbeitsmarkt. Beides führte zu den krottenschlechten Einzelhandelsumsätzen, die gestern noch für Angst und schrecken gesorgt hatten. Der inzwischen begonnene Rückgang bei den Rohstoffpreisen könne daher den negativen Impuls wieder mildern, hieß es.
Das Inflationsgespenst verzieht sich
Das zeigen auch die heute bereits vor Börsenbeginn gemeldeten Inflationszahlen. Der Anstieg der Verbraucherpreise im September signalisiert die die ersten Anzeichen der Entspannung am Rohstoffmarkt. Die Verbraucherpreise blieben gegenüber dem Vormonat unverändert (August: minus 0,1%) und stiegen gegenüber dem Vorjahr um 4,9% (August: plus 5,4%). Die Kernrate - also ohne die volatilen Energie- und Nahrungsmittelpreise - stieg im September um 0,1% gegenüber dem Vormonat (August: plus 0,2%) und um 2,5% gegenüber dem Vorjahr (August: plus 2,5%). Da die Rohstoffpreise seither kräftig gefallen sind und die preistreibenden Effekte der Wirbelstürme auslaufen, dürfte die Inflationsrate im Oktober deutlich zurückgehen. Das wiederum entlastet Verbraucher und Unternehmen und wirkt wie eine Steuersenkung, also als ein zusätzliches Konjunkturprogramm.-
Die späte Rallye wurde daher heute auch vom Ölpreis angeregt, der unter die 70-Dollar -Marke fiel und sich gegenüber seinem Hoch vom Juli (147 Dollar) inzwischen mehr als halbierte. Das beflügelte Airlines und andere Transportwerte sowie den Einzelhandel, dessen Kunden mehr Geld zum Einkaufen bleibt.
Tauwetter auf dem Kreditmarkt
Gestützt wurde der Aktienmarkt auch von einer - wenn auch nur zögerlichen - Entspannung am Interbankenmarkt. Dort beginnen die Zinssenkungen der Notenbanken und die zahlreichen Rettugnspakete für die Banken allmählich zu wirken. Der Geldmarktsatz, also der Zins zu dem sich die Banken gegenseitig beleihen, geht endlich wieder zurück. Damit scheinen die eingefrorenen Kreditmärkte, das Lebenselixier der Wirtschaft, allmählich wieder aufzutauen.
Stützend wirkte auch die Tatsache, dass der Aktienmarkt - gemessen am repräsentativen S&P 500 - derzeit etwa das elffache der für das Gesamtjahr geschätzten Unternehmensgewinne kostet. Das ist der niedrigste Stand seit Juni 1985.
Dow Jones schwingt 800 Punkte
Der Dow Jones Industrial Average gewann 4,7 Prozent auf 8.979 Punkte, ein Swing von rund 800 Punkten gegenüber dem Tagestief. Der - für den breiten US-Aktienmarkt repräsentative - S&P 500 avancierte 4,3 Prozent auf 946 Punkte und der technologielastige Nasdaq Composite Index kletterte 5,5 Prozent auf 1.717 Punkte.
Dow Jones Average: Paradoxer Sieger
Tops:
Überraschung: Der Top des Dow heißt ausgerechnet Exxon Mobil, trotz des freien Falls des Ölpreises. Der Energieriese verteuerte sich 11,4% auf 69,45 Dollar. Der Branchenkollege Chevron gewann immerhin 5,2%. Beiden half die späte Rallye aus der Patsche. Die Energieriesen waren in den Vortagen stark unter Druck geraten. Gestern verlor der Energiesektor im S&P 15,5%. Heute beflügelten wohl Schnäppchenkäufe und die Hoffnung, dass die konjunkturelle Delle bald wieder überwunden ist. Davon dürfte auch deren Down-Stream-Geschäfte (also Raffinerien und Tankstellen) wieder profitieren.
Weniger überraschte der 2. Platz von Wal-Mart mit plus 9,1% auf 54,62 Dollar. Weil die Benzinpreise - und die Kosten der Lebensmittel ebenso - scharf fallen, bleibt den potentiellen Kunden mehr Geld zum Einkaufen.
Flops:
Der Flop des Dow war American Express. Der Kreditkartenriese gab nachrichtenlos 3,2% auf 23,64 Dollar ab.
Die Citigroup verlor 2% auf 15,90 Dollar. Der Finanzriese meldete heute einen Quartalsverlust von 2,82 Milliarden Dollar, dank weiterer Abschreibungen wegen der Finanzkrise. Gemessen am Wert der Vermögensbestände musste der Kreditkonzern den ersten Platz bei den US-Banken an den Rivalen JP Morgan abgeben.
S&P 500: Das Börsenspiel ersetzt Las Vegas
Tops:
Der breit gefasste S&P hatte heute eine ganze Reihe von glänzenden Sternen. Dazu zählten wieder viele Finanz-Titel, die von den Rettungsmaßnahmen beflügelt wurden.
Der angeschlagene Anleiheversicherer Ambac Financial explodierte 48% auf 2,66 Dollar, sein Rivale MBIA sprang 32% auf 9,00 Dollar.
Slm Corp. kletterte 24% auf 11,23 Dollar. Der Studentenfinanzierer, auch als Salli Mae bekannt, fällt schon seit längerem durch hektische Kursbewegungen. Das Kreditinstitut war in den Sog der Finanzkrise geraten und profitiert jetzt anscheinend ebenfalls von den staatlichen Rettungsmaßnahmen.
Bei vielen Werten beschwingten auch gute Gewinnzahlen.
Peabody Energy sprang 18% auf 28,68 Dollar. Der Kohleminenbetreiber, der vor allem Stromhersteller beliefert, meldete einen scharfen Gewinnanstieg wegen kräftiger globaler Nachfrage.
Nucor verteuerte sich 15,9% auf 31,79 Dollar. Der Stahlkonzern verkündete heute einen höheren Gewinn als erwartet.
Steel Dynamics sprang 22,7% auf 8,99 Dollar. Der Stahlverarbeiter, der an der Nasdaq gehandelt wird, schloss sich dem Reigen überraschend gute Quartalsgewinne an.
Hershey verbesserte sich 6,9% auf 35,24 Dollar. Der Schokoladenhersteller klagte zwar über die im 3. Quartal hohen Rohstoffpreise (Kakao, Zucker, Energie), konnte aber seinen Marktanteil stabilisieren.
Der Fall des Ölpreises unter die 70-Dollar-Marke beflügelte natürlich die Airlines: US Airways zog um 28% auf 6,78 Dollar an, AMR, die Mutter der American Airlines, klettert 22,9% auf 10,8 Dollar, Continental stieg 22,7% auf 15,75 Dollar
Auch die Einzelhandels-Titel profitierten von den implodierenden Rohstoffpreisen, weil die Verbraucher mehr Geld in den Taschen haben. Der Kaufhausbetreiber Macy´s sich 16% verteuerte auf 10,05 Dollar. Der Discounter Big Lots hüpfte 13% auf 22,68 Dollar und Family Dollar Stores, ebenfalls ein Discounter, avancierte 8,7% auf 25,46 Dollar.
Fallende Rohstoffpreise halfen auch den Aktien von Archer Daniels Midland, die sich um 10,8% auf 17,84 Dollar erhöhten. Das Unternehmen verarbeitet landwirtschaftliche Produkte und gewinnt etwa Pflanzenfette aus Ölsaaten oder stellt Süßmittel aus Mais her. Der Agrarverarbeiter wurde vom Aktienresearch der verblichenen Merrill Lynch (inzwischen bei der Bank of America untergekommen) von „Neutral“ auf „Kaufen“ aufgewertet. Das Kursziel beträgt 26 Dollar. Der starke Preisverfall bei den Rohstoffpreisen (Energie und Vorprodukte) fördere die Geschäfte von Archer, hieß es.
Flops:
Cit Group implodierte dagegen 38% auf 2,91 Dollar. Die Ratingagentur Moody`s dachte laut über eine Herabstufung der Ratings der Verbindlichkeiten des New Yorker Finanzdienstleisters nach. Dabei wurde auf die knappe Liquidität und die schlechte Qualität der Forderungen des Kreditkonzerns verwiesen.
Da die Wall Street zunehmend zu einem Glücksspiel mutiert, können sich die Spieler die Reise nach Las Vegas sparen. Jedenfalls senkte Goldman Sachs heute für den Casinobetreiber MGM Mirage das Kursziel von 32 Dollar auf 17 Dollar. Die Casinos bekommen zwar noch Kunden, die Leute spielen dort aber - wegen der aktuellen wirtschaftlichen Situation - weniger, hieß es. Konsequenz: MGM Mirage verlor 3,9% auf 14,40 Dollar. Der Rivale Las Vegas Sand gab 12,3% auf 11,83 Dollar ab. dort dampfte Goldman Sachs das Kursziel auf 25 Dollar ein (vorher: 60 Dollar).
Nasdaq: Auf Einkaufstour im Technoland
Die in den Vortagen schwer gebeutelte Nasdaq profitierte heute von Schnäppchenjägern. Der Philadelphia Semiconductor Sector Index, der 19 Halbleiter-Titel erfasst, gewann 4,4% auf 243,89 Punkte.
Besser schnitt der Softwarebereich ab: Microsoft plus 6,8% auf 24,19 Dollar und der SAP-Rivale Oracle plus 6,5% auf 16,99 Dollar.
Apple stieg 4% auf 101,89 Dollar. Der Smartphone-Rivale Research in Motion, Hersteller des BlackBerry, kletterte 6,3% auf 59,24 Dollar.
Internet: Krieg der Plattformen
Die an der Nasdaq notierten Flaggschiffe des Internets wurden vor allem von den bereits bekannten oder bald erwarteten Quartalszahlen getrieben. Ebay verlor 2,4% auf 14,97 Dollar. Zeitweise war das Papier um mehr als 10% abgerutscht. Der virtuelle Auktionator meldete gestern nach Börsenschluss mehr Gewinn als erwartet, senkte aber seinen Ausblick. So etwas kommt an der Wall Street grundsätzlich sehr schlecht an. Folglich wurde das E-Commerce-Papier heute von Investoren und Analysten abgestraft.
JP Morgan degradierte den Internetdienstleister von „Übergewichten“ auf „Neutral". „Die größte Herausforderung, die Ebay spürt, ist die vergleichsweise schwache („inferiore“) technologische Plattform. Das macht es für die Kalifornier schwierig mit anderen E-Commerce-Plattformen zu konkurrieren, etwa der von Amazon“, klagt die Bank. „Wenn es Ebay nicht gelingt, die Nutzer-Erfahrung zu verbessern, bleibt das Konzernwachstum auch dann schwach, wenn sich die Wirtschaft wieder erholt“.
Die Deutsche Bank bekräftigte ihre Verkaufsempfehlung und kappte ihr Kursziel auf 13 Dollar. Die Bank glaubt, dass die Aktie unter Druck bleibt. Die Geschäfts-Trends hätten sich seit September dramatisch verschlechtert, hieß es. Als Grund wurden strukturelle Probleme angeführt, etwa mangelnde Reinvestitionen und angehobene Gebühren für die Verkäufer, die die Ebay-Auktionsplattform nutzen.
Die Credit Suisse wertete Ebay von „Übergewichten“ auf „Neutral“ ab. Die UBS bleibt bei „Neutral“, korrigierte aber das Kursziel auf 17 Dollar (vorher: 18 Dollar).
Der Broker Piper Jaffray senkte von „Kaufen“ auf „Neutral“.
Der Broker Stifel Nicolaus & Co., senkte zwar seine Gewinnschätzungen und kürzte das Kursziel von 22 Dollar auf 20 Dollar, bleibt aber bei der Empfehlung „Kaufen“. Begründung: „Der Gegenwind, den das Unternehmen spürt, ist inzwischen mehr als eingepreist“.
Der Broker Sanford C. Bernstein schraubte das Kursziel von 31 Dollar auf 22 herunter. Der Broker Jefferies & Co dampfte das Kursziel 22 Dollar ein (vorher: 32 Dollar).
RBC Capital Markets korrigierte von 25 Dollar auf 21 Dollar ,
Barclays Capital von 22 Dollar auf 15 Dollar und Soleil von 25 Dollar auf 16 Dollar.
Der Rivale Amazon.com gewann 3,2% auf 50,29 Dollar. Zeitweise war das Papier in den Sog von Ebay geraten und verlor vorübergehend rund 9%. Kommenden Mittwoch sind die Quartalszahlen fällig. Die Angst davor - und die gestrigen sehr schwachen Einzelhandelsumsätze - hatte in den vergangenen Tagen den Aktienkurs einbrechen lassen.
Der Bereich Portale/Suchmaschinen und Content konnte sich besser schlagen. Google avancierte 4,1% auf 353,02 Dollar und kassierte damit wohl schon Vorschusslorbeeren für die nach Börsenschluss fälligen Quartalszahlen.
Der Möchtegern-Werbepartner Yahoo kletterte 10,6% auf 12,99 Dollar. Dort lebte die Übernahmefantasie wieder auf. Laut Bloomberg erklärte Microsoft, die Übernahme des Portalbetreibers mache ökonomisch noch immer Sinn, allerdings gäbe es keine konkreten Gespräche.
Baidu.com, Chinas Marktführer bei den Suchmaschinen, bröckelte 0,4% auf 226,30 Dollar. China ist zwar weit von den USA entfernt, die Wall Street glaubt aber, dass sich das Reich der Mitte schon mit den amerikanischen Problem infiziert hat.
Öl: Wie im Lehrbuch
Der Öl-Markt verhält sich derzeit wie im Lehrbuch. Der exorbitante Preisanstieg bis zum Sommer erzwang einen grundsätzlichen Verhaltenswandel bei den Verbrauchern. Seither ist Energiesparen schwer angesagt, sogar bei den als verschwenderisch geltenden Amerikanern. Die Folge ist eine rückläufige Energienachfrage in den USA, Europa und Japan. Kein Wunder, dass die Öl- und Benzin-Vorräte - wie etwa heute wieder gemeldet - kräftig klettern. Das wiederum drückt auf den Preis. Der Crude-Kontrakt für November plumpste heute an der New York Mercantile Exchange 4,69 Dollar, also 6,3%, auf 69,85 Dollar. Das ist der niedrigste Tagesschluss seit 23. August 2007, berichtet MarketWatch.
Gold: Im Abwärtssog der Rohstoffmärkte
Jetzt hat es auch das Gold erwischt. Das Edelmetall. das sich lange gegen den Abwärtssog der angeschlagenen Rohstoffmärkte wehrte, geriet heute auch in den Strudel. Dazu trug auch die Dollarstärke bei. Der Gold-Kontrakt für Dezember verlor heute 34,50 Dollar auf 804,50 Dollar. Zeitweise rutschte das Metall auf 791 Dollar, berichtet MarketWatch.
Die heutigen Konjunkturdaten waren bei der Bodensuche allerdings keine große Hilfe. Die wöchentlichen Arbeitslosenmeldungen verbesserten sich auf zwar 461.000 (Vorwoche: 477.000, Konsenserwartung: 470.000), die gleichzeitig gemeldete Industrieproduktion vom September enttäuschte aber mit einem Rückgang um 2,8% (der stärkste Rückgang seit 1974). Die Agenturen wiesen allerdings auf Sondereffekte hin, die die Zahlen verzerrten. Dazu zählte der Streik bei Boeing, der dort zu Produktionsausfällen führte. Außerdem wurde die Industrieproduktion durch die Hurricanes Gustav und Ike gestört. Die Wirbelstürme hatten den Output um 2,25 Prozentpunkte gesenkt, der Streik um 0,5 Prozentpunkte, rechnete der Infodienst Briefing.com vor. Belastend wirkte sich auch Rückgang des Minen-Outputs um 7,8% aus. Dort machte sich der Preisverfall bei den Rohstoffen (Kohle, Metalle) bemerkbar.
Schrecken aus Philadelphia
Einen Schrecken jagte der um 10:00 Uhr US-Ostküstenzeit (16:00 Uhr MEZ) veröffentlichte Stimmungsindex der Philadelphia Fed vom Oktober ein. Das bei Managern aus der Industrie in dieser Region ermittelte Umfrageergebnis brach scharf ein, nämlich auf minus 37,5 (September: plus 3,8). Die Volkswirte hatten nur mit einem Rückgang auf minus 10,0 gerechnet. Werte deutlich unter Null bedeuten, dass die Industrie im Ballungsgebiet kräftig schrumpft.
James B. Bullard, Präsident und CEO der Federal Reserve Bank of St. Louis, erklärte heute, dass er für das dritte Quartal, dessen Wachstumsrate Ende des Monats gemeldet wird, entweder Stagnation oder einen leichten Rückgang erwartet. Verantwortlich dafür sei aber nicht die Finanzkrise, sondern der noch bis August (also bis zur Quartalsmitte) erfolgte scharfe Anstieg der Öl- und anderer Rohstoffpreise in Kombination mit einem schwachen Arbeitsmarkt. Beides führte zu den krottenschlechten Einzelhandelsumsätzen, die gestern noch für Angst und schrecken gesorgt hatten. Der inzwischen begonnene Rückgang bei den Rohstoffpreisen könne daher den negativen Impuls wieder mildern, hieß es.
Das Inflationsgespenst verzieht sich
Das zeigen auch die heute bereits vor Börsenbeginn gemeldeten Inflationszahlen. Der Anstieg der Verbraucherpreise im September signalisiert die die ersten Anzeichen der Entspannung am Rohstoffmarkt. Die Verbraucherpreise blieben gegenüber dem Vormonat unverändert (August: minus 0,1%) und stiegen gegenüber dem Vorjahr um 4,9% (August: plus 5,4%). Die Kernrate - also ohne die volatilen Energie- und Nahrungsmittelpreise - stieg im September um 0,1% gegenüber dem Vormonat (August: plus 0,2%) und um 2,5% gegenüber dem Vorjahr (August: plus 2,5%). Da die Rohstoffpreise seither kräftig gefallen sind und die preistreibenden Effekte der Wirbelstürme auslaufen, dürfte die Inflationsrate im Oktober deutlich zurückgehen. Das wiederum entlastet Verbraucher und Unternehmen und wirkt wie eine Steuersenkung, also als ein zusätzliches Konjunkturprogramm.-
Die späte Rallye wurde daher heute auch vom Ölpreis angeregt, der unter die 70-Dollar -Marke fiel und sich gegenüber seinem Hoch vom Juli (147 Dollar) inzwischen mehr als halbierte. Das beflügelte Airlines und andere Transportwerte sowie den Einzelhandel, dessen Kunden mehr Geld zum Einkaufen bleibt.
Tauwetter auf dem Kreditmarkt
Gestützt wurde der Aktienmarkt auch von einer - wenn auch nur zögerlichen - Entspannung am Interbankenmarkt. Dort beginnen die Zinssenkungen der Notenbanken und die zahlreichen Rettugnspakete für die Banken allmählich zu wirken. Der Geldmarktsatz, also der Zins zu dem sich die Banken gegenseitig beleihen, geht endlich wieder zurück. Damit scheinen die eingefrorenen Kreditmärkte, das Lebenselixier der Wirtschaft, allmählich wieder aufzutauen.
Stützend wirkte auch die Tatsache, dass der Aktienmarkt - gemessen am repräsentativen S&P 500 - derzeit etwa das elffache der für das Gesamtjahr geschätzten Unternehmensgewinne kostet. Das ist der niedrigste Stand seit Juni 1985.
Dow Jones schwingt 800 Punkte
Der Dow Jones Industrial Average gewann 4,7 Prozent auf 8.979 Punkte, ein Swing von rund 800 Punkten gegenüber dem Tagestief. Der - für den breiten US-Aktienmarkt repräsentative - S&P 500 avancierte 4,3 Prozent auf 946 Punkte und der technologielastige Nasdaq Composite Index kletterte 5,5 Prozent auf 1.717 Punkte.
Dow Jones Average: Paradoxer Sieger
Tops:
Überraschung: Der Top des Dow heißt ausgerechnet Exxon Mobil, trotz des freien Falls des Ölpreises. Der Energieriese verteuerte sich 11,4% auf 69,45 Dollar. Der Branchenkollege Chevron gewann immerhin 5,2%. Beiden half die späte Rallye aus der Patsche. Die Energieriesen waren in den Vortagen stark unter Druck geraten. Gestern verlor der Energiesektor im S&P 15,5%. Heute beflügelten wohl Schnäppchenkäufe und die Hoffnung, dass die konjunkturelle Delle bald wieder überwunden ist. Davon dürfte auch deren Down-Stream-Geschäfte (also Raffinerien und Tankstellen) wieder profitieren.
Weniger überraschte der 2. Platz von Wal-Mart mit plus 9,1% auf 54,62 Dollar. Weil die Benzinpreise - und die Kosten der Lebensmittel ebenso - scharf fallen, bleibt den potentiellen Kunden mehr Geld zum Einkaufen.
Flops:
Der Flop des Dow war American Express. Der Kreditkartenriese gab nachrichtenlos 3,2% auf 23,64 Dollar ab.
Die Citigroup verlor 2% auf 15,90 Dollar. Der Finanzriese meldete heute einen Quartalsverlust von 2,82 Milliarden Dollar, dank weiterer Abschreibungen wegen der Finanzkrise. Gemessen am Wert der Vermögensbestände musste der Kreditkonzern den ersten Platz bei den US-Banken an den Rivalen JP Morgan abgeben.
S&P 500: Das Börsenspiel ersetzt Las Vegas
Tops:
Der breit gefasste S&P hatte heute eine ganze Reihe von glänzenden Sternen. Dazu zählten wieder viele Finanz-Titel, die von den Rettungsmaßnahmen beflügelt wurden.
Der angeschlagene Anleiheversicherer Ambac Financial explodierte 48% auf 2,66 Dollar, sein Rivale MBIA sprang 32% auf 9,00 Dollar.
Slm Corp. kletterte 24% auf 11,23 Dollar. Der Studentenfinanzierer, auch als Salli Mae bekannt, fällt schon seit längerem durch hektische Kursbewegungen. Das Kreditinstitut war in den Sog der Finanzkrise geraten und profitiert jetzt anscheinend ebenfalls von den staatlichen Rettungsmaßnahmen.
Bei vielen Werten beschwingten auch gute Gewinnzahlen.
Peabody Energy sprang 18% auf 28,68 Dollar. Der Kohleminenbetreiber, der vor allem Stromhersteller beliefert, meldete einen scharfen Gewinnanstieg wegen kräftiger globaler Nachfrage.
Nucor verteuerte sich 15,9% auf 31,79 Dollar. Der Stahlkonzern verkündete heute einen höheren Gewinn als erwartet.
Steel Dynamics sprang 22,7% auf 8,99 Dollar. Der Stahlverarbeiter, der an der Nasdaq gehandelt wird, schloss sich dem Reigen überraschend gute Quartalsgewinne an.
Hershey verbesserte sich 6,9% auf 35,24 Dollar. Der Schokoladenhersteller klagte zwar über die im 3. Quartal hohen Rohstoffpreise (Kakao, Zucker, Energie), konnte aber seinen Marktanteil stabilisieren.
Der Fall des Ölpreises unter die 70-Dollar-Marke beflügelte natürlich die Airlines: US Airways zog um 28% auf 6,78 Dollar an, AMR, die Mutter der American Airlines, klettert 22,9% auf 10,8 Dollar, Continental stieg 22,7% auf 15,75 Dollar
Auch die Einzelhandels-Titel profitierten von den implodierenden Rohstoffpreisen, weil die Verbraucher mehr Geld in den Taschen haben. Der Kaufhausbetreiber Macy´s sich 16% verteuerte auf 10,05 Dollar. Der Discounter Big Lots hüpfte 13% auf 22,68 Dollar und Family Dollar Stores, ebenfalls ein Discounter, avancierte 8,7% auf 25,46 Dollar.
Fallende Rohstoffpreise halfen auch den Aktien von Archer Daniels Midland, die sich um 10,8% auf 17,84 Dollar erhöhten. Das Unternehmen verarbeitet landwirtschaftliche Produkte und gewinnt etwa Pflanzenfette aus Ölsaaten oder stellt Süßmittel aus Mais her. Der Agrarverarbeiter wurde vom Aktienresearch der verblichenen Merrill Lynch (inzwischen bei der Bank of America untergekommen) von „Neutral“ auf „Kaufen“ aufgewertet. Das Kursziel beträgt 26 Dollar. Der starke Preisverfall bei den Rohstoffpreisen (Energie und Vorprodukte) fördere die Geschäfte von Archer, hieß es.
Flops:
Cit Group implodierte dagegen 38% auf 2,91 Dollar. Die Ratingagentur Moody`s dachte laut über eine Herabstufung der Ratings der Verbindlichkeiten des New Yorker Finanzdienstleisters nach. Dabei wurde auf die knappe Liquidität und die schlechte Qualität der Forderungen des Kreditkonzerns verwiesen.
Da die Wall Street zunehmend zu einem Glücksspiel mutiert, können sich die Spieler die Reise nach Las Vegas sparen. Jedenfalls senkte Goldman Sachs heute für den Casinobetreiber MGM Mirage das Kursziel von 32 Dollar auf 17 Dollar. Die Casinos bekommen zwar noch Kunden, die Leute spielen dort aber - wegen der aktuellen wirtschaftlichen Situation - weniger, hieß es. Konsequenz: MGM Mirage verlor 3,9% auf 14,40 Dollar. Der Rivale Las Vegas Sand gab 12,3% auf 11,83 Dollar ab. dort dampfte Goldman Sachs das Kursziel auf 25 Dollar ein (vorher: 60 Dollar).
Nasdaq: Auf Einkaufstour im Technoland
Die in den Vortagen schwer gebeutelte Nasdaq profitierte heute von Schnäppchenjägern. Der Philadelphia Semiconductor Sector Index, der 19 Halbleiter-Titel erfasst, gewann 4,4% auf 243,89 Punkte.
Besser schnitt der Softwarebereich ab: Microsoft plus 6,8% auf 24,19 Dollar und der SAP-Rivale Oracle plus 6,5% auf 16,99 Dollar.
Apple stieg 4% auf 101,89 Dollar. Der Smartphone-Rivale Research in Motion, Hersteller des BlackBerry, kletterte 6,3% auf 59,24 Dollar.
Internet: Krieg der Plattformen
Die an der Nasdaq notierten Flaggschiffe des Internets wurden vor allem von den bereits bekannten oder bald erwarteten Quartalszahlen getrieben. Ebay verlor 2,4% auf 14,97 Dollar. Zeitweise war das Papier um mehr als 10% abgerutscht. Der virtuelle Auktionator meldete gestern nach Börsenschluss mehr Gewinn als erwartet, senkte aber seinen Ausblick. So etwas kommt an der Wall Street grundsätzlich sehr schlecht an. Folglich wurde das E-Commerce-Papier heute von Investoren und Analysten abgestraft.
JP Morgan degradierte den Internetdienstleister von „Übergewichten“ auf „Neutral". „Die größte Herausforderung, die Ebay spürt, ist die vergleichsweise schwache („inferiore“) technologische Plattform. Das macht es für die Kalifornier schwierig mit anderen E-Commerce-Plattformen zu konkurrieren, etwa der von Amazon“, klagt die Bank. „Wenn es Ebay nicht gelingt, die Nutzer-Erfahrung zu verbessern, bleibt das Konzernwachstum auch dann schwach, wenn sich die Wirtschaft wieder erholt“.
Die Deutsche Bank bekräftigte ihre Verkaufsempfehlung und kappte ihr Kursziel auf 13 Dollar. Die Bank glaubt, dass die Aktie unter Druck bleibt. Die Geschäfts-Trends hätten sich seit September dramatisch verschlechtert, hieß es. Als Grund wurden strukturelle Probleme angeführt, etwa mangelnde Reinvestitionen und angehobene Gebühren für die Verkäufer, die die Ebay-Auktionsplattform nutzen.
Die Credit Suisse wertete Ebay von „Übergewichten“ auf „Neutral“ ab. Die UBS bleibt bei „Neutral“, korrigierte aber das Kursziel auf 17 Dollar (vorher: 18 Dollar).
Der Broker Piper Jaffray senkte von „Kaufen“ auf „Neutral“.
Der Broker Stifel Nicolaus & Co., senkte zwar seine Gewinnschätzungen und kürzte das Kursziel von 22 Dollar auf 20 Dollar, bleibt aber bei der Empfehlung „Kaufen“. Begründung: „Der Gegenwind, den das Unternehmen spürt, ist inzwischen mehr als eingepreist“.
Der Broker Sanford C. Bernstein schraubte das Kursziel von 31 Dollar auf 22 herunter. Der Broker Jefferies & Co dampfte das Kursziel 22 Dollar ein (vorher: 32 Dollar).
RBC Capital Markets korrigierte von 25 Dollar auf 21 Dollar ,
Barclays Capital von 22 Dollar auf 15 Dollar und Soleil von 25 Dollar auf 16 Dollar.
Der Rivale Amazon.com gewann 3,2% auf 50,29 Dollar. Zeitweise war das Papier in den Sog von Ebay geraten und verlor vorübergehend rund 9%. Kommenden Mittwoch sind die Quartalszahlen fällig. Die Angst davor - und die gestrigen sehr schwachen Einzelhandelsumsätze - hatte in den vergangenen Tagen den Aktienkurs einbrechen lassen.
Der Bereich Portale/Suchmaschinen und Content konnte sich besser schlagen. Google avancierte 4,1% auf 353,02 Dollar und kassierte damit wohl schon Vorschusslorbeeren für die nach Börsenschluss fälligen Quartalszahlen.
Der Möchtegern-Werbepartner Yahoo kletterte 10,6% auf 12,99 Dollar. Dort lebte die Übernahmefantasie wieder auf. Laut Bloomberg erklärte Microsoft, die Übernahme des Portalbetreibers mache ökonomisch noch immer Sinn, allerdings gäbe es keine konkreten Gespräche.
Baidu.com, Chinas Marktführer bei den Suchmaschinen, bröckelte 0,4% auf 226,30 Dollar. China ist zwar weit von den USA entfernt, die Wall Street glaubt aber, dass sich das Reich der Mitte schon mit den amerikanischen Problem infiziert hat.
Öl: Wie im Lehrbuch
Der Öl-Markt verhält sich derzeit wie im Lehrbuch. Der exorbitante Preisanstieg bis zum Sommer erzwang einen grundsätzlichen Verhaltenswandel bei den Verbrauchern. Seither ist Energiesparen schwer angesagt, sogar bei den als verschwenderisch geltenden Amerikanern. Die Folge ist eine rückläufige Energienachfrage in den USA, Europa und Japan. Kein Wunder, dass die Öl- und Benzin-Vorräte - wie etwa heute wieder gemeldet - kräftig klettern. Das wiederum drückt auf den Preis. Der Crude-Kontrakt für November plumpste heute an der New York Mercantile Exchange 4,69 Dollar, also 6,3%, auf 69,85 Dollar. Das ist der niedrigste Tagesschluss seit 23. August 2007, berichtet MarketWatch.
Gold: Im Abwärtssog der Rohstoffmärkte
Jetzt hat es auch das Gold erwischt. Das Edelmetall. das sich lange gegen den Abwärtssog der angeschlagenen Rohstoffmärkte wehrte, geriet heute auch in den Strudel. Dazu trug auch die Dollarstärke bei. Der Gold-Kontrakt für Dezember verlor heute 34,50 Dollar auf 804,50 Dollar. Zeitweise rutschte das Metall auf 791 Dollar, berichtet MarketWatch.
(© BörseGo AG 2007 - http://www.boerse-go.de, Autor: Maier Gerhard, Redakteur)