Berlin (BoerseGo.de) - Unter den Finanzinvestoren steigt die Furcht, dass Spanien im Gleichschritt mit dem vom Kollaps bedrohten Eurozone-Land Griechenland im Schuldensumpf versinkt. Das "Handelsblatt" nimmt dazu in einem Interview mit dem Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer konkret Bezug. Dieser sieht in der griechischen Schuldenkrise ein für die Europäische Union zu bewältigendes Problem. Er glaubt im Gegensatz zu einigen renommierten Ökonomen an kein Auseinanderbrechen der Währungsunion. Die Währungsunion stelle ein politisches Projekt dar und resultiere aus dem Prozess der politischen Einigung Europas nach zwei Weltkriegen. Ein derartiges Vorhaben könne wegen ökonomischer Probleme nicht aufgegeben werden. Jedoch schließe er auch eine Situation mit einem Zusammenbruch der Währungsunion nicht aus. Derartiges könne geschehen, wenn sich die Währungsunion zu einer Transferunion oder Weichwährungsunion entwickelt. In einer Transferunion würden die Steuerzahler eines Landes permanent zu Kasse gebeten, da andere über ihre Verhältnisse leben. Über ihre Verhältnisse lebten die Griechen. Deshalb müsse nun die EU Staatshilfen von strikten Bedingungen abhängig machen. Der Erfolg Griechenlands bei der im April und Mai anstehenden notwendigen Schuldenrefinanzierung im Volumen von 25 Milliarden Euro hänge davon ab, ob es gelingt Vertrauen unter Investoren wieder herzustellen. Der jüngste EU-Gipfel habe dies nicht geschafft.
Der Maastricht Vertrag über Stabilität und Wachstum sei der aktuellen Griechenland-Krise nicht gewachsen, da der Pakt nicht davon ausgegangen ist, dass ein Land die Zahlen zur Staatsverschuldung fälscht. Gefordert sei daher ein Instrument zum Krisenmanagement. Mayer habe Vorschläge zur schonenden Abwicklung einer Staatspleite erarbeitet. Er empfiehlt dabei die Gründung eines Fonds der im Fall einer Pleite die Forderungen an das betreffende Land erwirbt. Ein solcher Fonds müsse die Befugnis haben, an das betreffende Land Auflagen zur Führung seiner Staatsbilanzen zu stellen. Im übrigen bestehe die Notwendigkeit zur Aufspannung eines Sicherheitsnetzes. Das Problem um Griechenland dürfte sich zu einer langen Geschichte entwickeln. Auch vor der Erklärung der Zahlungsunfähigkeit durch Argentinien im Jahr 2002 sei ein langer Prozess vorausgegangen.
Weiters müsse Spanien seine Fähigkeit zur Anpassung unter Beweis stellen und den Märkten eine glaubwürdige Strategie vermitteln. Auch Portugal ringe seit Jahren mit seinen Finanzen. Über dieses Land könne die EU möglicherweise noch Garantien abgeben, aber Spanien müsse zeigen, dass es imstande ist auf eigenen Beinen zu stehen. In dieser Hinsicht gebe es von ihm keinen Pessimismus. Falls auch Spanien Garantien durch die EU erfordert, würden ebenso Deutschland und Frankreich langsam in die Knie gehen. Positiv zu Spanien sieht Mayer die vergleichsweise niedrige Staatsverschuldung. Diese liege deutlich unter jener von Deutschland. Die Banken das Landes seien infolge einer funktionierenden Bankenaufsicht von der Krise weitgehend verschont geblieben. Bis zur Krise habe Spanien eine saubere Fiskalpolitik gemacht und die Spanier hätten in der Vergangenheit bewiesen, dass sie bereit sind auf wirtschaftspolitische Ziele zuzusteuern.
Im übrigen sei es in der Finanzkrise notwendig gewesen, dass der Staat Schulden übernommen hat. Die große Depression habe gezeigt, dass das System untergeht wenn keiner rettend einspringt. Nun gelte es die Schuldenlasten über Einsparungen abzubauen. Das Jahr 2009 sei trotz aller Kritik ein enormer und einzigartiger Erfolg der internationalen Wirtschaftspolitik gewesen. Er erwartet mit dem Auslaufen der Stimuluspakete zwar eine Wachstumsabschwächung, aber keinen Rückfall in die Rezession, da ausreichend Selbstheilungskräfte in Gang gesetzt worden sind. Gleichzeitig schließe er einen Rückfall im Falle eines neuen Schocks wie etwa einer Staatspleite auch nicht aus. Es werde jedoch alles getan, um ein solches Desaster zu vermeiden.
Wenn Griechenland tatsächlich pleite geht könnte es möglicherweise ein zweites Lehman Brothers geben. Eine Herabstufung von Griechenland durch Moody's hätte katastrophale Folgen, zumal Moody's das Land als einzige Agentur noch mit einem A-Rating bewertet. Falls dies wegfällt würden Banken nicht mehr über die Möglichkeit verfügen, griechische Staatsanleihen als Sicherheit bei der Europäischen Zentralbank zu hinterlegen. Dann würden nicht einmal mehr die Banken griechische Staatsanleihen kaufen. Das System erfordere jedoch eine Änderung. Es sei nicht gerechtfertigt, dass eine einzige Ratingagentur über derart viel Macht verfügt und darüber Einfluss hat, ob die EZB ein Wertpapier als Sicherheit akzeptiert oder nicht. Experten hätten bereits die Forderung erhoben, dass die EZB selbst die Staaten ratet. Er sei überzeugt, dass derartiges einmal kommt. Außerdem benötige die Eurozone einen Prozessmechanismus, um Staaten geordnet in die Pleite gehen zu lassen, führte der Experte weiter aus.