DJ Kommentar der Financial Times Deutschland zu Karstadt - vorab31.5.2010
Vorteil für die Bösen Was kann man von Goldman Sachs schon Gutes erwarten? Die US-Investmentbank steht derzeit für alles Schlechte der Finanzwelt: ein Konzern, der unkontrolliert und skrupellos Gewinne einfährt, auf Kosten der Allgemeinheit und manchmal auch auf Kosten der eigenen Kunden. Ausgerechnet dieser Konzern soll nun Karstadt retten. Das von Goldman geführte Konsortium Highstreet gilt jedenfalls als Favorit im Bieterwettbewerb um die Warenhauskette. Und so paradox es klingt: Die Karstadt-Mitarbeiter sollten hoffen, dass Highstreet den Zuschlag bekommt. Natürlich sind Goldman Sachs und seine Partner auch in diesem Fall keine altruistischen Wohltäter. Ihnen geht es vor allem darum, ihre Investitionen zu retten. Highstreet gehören rund zwei Drittel der 120 Karstadt-Immobilien - und ohne das Handelsunternehmen als Mieter würden die Häuser leer stehen. Diese Katastrophe muss das Konsortium vermeiden. Das Überleben von Karstadt wäre nur ein Nebeneffekt. Doch genau dieses essenzielle Eigeninteresse macht Highstreet zum besten Bieter für Karstadt und seine Beschäftigten. Niemand braucht den Weiterbetrieb so sehr wie Goldman. Das Konsortium hat am meisten zu verlieren und ist deshalb gezwungen, die Warenhauskette irgendwie am Leben zu halten. Im Vergleich zu dem, was für Highstreet auf dem Spiel steht, gehen die übrigen Bieter nur ein geringes Risiko ein. Der Finanzinvestor Triton etwa will zunächst 100 Mio. E Eigenkapital einbringen und in den kommenden fünf Jahren dann noch einmal bis zu 400 Mio. E investieren. Doch dass das gesamte Geld fließt, ist keineswegs sicher. Wenn Karstadt nach zwei Jahren wieder pleite ist, könnte Triton das Unternehmen zerstückeln und die Einzelteile weiterverkaufen, ohne dabei viel zu verlieren. Highstreet dagegen muss darauf achten, dass möglichst alle seine Immobilien belegt bleiben, kann also nur im Paket verkaufen. Auch strategisch spricht vieles für das Konsortium. Es hat durch Goldman nicht nur mehr Geld in der Hinterhand als die übrigen Bieter, sondern mit dem italienischen Kaufhausbetreiber Borletti auch einen Partner, der sich in der Branche auskennt. Zwar verweist auch der Investor Nicolas Berggruen auf einen Partner, den amerikanischen Modedesigner Max Azria. Doch Azria kennt das europäische Geschäft nicht, ist hier bisher kaum vertreten. Es ist wenig wahrscheinlich, dass ausgerechnet dieses unerfahrene Tandem die Wende schafft, die Generationen vor ihm nicht geschafft haben. Das gilt umso mehr für das vierte Angebot des russischen Unternehmers Artur Pachomow, das offenbar nicht einmal Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg ernst nimmt. Kommt Highstreet zum Zug, dürften für die Karstadt-Mitarbeiter harte Zeiten anbrechen. Sie sollen länger arbeiten und auf Geld verzichten. Doch verglichen mit dem verlängerten Siechtum, das dem Konzern als Alternative droht, scheint das auch für sie die bessere Lösung zu sein.
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May 30, 2010 13:39 ET (17:39 GMT)
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