München (ots) - "Am deutschen Wesen soll die Welt genesen", so hieß es einmal, aber das ist längst versunken im tiefen Brunnen der Vergangenheit. Nur unsere Neigung zu einem deutschen Sonderweg, zum Ausstieg aus dem Konsens mit der Moderne, ist geblieben. Sie ist dem romantischen Hang der Deutschen geschuldet, die Welt lieber nach unseren Vorstellungen und weniger in ihrer Realität sehen zu wollen. Mit der Sofortabschaltung von sieben Kernkraftwerken und in dem nun in allen Parteien gefassten Entschluss, ganz aus der friedlichen Nutzung der Kernkraft auszusteigen, steht Deutschland isoliert und alleine da. Dass Sonne und Wind in ihrer Unregelmäßigkeit kaum Ersatz bieten können, sondern dass dazu auch neue Kohlekraftwerke mit ihrem bekannten klimaschädigenden CO2-Ausstoß notwendig sind, lässt die deutsche Entscheidung aus Sicht des Auslandes recht verantwortungslos erscheinen. Auf der ganzen Welt gibt es über 500 Kernkraftwerke und künftig werden es mehr werden. Unsere Politiker und die Fachleute der Energiewirtschaft wissen auch ganz genau, wohin der deutsche Alleingang führen muss: zum verstärkten Import von Energie und Atomstrom. Da trifft es sich gut, dass in dieser Woche der Bayerische Ministerpräsident Seehofer in Moskau mit Wladimir Putin auf eine starke Energiepartnerschaft mit den Russen angestoßen hat. Das stimmt dort jeden freundlich, denn man hat ja schon im Gasgeschäft mit Deutschland gute Erfahrungen gemacht. Jetzt wollen die Russen über 20 neue Atommeiler bauen, um noch mehr Öl und Gas nach Deutschland exportieren zu können. Da sind sich der Neuökologe Seehofer und der Atommeilerbauer Putin einig. Was solche Energielieferungen bedeuten können, davon kann der Energieriese Eon ein Lied singen. Dessen Tochtergesellschaft Ruhrgas hat mit den Russen sogenannte "Jahrhundertverträge" abgeschlossen, die Eon verpflichten, Gas in Mengen und zu Preisen abzunehmen, die heute nicht mehr den Weltmarktverhältnissen entsprechen. Da die Russen auf Vertragstreue beharren, muss Eon schon heute Milliardenverluste aus diesem Geschäft verbuchen. Da haben sich halt Ruhrgas-Manager verkalkuliert - kommt ja vor im Wirtschaftsleben. In diesem Fall aber könnte der Druck auf Eon so groß werden, dass es den Russen den lang erstrebten direkten Zugang zum deutschen Endverbraucher öffnen könnte. Aber ganz gleich woher wir künftig Energie beziehen, unsere Einfuhrabhängigkeit wird zu höheren Kosten für die Haushalte und Wettbewerbsnachteilen für die deutsche Industrie führen. Und nicht weniger, sondern mehr Kernenergiewerke werden vor unserer Tür entstehen. Deren Sicherheit bestimmen dann nicht mehr wir mit deutscher Ingenieurkunst und unserem hohen Sicherheitsstandard. Die Welt hebt einfach nicht an zu singen bei deutschen Zauberworten wie Atomausstieg - sie schüttelt den Kopf über uns und sie reibt sich die Hände - in der Hoffnung auf gute Geschäfte. tz-Verleger Dirk Ippen
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