10. September 2009. Roger Peeters beschäftigt sich mit der Bundestagswahl und deren möglichen Folgen für die Märkte.
Der von allen Beobachtern doch eher als langweilig eingeordnete Bundestagswahlkampf scheint auf den Zielgeraden durchaus noch einmal an Spannung zu gewinnen. In einer Mitte der Woche veröffentlichten Umfrage des Instituts Forsa gelang den extremen Kräften am linken Rand ein massiver Sprung. Gegenüber der Umfrage in der Vorwoche konnte die Linkspartei um satte vier Prozentpunkte (anders gesagt um 40 Prozent!) von zuletzt 10 Prozent auf nunmehr 14 Prozent zulegen. Damit wäre die Linkspartei gemeinsam mit der FDP drittstärkste Kraft in Deutschland.
Mit dem massiven Anstieg der linken Kräfte ist die von vielen schon als sicher geglaubte schwarz-gelbe Mehrheit noch mal deutlich unsicherer als sie in den vergangenen Wochen ohnehin schon geworden ist. Zusammen 49% kommt das schwarz-gelbe Lager in der Umfrage auf den nunmehr schlechtesten Wert seit der 2. Januarwoche. Der Abstand vom Schwarz-Gelb zum Rot-Rot-Grünen Lager, das gemeinsam auf 45% kommt, beträgt somit noch 4 Punkte, wobei das Momentum zurzeit klar gegen die Bürgerlichen geht.
Wer unser Land nun also demnächst regiert, ist offener denn je. Von schwarz-gelb über eine Fortsetzung der großen Koalition bis hin zu einem der möglichen Dreierbündnisse (Jamaika, Ampel oder auch rot-rot-grün) sollte man als aufmerksamer Beobachter mittlerweile nichts mehr ausschließen. Sowohl als Bürger und Wähler als auch als Anleger. Andererseits kann man sich auch auf nichts einstellen, eben weil man nichts weiß.
Wohl genau deshalb agieren Börsianer momentan ausgesprochen gelassen. Just an dem Tage, als der rasante Anstieg der Linkspartei in der Wählergunst publik wurde, erklomm der deutsche Aktienmarkt gemessen am DAX ein neues Jahreshoch. Es fällt schwer, in dieser Korrelation noch eine Kausalität festzustellen, zumal die Linkspartei aus ihrer Ablehnung gegenüber dem Kapitalmarkt keinen Hehl macht. Wer auf den Wahlplakaten die Börse als "Casino" verunglimpft und zugleich auffordert, dieses zu schließen, muss sich zumindest nicht nachsagen lassen, mit verdeckten Karten zu spielen.
Nun sollte man zwischen Wahlkampfrhetorik und realer Politik unterscheiden, auch im Falle einer Rot-Rot-Grünen Koalition (die momentan alle beteiligten Kräfte ausschließen, aber da gibt es ironischerweise gerade im Land Hessen, dem Standort der Deutschen Börse, genug Erfahrung um hier skeptisch zu sein). Auch eine solche Regierung würde nicht die Börse und die freie Wirtschaft durch eine "DDR reloaded" ersetzen, doch gibt es klare Bestrebungen, den Kapitalmarkt drastisch und nachhaltig zu verändern. Eine insbesondere in ihrer Höhe ausgesprochen bemerkenswerte Börsenumsatzsteuer, welche massive Konsequenzen für Anleger und kapitalsuchende Unternehmen hätte, etwa wird ja nun mal von allen linken Kräften propagiert.
Nun sind Prognosen auch nur Prognosen und Fakten sehen wir am Wahlabend des 27. September. Doch eines sollte jedem Anleger klar sein: Die momentanen Verhältnisse und Trends bergen eine reale Gefahr für den Kurszettel. Zwar sind Schwarz-Gelb oder auch eine Fortführung der großen Koalition noch am wahrscheinlichsten und würden den Markt eher wenig tangieren. Doch käme es zu einer dunkelroten Überraschung, dürften die Märkte kaum so gelassen reagieren wie zuletzt.
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© 10. September 2009/Roger Peeters
*Roger Peeters ist Vorstand der Close Brothers Seydler Research AG, einer Tochter der Frankfurter Wertpapierhandelsbank Close Brothers Seydler Bank. Zuvor leitete Peeters viele Jahre die Redaktion der "Platow Börse" und beriet den von ihm konzipierten DB Platinum III Platow Fonds. 2008 erschien von ihm 'Finde die richtige Aktie - ein Profi zeigt seine Methoden' im Finanzbuchverlag. Peeters schreibt regelmäßig für die Börse Frankfurt.
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)
AXC0096 2009-09-10/14:06