DJ Börse Frankfurt/Hüfners Wochenkommentar: Bankenkrise - Der zweite Akt
31. Juli 2009. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Zu den erfreulichsten Unternehmensnachrichten in den letzten Tagen gehörten die der Banken. Goldman Sachs und JP Morgan erzielten im zweiten Quartal Rekordgewinne von über USD 3 Mrd. Aber auch Geschäftsbanken wie Citigroup und Bank of America schnitten gut ab. In dieser Woche berichtete die Deutsche Bank über einen Nachsteuergewinn von EUR 1,1 Mrd. im zweiten Quartal (67 % mehr als vor einem Jahr). Liegt jetzt auch bei den Banken der Tiefpunkt hinter uns? Können wir die Krise abhaken? Bevor man zu weitgehende Schlüsse zieht, sollte man sich die Zahlen, die jetzt veröffentlicht werden, etwas genauer anschauen. Die Erträge resultieren vor allem aus dem Investmentbanking, insbesondere dem Anleihe- und Aktiengeschäft. Hinzu kommen Gewinne aus dem Eigenhandel, wo wieder zunehmend ein großes Rad gedreht wird. In den traditionellen, relativ ertragsstabilen Geschäftszweigen wie dem Firmen- und Privatkundengeschäft geht es dagegen bescheidener zu. Hier wirken sich aber die gestiegenen Margen aus. Nicht zu vergessen ist schließlich, dass die Lockerung der Bewertungsvorschriften den Banken hilft. Insgesamt sind das viele Sonderfaktoren, aber noch kein ausgewogenes Gesamtgeschäft. Die Banken sind noch weit vom Normalzustand entfernt. Es wäre auch merkwürdig, wenn es anders wäre. Die schwerste Bankenkrise der letzten 80 Jahre dauert erst einmal gut zwei Jahre (nach den Erfahrungen der Vergangenheit muss man sich auf mindestens vier Jahre einstellen). Die Gesamtwirtschaft (also die Kunden der Banken) ist gerade dabei, die Rezession zu verlassen. In den USA sind im bisherigen Verlauf des Jahres 64 kleinere Banken geschlossen worden. Zwei größere Institute, der landesweit operierende Mittelstandsfinanzierer CIT und die texanische Geschäftsbank Guaranty Financial Group, sind derzeit im Gerede. Nicht zu vergessen auch, dass große Teile des Bankensystems nach wie vor am Tropf der staatlichen Rettungspakete hängen. Der Internationale Währungsfonds schätzt die gesamten Staatshilfen für die Banken auf USD 4.000 Mrd. Davon ist noch nicht einmal 1 % zurückbezahlt. Da kann man nicht erwarten, dass die Krise schon vorbei ist. Ihr Charakter hat sich allerdings verändert. Sie kommt in eine neue Phase. Die toxischen Papiere, die aus den amerikanischen Subprime-Krediten stammen, spielen keine so große Rolle mehr. Zum Teil wurden sie abgeschrieben. Zum Teil wurden sie aus den Bilanzen ausgegliedert und an andere verkauft (zum Beispiel an Hedge-Fonds). Es gibt auch keine größeren Liquiditätsprobleme mehr. Die Banken haben genug Geld und geben sich gegenseitig wieder Kredit, nur noch nicht so langfristig wie früher. Sie können sich auch wieder Eigenkapital am Kapitalmarkt besorgen. Die wirklichen Probleme der Banken liegen inzwischen woanders. Es sind erstens die Abschreibungen im Kreditgeschäft. Wenn in der Spätphase der Konjunktur die Insolvenzen steigen, dann kommen auf die Banken erhebliche Belastungen zu. Die Rating-Agentur Moody's schätzt die Wertberichtigungen in den USA auf USD 470 Mrd. in den Jahren 2009/2010. Im vergangenen Jahr waren dies nur USD 90 Mrd. In Europa dürften die Zahlen fast doppelt so groß sein, denn das Kreditgeschäft spielt hier eine viel größere Rolle. Hinzu kommen zweitens die Abschreibungen und Wertberichtigungen auf Anleihen und Kredite an Schwellenländer, insbesondere in Osteuropa. Hiervon sind europäische Banken (vor allem österreichische) erheblich mehr betroffen als amerikanische. Drittens fehlt es den Banken an den Reserven, um die-se Lasten zu schultern. An sich sind konjunkturelle Belastungen im Kreditgeschäft nicht ungewöhnlich. Die Banken sollten darauf vorbereitet sein. Das Problem ist, dass die Ausfälle diesmal größer sind und dass die Banken ihren Reserven in den letzten beiden Jahren verloren haben. Sie sind also besonders anfällig. Viertens: Was als große Last noch vor den Banken steht, sind die Anpassungen, wenn die Notenbanken die Liquidität auf den Märkten wieder einsammeln und die Zinsen erhöhen und wenn die Staaten die Hilfen für die Kreditwirtschaft zurückfordern. Das führt nicht nur zu einem Abfluss von Liquidität und Eigenkapital. Es müssen darüber hinaus auch Zinsen für diese Mittel bezahlt werden. Goldman Sachs hat nach Angaben der Financial Times Deutschland auf die USD 11,1 Mrd., die sie vom Staat für acht Monate bekommen hatten, eine Jahresrendite von 23 % gezahlt. Fünftens und vielleicht am wichtigsten: Vielleicht geht es den Banken einfach zu gut. Jedenfalls haben sie noch nicht angefangen, die Konsequenzen aus der Krise zu ziehen. Es wurden ein paar Sparmaßnahmen ergriffen, Arbeitsplätze abgebaut und Risikosteuerungssysteme verbessert. Die Grundprobleme wurden aber nicht angegangen. Die Risikoneigung auf den internationalen Märkten steigt wieder an. Nichts gegen hohe Risiken. Sie müssen jedoch durch entsprechendes Eigenkapital abgesichert sein. Sie dürfen nicht zu Lasten des Kundengeschäfts gehen. Und sie dürfen die Stabilität des Gesamtsystems nicht beeinträchtigen. Verändert worden ist auch noch nichts bei den Bonifikationen, jedenfalls nicht bei den Instituten, die keiner staatlichen Restriktion unterliegen. Es wurde auch noch nicht begonnen, das verloren gegangene Vertrauen bei den Kunden und in der Öffentlichkeit wieder aufzubauen. Die Werbung der Banken tut so, als habe es die Krise nie gegeben. In Deutschland sollten die Landesbanken neu geordnet werden; hier gibt es aber auch noch keine glaubwürden Ansätze. Das ist so nicht durchhaltbar. Ein "Weiter so", als sei nichts gewesen, geht nicht. Entweder die Banken reagieren und nehmen die notwendigen Reformen in Angriff. Oder die Regierungen - vielleicht auch neue Wettbewerber? - werden sie dazu zwingen. Oder es entsteht eine neue Blase, die irgendwann platzt. Das kurze Wetterleuchten bei den Aktien in China in dieser Woche sollte nachdenklich machen. Für den Anleger Die Krise ist noch nicht zu Ende. Seien Sie daher vorsichtig mit Bankaktien. Sie werden nicht so schnell wieder auf das alte Niveau kommen. Gehen Sie ferner davon aus, dass die Konjunktur durch die Probleme im Bankensektor weiter gebremst wird. Die Kreditklemme ist nicht nur Ausdruck einer konjunkturellen Schwächephase. Sie spiegelt auch die anhaltende Eigenkapitalknappheit der Banken wider. Schließlich: Im Bankensektor stehen - freiwillig oder unfreiwillig - noch erhebliche Veränderungen bevor. © 31. Juli 2009/Martin Hüfner Dr. Martin W. Hüfner ist Chief Economist bei Assenagon Asset Management S.A. Er war viele Jahre Chefvolkswirt beziehungsweise Senior Economist bei der HypoVereinsbank und der Deutschen Bank. In Brüssel leitete er den renommierten Wirtschafts- und Währungsausschuss der Chefvolkswirte der Europäischen Bankenvereinigung. Hüfner schreibt für große internationale Zeitungen wie die Neue Züricher Zeitung oder die Schweizer Finanz und Wirtschaft sowie für große Zeitungen in Deutschland. Er ist Autor mehrerer Bücher, u. a. "Europa - Die Macht von Morgen" und "Comeback für Deutschland". Disclaimer Die nachfolgenden News werden Ihnen direkt von der Redaktion von boerse-frankfurt.de bereitgestellt. Die hierin enthaltenen Angaben und Mitteilungen sind ausschließlich zur Information bestimmt. Keine der hierin enthaltenen Informationen begründet ein Angebot zum Verkauf oder die Werbung von Angeboten zum Kauf eines Wertpapiers.
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July 31, 2009 11:30 ET (15:30 GMT)