BERLIN (Dow Jones)--Deutschland kann nach Einschätzung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) 2011 in etwa das Wachstumstempo des Vorjahres halten. "Die deutsche Konjunktur wird ... auch 2011 kaum an Fahrt verlieren", heißt es in der aktuellen, am Mittwoch in Berlin veröffentlichten DIW-Konjunkturprognose.
Trotz einer leichten Abkühlung im zweiten Quartal haben die DIW-Experten ihre Prognose für das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2011 deutlich auf plus 3,2% erhöht. Im April hatte das DIW noch ein Wachstum von 2,7% im laufenden Jahr erwartet. 2012 werde sich das Wachstum zwar verlangsamen, aber immer noch 1,8% erreichen. Zuvor hatten die Berliner Forscher mit einem BIP-Anstieg von 1,4% in 2012 gerechnet.
"Motor des Wachstums sind nach wie vor die Exporte, doch auch von den inländischen Investitionen gehen starke Impulse aus", sagte DIW-Konjunkturchef Ferdinand Fichtner. Aufgrund der günstigen Arbeitsmarktlage und steigender Löhne dürfte der Aufschwung aus DIW-Sicht zudem mehr und mehr auch beim privaten Konsum ankommen.
Obwohl sich die Weltwirtschaft leicht abkühlen dürfte, rechnen die DIW-Experten kaum mit daraus resultierenden Beeinträchtigungen der deutschen Ausfuhren. Die deutsche Exportwirtschaft könne durch ihre Spezialisierung auf hochwertige Industriegüter im Wettbewerb punkten. Das DIW rechnet mit einem Anstieg der deutschen Exporte um 9,6% im laufenden und um 8,1% im kommenden Jahr.
Die hohe Spezialisierung und technologische Kompetenz dürften die Exportwirtschaft auch vor den Folgen eines etwaigen Anstiegs des Eurokurses schützen, denn die Nachfrage nach hochwertigen Industriegütern dürfte auch bei einem Preisanstieg nur wenig sinken. "Selbst bei einem anhaltend starken Euro kann weiterhin mit einer kräftigen Exportnachfrage gerechnet werden", erläuterte DIW-Kuratoriumsvorsitzender Bert Rürup.
Das starke Wirtschaftswachstum verbessere auch die Situation auf dem Arbeitsmarkt weiter. Der spürbare Beschäftigungsaufbau setze sich bis ins kommende Jahr fort. Im Jahresschnitt dürfte die Zahl der Erwerbstätigen im laufenden Jahr bei 40,990 Millionen Personen und im kommenden Jahr bei 41,269 Millionen Personen liegen. Die Arbeitslosigkeit sinke weiter auf im Schnitt 2,968 Millionen Personen in 2011 und dann 2,846 Millionen Personen in 2012. Das DIW erwartet einen kräftigen Anstieg der Löhne im laufenden, vor allem aber im kommenden Jahr.
Die privaten Konsumausgaben dürften sich laut DIW 2011 und 2012 jeweils um 1,8% erhöhen. Den Verbraucherpreisanstieg sehen die DIW-Experten im laufenden Jahr bei 2,4% und im kommenden Jahr bei 1,8%. Bei den Ausrüstungsinvestitionen erwarten die DIW-Forscher einen Anstieg um 14,4% im Jahr 2011 und um 7,4% im kommenden Jahr.
Die Lage der Staatsfinanzen wird sich laut DIW bereits im laufenden Jahr wegen der guten Konjunktur deutlich besser darstellen als bisher erwartet. "Im Ergebnis wird sich in diesem Jahr das öffentliche Defizit nach Einschätzung des DIW auf 1,7% des nominalen Bruttoinlandsprodukts fast halbieren und im nächsten Jahr unter die Ein-Prozent-Marke (auf 0,9% des BIP) fallen", heißt es in der DIW-Prognose.
Pläne für Steuersenkungen lehnen die DIW-Experten ab. Die verbesserte Haushaltslage sei weniger auf Konsolidierungserfolge als vielmehr die gute Konjunktur zurückzuführen. "Jetzt die Steuern zu senken ist angesichts der hohen öffentlichen Verschuldung, der Vorgaben der Schuldenbremse, aber auch angesichts zukünftiger Belastungen zum Beispiel für die Euro-Rettung oder die Energiewende, kaum zu verantworten", sagte Fichtner.
Die europäische Geldpolitik sehen die DIW-Forscher weiter vor Herausforderungen. Die Euroländer drifteten in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung zurzeit auseinander. Der Ausblick für Griechenland sei düster. Die Europäische Zentralbank (EZB) sei somit in einer sehr schwierigen Situation. "Die derzeitige Geldpolitik ist allenfalls für die südeuropäischen Mitgliedsländer der Währungsunion angemessen, nicht aber für die übrigen Länder, in denen deutlich höhere Zinsen angebracht wären", sagte Fichtner.
Zudem habe die Glaubwürdigkeit der EZB während der Euro-Schuldenkrise gelitten. "Die EZB wäre gut beraten, sich wieder auf die Sicherung der Preisstabilität zu konzentrieren und sich aus der Rettung der südeuropäischen Krisenländer etwas mehr herauszuhalten", sagte der DIW-Konjunkturexperte Fichtner weiter.
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July 06, 2011 05:00 ET (09:00 GMT)
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