(NEU: Reaktionen von Bankvolkswirten ab sechstem Ansatz) Von Hans Bentzien DOW JONES NEWSWIRES
FRANKFURT (Dow Jones)--Das Wirtschaftswachstum in Deutschland hat sich im zweiten Quartal unerwartet deutlich abgekühlt und war auch im ersten Jahresviertel nicht ganz so dynamisch wie bisher abgenommen. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) am Dienstag in einer ersten Veröffentlichung mitteilte, stieg das Bruttoinlandsprodukt (BIP) gegenüber dem Vorquartal preis-, saison- und kalenderbereinigt um 0,1%. Die von Dow Jones Newswires befragten Volkswirte hatten einen Zuwachs von 0,4% prognostiziert.
Darüber hinaus war das Wachstum im ersten Quartal mit 1,3% nicht ganz so stark wie bisher mit angenommen (1,5%). Den aktuellen Berechnungen zufolge und aufgrund weiter zurück reichender Revisionen hat das BIP entgegen bisherigen Annahmen noch nicht wieder das vor der Finanz- und Wirtschaftskrise verzeichnete die Niveau erreicht. Gegenüber dem Vorjahreszeitraum stieg das BIP im zweiten Quartal um 2,8% (kalenderbereinigt: plus 2,7%), nachdem es im ersten Quartal um 4,7% zugelegt hatte.
Wie Destatis weiter mitteilte, kamen positive Impulse im zweiten Quartal von den Exporten und den Investitionen. Die Importe stiegen allerdings kräftiger als die Exporte. Dieser starke Anstieg habe einerseits einen vermehrten Vorratsaufbau, andererseits aber einen negativen Außenbeitrag bewirkt. Auch die privaten Konsumausgaben und die Bauinvestitionen bremsten demnach die deutsche Wirtschaft. Die Wirtschaftsleistung wurde im zweiten Quartal von 41,0 Millionen Erwerbstätigen erbracht. Das waren 553.000 Personen bzw. 1,4% mehr als ein Jahr zuvor.
Im Rahmen einer alle fünf Jahre stattfindenden großen Revision der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ergaben sich außerdem für die vergangenen Jahre neue BIP-Veränderungsraten. Demnach stieg das BIP 2010 um 3,6%, nachdem bisher ein Anstieg von 3,5% angegeben worden war. Für 2009, 2008 und 2007 gab Destatis revidierte Veränderungsraten von minus 5,15 (bisher: minus 4,7%), plus 0,8% (plus 0,7%) und plus 3,4% (plus 2,8%) an.
Bankvolkswirte konzentrierten sich in ihren Kommentaren hauptsächlich auf die Frage, wie sich die deutsche Wirtschaft angesichts zahlreicher Risiken nicht zuletzt von den Finanzmärkten weiter entwickeln wird.
"Derzeit scheinen die starken wirtschaftlichen Grundlagen noch schwerer zu wiegen als die von den Marktentwicklungen ausgehende Stimmungseintrübung", urteilte ING-Volkswirt Carsten Brzeski. Er verwies darauf, dass die Aktienmarktentwicklung in Deutschland in den vergangenen Jahren kein durchgängig guter Vorlaufindikator der Wirtschaftsentwicklung gewesen sei. "Allerdings zeigt die Erfahrung von 2008, dass auch die deutschen Unternehmen schnell ihr Vertrauen verlieren und Investitionen nach hinten verschieben können", warnte er.
Alexander Krüger, Chefvolkswirt des Bankhauses Lampe, möchte sich an einer neuen Rezessionsdiskussion nicht beteiligen. "Wir haben an der Datenfront nicht wirklich Hinweise darauf, dass wir von einer Wachstumsabschwächung in eine Rezession kommen", sagte er. Zwar hätten sich die Einkaufsmanagerindizes enttäuschend entwickelt, aber der ifo-Index sei weiter "gut". Mit Blick auf die Eurozone glaubt Krüger, dass die nun zu erwartende Wachstumsabschwächung die Europäische Zentralbank (EZB) von weiteren Zinserhöhungen abhalten wird - "mindestens bis zum Frühjahr".
-Von Hans Bentzien, Dow Jones Newswires, +49 (0)69 29725 300, Hans.Bentzien@dowjones.com DJG/hab/mle
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August 16, 2011 02:57 ET (06:57 GMT)
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