Auch nach der Reaktorkatastrophe in Japan setzen Länder wie Polen, Tschechien oder die Slowakei auf Atomkraft. "Ich sehe keinen Grund, einer medialen Hysterie zu verfallen", sagt der tschechische Ministerpräsident Petr Necas. Der polnische Regierungschef Donald Tusk fordert eine sachliche Debatte, der gesunde Menschenverstand dürfe nicht ausgeschaltet werden. Auch in Ungarn und Rumänien ist die Atomkraft kein politisch-emotionales Thema wie in Deutschland.
TSCHECHIEN: Die Regierung zeigt sich überzeugt, dass die Atomanlagen in Tschechien sicher sind. Es wäre ein billiges Manöver, jetzt die Öffentlichkeit zu beunruhigen, denn ein Tsunami drohe in Tschechien bekanntlich nicht, meinte Regierungschef Necas jüngst. Die Atomsicherheitsbehörde sagte der Nachrichtenagentur dpa, dass das umstrittene AKW Temelin Erdstöße bis 5,5 auf der Richterskala überstehen könne. "Im Kraftwerk ist ein Erdbeben-Überwachungssystem installiert, das mit dem Kontrollraum verknüpft ist", sagte AKW-Sprecher Marek Svitak. Temelin soll auch weiter ausgebaut werden. Der Betreiber CEZ wolle bis spätestens 2013 mit dem Bau von zwei neuen Reaktorblöcken beginnen.
POLEN: Ministerpräsident Tusk forciert seit seinem Amtsantritt 2007 den Einstieg in die Atomenergie. Mit dem Bau des ersten Atomkraftwerks will die Regierung 2016 beginnen, 2020 soll es ans Netz gehen. Bis 2030 soll dann das zweite AKW entstehen. Als bevorzugter Standort gilt Zarnowiec nordwestlich von Danzig. Unter den im Parlament vertretenen Parteien herrscht Konsens über die Notwendigkeit eines Atomeinstiegs. Auch die Gemeinden, die sich um den AKW-Zuschlag bewerben, sehen darin eine gute Entwicklungschance und hoffen auf viele Arbeitsplätze. Tusk argumentiert, Polen liege nicht in einer erdbebengefährdeten Zone.
SLOWAKEI: In dem traditionell atomenergiefreundlichen Land sind derzeit an den beiden AKW-Standorten Jaslovske Bohunice und Mochovce jeweils zwei Reaktoren in Betrieb. Zwei weitere Reaktoren in Mochovce sollen bis 2012/2013 fertiggestellt werden. Zwei Reaktoren eines älteren Atomkraftwerks in Jaslovske Bohunice wurden dagegen Ende 2006 beziehungsweise 2008 gemäß einer Klausel im EU-Beitrittsvertrag (2004) geschlossen. Bisher haben weder der Kraftwerksbetreiber Slovenske elektrarne noch die Regierung oder die Atomaufsicht ein Umdenken in der Energiestrategie aus Sicherheitsgründen auch nur angedeutet.
UNGARN: 100 Kilometer südlich von Budapest liegt das einzige Atomkraftwerk des Landes in der Kleinstadt Paks. Seit Ende der 90er Jahre gibt es Planungen für zwei neue Reaktoren, seit 2009 liegt dazu ein Parlamentsbeschluss vor. Die Umsetzung stockt indes, weil offenbar das Geld fehlt - die ungarischen Elektrizitätswerke wollen dazu Kredite aufnehmen und ausländische Investoren heranziehen, auch Siemens war im Gespräch. 2003 ereignete sich in Paks ein Störfall bei der Reinigung von Brennelementen. Die Radioaktivität in der Umgebung stieg leicht über das normale Limit, 2007 wurden die Schäden beseitigt. In Ungarn gibt es immer wieder leichte Erdbeben, deshalb wurde das Kraftwerk in den 90er Jahren modernisiert und, wie es heißt, erdbebensicher gemacht.
RUMÄNIEN: Das einzige Kernkraftwerk des Landes liegt in Cernavoda, etwa 165 Kilometer östlich von Bukarest. Es wurde zwischen 1982 und 2007 erbaut. Zwar besteht politisch Einigkeit darüber, das AKW um zwei weitere Reaktoren zu erweitern, allein es fehlt das Geld. Dramatische Störfälle hat es in Cernavoda bisher nicht gegeben. Allerdings ist Rumänien erdbebengefährdet - freilich lange nicht so stark wie Japan. Das letzte verheerende Erdbeben mit bis zu 2000 Toten gab es 1977, betroffen war vor allem Bukarest und der Süden des Landes; ein ähnlich schweres Beben erschütterte Rumänien 1940.
BULGARIEN: Das Land hält trotz der Tragödie in Japan vorerst am Atomkraftwerksprojekt Belene fest. Energieminister Trajtscho Trajkow forderte allerdings vom russischen Hersteller "zusätzliche Garantien" für die beiden 1000-Megawatt-Reaktoren. Zugleich signalisierte der Minister einen Plan B. Danach könnte ein zweites Atomkraftprojekt an der Donau für unbestimmte Zeit auf Eis gelegt werden, und der erste der beiden in Russland bestellten Reaktoren im bestehenden AKW Kosloduj eingesetzt werden./hei/lep/el/kl//DP/tw
AXC0187 2011-03-16/14:01