
DJ Kommentar der Financial Times Deutschland zu Merkel/Atompolitik -vorab 16.3. 2011
Ohne Konzept Wenn die Erde bebt und Atomkraftwerke außer Kontrolle geraten, suchen Menschen nach Orientierung, nach Halt und Sicherheit. Auch und gerade in Deutschland. Sie sollten danach aber nicht bei der Bundesregierung suchen. Die Koalition führt gerade eindrucksvoll vor, dass ihr gesamtes bisheriges politisches Handeln von Beliebigkeit geleitet war statt von Prinzipien. Innerhalb von nur zwei Tagen nimmt Schwarz-Gelb nicht nur sein bisheriges Vorzeigeprojekt Atomlaufzeitverlängerung zurück, sondern beerdigt auch noch gleich die Zusammenlegung von Bundeskriminalamt und Bundespolizei. Da fällt inzwischen kaum noch auf, dass zudem die groß angekündigte Sanierung des Bundeshaushalts und der Umbau der Bundeswehr wackeln. Dass die Bundesregierung sich so leicht von so vielen einst - von ihr selbst - hoch gepriesenen Projekten verabschiedet, zeigt: Hinter diesen Projekten steht kein verbindender Gedanke, kein übergeordnetes Konzept. Die Bundeswehrreform wurde geboren aus reinem Sparzwang, nicht aus einer sicherheitspolitischen Idee. Die Polizeireform war der Spleen eines einzelnen Ministers und die Laufzeitverlängerung eine ideologische Altlast, deren Umsetzung ohne große interne Debatte durchgepeitscht wurde. Das Ergebnis: Die Unionsparteien befinden sich zehn Tage vor der wichtigen Landtagswahl in Baden-Württemberg in einer verzweifelten Lage: Das wenige, was sie zusammenhielt und woran sie zu erkennen waren, haben sie plötzlich verloren - erst ihr emotionaler Fixpunkt namens Guttenberg, jetzt der letzte ideologische, die Laufzeitverlängerung. Parteien steht es frei, ihre Ansichten zu ändern. Die plötzliche Abkehr der Union von der Kernkraft geschieht aber viel zu atemlos und unbegründet, als dass sie nachvollziehbar und glaubwürdig wäre. Angela Merkel galt zwar noch nie als jemand, der von großen Konzepten geleitet wird. Doch zumindest galt sie bislang als gute Krisenmanagerin. Selbst dieser Ruf ist nun in Gefahr. [www.guj.de] G+J Wirtschaftsmedien GmbH & Co. KG Am Baumwall 11 20459 Hamburg G+J Wirtschaftsmedien GmbH & Co. KG | Sitz: Hamburg, Amtsgericht Hamburg HRA 92810 | Komplementärin: G+J Wirtschaftsmedien Beteiligungs GmbH | Sitz: Hamburg, Amtsgericht Hamburg HRB 70371 | Geschäftsführer: Ingrid M. Haas, Dr. Bernd Buchholz |(END) Dow Jones Newswires
March 15, 2011 14:24 ET (18:24 GMT)
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