DJ Kommentar der Financial Times Deutschland zum Bahnstreik - vorab 10.03.2011
Bahnstreik - Die Lokführer laufen Amok Ausstände sind legitime Mittel, um Tarifforderungen durchzusetzen. Was derzeit jedoch die Lokführergewerkschaft GdL betreibt, hat mit berechtigtem Streik nichts mehr zu tun. Sie nimmt ein ganzes Land als Geisel, um die eigenen Lohnforderungen durchzusetzen. Mit der von ihr systematisch betriebenen Eskalation hat sie das Recht verwirkt, noch als ernsthafter Gesprächspartner betrachtet zu werden. Die Bahn und die Politik sind nun gefragt, um schweren Schaden von der Volkswirtschaft abzuwenden. Die GdL hat zwar schon häufiger den Schienenverkehr lahmgelegt und Millionenschäden verursacht. Doch diesmal hat der Arbeitskampf eine andere Qualität. Denn die Forderung der Gewerkschaft richtet sich gar nicht an die Deutsche Bahn, die am meisten vom Streik betroffen ist: Die Lokführer verlangen einen Branchentarifvertrag etwa in Höhe der derzeitigen Bahn-Gehälter. Dagegen haben nur die kleineren Bahn-Konkurrenten etwas. Diese zu bestreiken aber würde kaum Aufsehen erregen, deshalb muss nun die Deutsche Bahn daran glauben. Wenn das Schule macht, werden Lkw-Fahrer bald alle Autobahnen blockieren, nur um gegen Radarkontrollen in Ravensburg zu demonstrieren. Zudem: Es gibt ja in der Bahnbranche bereits ein einheitliches Tarifsystem. Darauf haben sich die Unternehmen mit der großen Eisenbahnergewerkschaft EVG geeinigt. Die abgespaltene GdL will dem nur nicht zustimmen, weil sie fürchtet, ihre Existenzberechtigung zu verlieren. Mit einem Arbeitskampf hat das nichts zu tun. Das ist ein Amoklauf. Die Bahn sollte sämtliche juristischen Möglichkeiten prüfen, um diesen Streik zu stoppen. Auch früher haben Gerichte schließlich überzogene und falsch begründete Arbeitskämpfe untersagt. Darüberhinaus ist aber nun die Politik gefragt. Sie könnte das Streikrecht dahingehend korrigieren, dass solche Generalblockaden nicht mehr möglich sind. Und sie könnte prüfen, ob sie nicht den Nah- und Güterverkehr zur öffentlichen Daseinsvorsorge erklärt, weil diese essentiell für die Volkswirtschaft sind - und dann Streiks verboten wären. Denn dass eine Kleinstgewerkschaft die Mobilität eines ganzen Landes blockieren kann, hat mit legitimem Arbeitskampf nichts mehr zu tun. Dagegen muss das Land sich wehren.(END) Dow Jones Newswires
March 09, 2011 13:46 ET (18:46 GMT)