DJ BÖRSEN-AUSBLICK/DAX wird von der Realität eingeholt
FRANKFURT (Dow Jones)--Die Party ist erst einmal vorbei. Nach der fulminanten Erholungsrally, die den DAX Anfang Juni in Richtung 5.200 Punkten getragen hat, ist nun wieder die Ernüchterung eingekehrt. Die US-Arbeitsmarktdaten sind für den Monat Juni sehr viel schlechter als erwartet ausgefallen und haben Anlegern deutlich vor Augen geführt, dass diese Finanz- und Wirtschaftskrise noch lange nicht ausgestanden ist.
Auslöser für die DAX-Rally im März waren sich aufhellende Frühindikatoren, die aber bislang noch nicht durch "harte" Wirtschaftsdaten bestätigt worden sind. Um so größer ist nun die Enttäuschung nach den US-Daten. Der schwache Arbeitsmarktbericht dürfte nach Einschätzung von Jefferies tatsächlich für einige Zeit den Advokaten von Erholung und "Sprösslingen" den Winde aus den Segeln nehmen.
Damit nimmt die Unsicherheit unter Investoren über das zukünftige wirtschaftliche Wachstum wieder zu. Bislang hatten die Märkte eine tragfähige Belebung der Weltwirtschaft eingepreist, ausschließen lassen sich aber eine L-förmige "Erholung" oder gar ein W-Szenario nicht. Die neue Skepsis könnte sich schon bald in erhöhten Risikoprämien und einer wieder steigenden Volatilität wider spiegeln, die erst jüngst wieder auf das Niveau vor dem Zusammenbruch von Lehman Brothers gefallen war.
Auch die charttechnische Lage wird wieder kritisch. Im S&P-500 bildet sich eine Kopf-Schulter-Formation heraus, deren Nackenlinie derzeit bei 885 Punkten verläuft. Ein Bruch werde eine Flut von Stop-Loss-Verlusten nach sich ziehen, ist Jefferies überzeugt. Wenn man, wie in der klassischen Chartlehre, die Distanz zwischen Kopf und Schulter messe und dann von der Nackenlinie abziehe, ergebe das ein Ziel von 800/810 Punkten für die nächste Unterstützung.
Auch stellt sich mit dem Beginn der Berichtssaison in den USA in der kommenden Woche wieder die Bewertungsfrage an den Aktienmärkten. Nach der deutlichen Erholung seit März und angesichts des dramatischen Gewinneinbruchs der Unternehmen sind Aktien in der Zwischenzeit alles andere als günstig. Sollten die Zahlen für das zweite Quartal nun noch schlechter ausfallen als bereits befürchtet, treibe das die Bewertungen bei gleichbleibenden Kursen noch weiter in die Höhe.
Laut Berechnungen der DZ-Bank beträgt das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des DAX auf Basis der geschätzten Gewinne von 2009 derzeit 26, was im historischen Vergleich relativ hoch sei. Daraus könne der Schluss gezogen werden, dass die Gewinnschätzungen stärker gesunken seien als die Kurse. Allein vom KGV aus betrachtet dürfte die Luft für den Aktienindex nach oben begrenzt sein; nach unten bestehe hingegen Spielraum.
Einen längeren Zeithorizont hat die Deutsche Bank jüngst in einer Studie zu den Aussichten von Europas Börsen eingenommen. Die Analysten kommen dabei zu dem Ergebnis, dass sich die Aktienmärkte seit dem Platzen der größten Blase der Geschichte im Jahr 2000 in einem Bärenmarkt befinden. Selbst bei den März-Indexständen hätten die Bewertungen nur leicht unterhalb ihres langfristigen fairen Werts gelegen. Wie ein Blick in die Historie zeige, habe ein Bärenmarkt aber noch nie auf dem fairen Niveau, sondern erst bei sehr viel tieferen Notierungen einen Boden ausgebildet.
Natürlich bedeutet das nicht, dass man in einem Bärenmarkt kein Geld verdienen kann. Das hat die Rally von 2003 bis 2007 eindrucksvoll bewiesen. Deutlich zunehmen wird aber die Bedeutung eines aktiven Portfolio-Managements, da - wie die Kreditkrise gezeigt hat - traditionell als sicher geltende Diversifikationsstrategien nicht funktioniert haben. Das eröffnet aber auch Chancen für neue und unorthodoxe Ansätze.
-Von Manuel Priego Thimmel, Dow Jones Newswires; +49 (0)69 - 29 725 223, manuel.priego-thimmel@dowjones.com DJG/mpt/flf Besuchen Sie auch unsere Webseite http://www.dowjones.de
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July 03, 2009 06:28 ET (10:28 GMT)
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