22. Juni 2009. Die fulminante Rallye scheint erst einmal vorbei zu sein. Am Markt ist Ernüchterung eingekehrt. Nicht wenige Börsianer sehen den DAX noch weiter fallen.
Nach den Rückschlägen in der vergangenen Woche fühlen sich viele Marktteilnehmer bestätigt: Ihrer Ansicht nach hatten sich die Börsen zuletzt zu weit von der Realwirtschaft entfernt. Jetzt heißt es abwarten, bis die Konjunkturdaten tatsächlich belastbar sind und eine echte Wende zum Besseren signalisieren. Ob die aktuellen Kurse zu halten sind, ist dabei aber noch nicht ausgemacht, hat doch der deutsche Aktienindex seit März immer noch Zuwächse von über 30 Prozent aufzuweisen.
Zum Wochenbeginn notiert der DAX bei 4.800 Punkten, das ist im Vergleich zum Handelsschluss am Freitag von knapp 4.840 Punkten ein leichter Verlust. Der Nikkei ist mit einem kleinen Gewinn in die neue Woche gestartet.
Konjunkturdaten zählen
In den kommenden Tagen werden abermals Konjunkturnachrichten den Takt angeben, für Deutschland etwa der ifo-Geschäftsklimaindex, für die USA die Auftragslage bei langlebigen Wirtschaftsgütern. Von der Sitzung der US-Notenbank wird zwar keine Zinsänderung erwartet, am Markt hofft man aber auf wichtige Hinweise bezüglich der künftigen Geldpolitik.
Porsche in der Klemme
Auf Unternehmensseite stehen kaum Neuigkeiten an. Ab heute gelten allerdings die Verschiebungen im SDAX: Der Finanzvertrieb OVB Holding und der Wettanbieter Tipp 24 sind aufgestiegen und ersetzen den Luxusmodekonzern Escada und das Immobilienunternehmen Vivacon. Außerdem wird das Interesse der Marktteilnehmer wieder einmal in Richtung Porsche gehen. Der "Süddeutschen Zeitung" zufolge will die KfW dem Sportwagenbauer keinen Kredit gewähren. Zudem gibt es Spekulationen um eine höhere Beteiligung von Qatar und einen möglichen Einstieg von Daimler. Da aber auch Daimler das Geld fehlt, gilt diese Option als eher unrealistisch.
DAX weiter im Rückwärtsgang?
Was den DAX angeht, ist Oliver Roth, Chefhändler bei der Close Brothers Seydler Bank, zumindest kurzfristig durchaus zuversichtlich. Er schließt für diese Woche steigende Kurse nicht aus. Bis auf 5.300 Punkte könne das deutsche Aktienbarometer noch klettern. Auf Sicht von sechs bis zwölf Wochen sieht er allerdings schwarz: "Die Börse muss sich wieder der Realwirtschaft annähern", meint er, und die mache derzeit wenig Hoffnung. Mindestens noch ein Jahr sieht er Deutschland in der Rezession. Die Arbeitslosenzahlen hätten ihren Anstieg noch vor sich, das werde mit einer Konsumschwäche einhergehen. ."Außerdem ist viel zu wenig Liquidität im Markt", urteilt Roth. Die Umsätze, die für die Hausse gesorgt haben, seien viel zu niedrig. Auf mittlere Sicht, das heißt für die kommenden Wochen bzw. Monate, prognostiziert er daher einen DAX-Stand von 4.100 bis 4.200 Punkten. Unter Umständen sei sogar ein Absinken auf 3.600 möglich.
Wirtschaft tief in der Rezession
Dirk Gojny, Chefvolkswirt der HSH Nordbank, sieht das ähnlich: Trotz zuletzt gedämpfter Stimmung notiert der DAX seiner Ansicht nach immer noch zu hoch. "Der Markt ist viel zu weit vorgeprescht", meint er. Einzelne Indikatoren würden überbewertet, das habe auch die Reaktion auf den Philadelphia Fed Index am vergangenen Donnerstag gezeigt. Der Index, der die Geschäftstätigkeit in der Region Philadelphia misst, hatte sich im Juni entgegen den Erwartungen deutlich erholt und den besten Wert der vergangenen neun Monate ausgewiesen. Gojny zufolge befindet sich die Wirtschaft aber immer noch tief in der Rezession. Frühestens in der zweiten Jahreshälfte 2010 würden die Unternehmensdaten wieder besser werden.
Treasury-Emissionsflut könnte Geld in Aktien lenken
Adäquat bewertet sieht Gojny den DAX bei 4.200 oder 4.400 Punkten. Allerdings könnten in dieser Woche umfangreiche Emissionen von Staatsanleihen in den USA für Unterstützung auf den Aktienmärkten sorgen: "Das Überangebot am Rentenmarkt könnte die Investorenströme in die Dividendentitel lenken", erklärt Gojny. In dieser Woche stehen Emissionen von US-Staatsanleihen im Volumen von über 100 Milliarden US-Dollar auf der Agenda.
Techniker skeptisch
Von technischer Seite bekommen Roth und Gojny Unterstützung: Rainer Sartoris, technischer Analyst bei HSBC Trinkaus & Burkhardt, ist ebenfalls pessimistisch - und das sogar kurzfristig. Er geht davon aus, dass der Verkaufsdruck noch steigen wird. In der vergangenen Woche sei der DAX zweimal bei dem Versuch gescheitert, die wichtige 200-Tages-Marke von 4.745 Punkten zu unterschreiten. "In der neuen Woche könnte der Angriff gelingen", meint Sartoris. Dann lägen wichtige Unterstützungspunkte bei 4.689 und 4.653 Punkten.
Wichtige Konjunkturtermine in dieser Woche
Montag, 22. Juni
10.00 Uhr. Deutschland: ifo-Geschäftsklimaindex Juni. Am Markt rechnet man mit 85 nach 84,2 Punkten, das wäre die dritte Verbesserung in Folge. Der Wert läge aber immer noch deutlich unter dem langfristigen Durchschnitt von 98,1. Der ifo-Geschäftsklimaindex gilt als wichtigstes Konjunkturbarometer in Deutschland. Zur Messung werden vom ifo-Institut für Wirtschaftsforschung in München monatlich 7.000 Unternehmen zur ihrer Einschätzung der Geschäftslage heute und auf Sicht von sechs Monaten befragt. Aus den Antworten leitet das ifo-Institut den Geschäftsklimaindex ab. Basis (100 Punkte) ist der Stand vom Januar 1991.
Mittwoch, 24. Juni
14.30 Uhr. USA: Aufträge langlebiger Wirtschaftsgüter Mai. Nach Einschätzung von HSBC Trinkaus & Burkhardt zeichnet sich nach den soliden Vormonatswerten im Mai ein leichter Rückgang von 0,3 Prozent gegenüber dem Vormonat ab.
20.15 Uhr. USA: Federal Reserve Bank Sitzungsergebnis. Der Leitzins wird aller Voraussicht nach unverändert bei 0 bis 0,25 Prozent bleiben. Mit Spannung werden indes die übrigen Aussagen der Fed erwartet. Die HSBC und auch die DekaBank gehen davon aus, dass die US-Notenbank ein Festhalten an ihrer Niedrigzinspolitik signalisieren wird.
Freitag, 26. Juni
14.30 Uhr. USA: Private Konsumausgaben und persönliche Einnahmen Mai. Erstmals seit drei Monaten könnte der Konsum von Gebrauchsgütern im Monatsvergleich wieder angestiegen sein, meint die DekaBank. "Dieser Bereich, der in den vergangenen Monaten ganz erheblich die wirtschaftliche Entwicklung gebremst hat, scheint sich wieder zu stabilisieren", heißt es. Das sei Folge einer durch die Steuererleichterungen verhältnismäßig guten Einkommensentwicklung.
Weitere Termine sowie die aktuellen Daten kurz nach ihrer Veröffentlichung finden Sie auf www.boerse-frankfurt.de/termine. Möchten Sie den Wochenausblick kostenlos per E-Mail erhalten, dann schreiben Sie einfach an redaktion@deutsche-boerse.com.
© 22. Juni 2009/Anna-Maria Borse
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)
AXC0061 2009-06-22/11:19