23. März 2012. Die Abkehr von sicheren Bundesanleihen war nur von kurzer Dauer: In dieser Woche zeigen sich Anleger wieder risikoscheuer. Unternehmensanleihen gehen allerdings weg wie warme Semmel.
Nach dem deutlichen Anstieg der Renditen von Bundesanleihen in der Vorwoche hat am Montag eine Konsolidierung eingesetzt. "Die Skepsis der Investoren, die sich in den vergangenen Wochen offenbar an robuste Wirtschaftsdaten gewöhnt hatten, wurde durch unerwartet schwache Konjunkturzahlen ausgelöst", erklärt die Helaba und verweist auf den rückläufigen chinesischen HSBC-Einkaufsmanagerindex und enttäuschende Einkaufsmanagerindizes in der Eurozone. Die "sicheren Häfen" Bundesanleihen waren wieder gesucht, Risikoaufschläge für spanische und italienische Anleihen kletterten nach oben.
Der Euro-Bund-Future, der Anfang der Woche noch deutlich unter 136 Punkte notiert hatte, holte im Wochenverlauf wieder auf und liegt heute zum Wochenende bei 137,27 Prozent. Für zehnjährige Bundesanleihen erhalten Anleger aktuell nur noch 1,92 Prozent, am Mittwoch wurde noch ein Dreimonatshoch von 2,07 Prozent markiert
Lieber Pizza als Gyros
Die neuen griechischen Anleihen, die Gläubiger nach dem Schuldenschnitt erhalten haben, finden unterdessen wenig Anhänger. "Es wird durchweg verkauft", berichtet Gregor Daniel von der Walter Ludwig Wertpapierhandelsgesellschaft. "Anleger haben offenbar von Griechenland so die Nase voll, dass sie sogar lieber zum Italiener als zum Griechen essen gehen." Bonds, etwa die mit einer Fälligkeit 2023 (WKN A1G1UA), 2030 (WKN A1G1UH) und 2041 (WKN A1G1UU) haben jedenfalls schon deutlich an Wert verloren: Zum Beispiel wird das bis 2023 laufende Papier, das am ersten Handelstag zu knapp 29 Prozent über den Tisch ging, jetzt unter 26 Prozent gehandelt.
Solarworld im Abwärtssog
Abermals gen Süden ging es im Bereich der Unternehmensanleihen für Solarworld (WKN A1CR73), wie Rainer Petz von Close Brothers Seydler meldet. Das Papier hat damit seit Mitte Januar rund 40 Prozent an Wert verloren. Deutsche Solarunternehmen leiden im Moment unter dem harten internationalen Preiskampf und Förderkürzungen. Zwar hat Solarworld zusammen mit anderen Unternehmen in den USA Anti-Subventionszölle gegen chinesische Produkte durchgesetzt, diese fielen aber deutlich niedriger aus als erwartet. Zudem machte das Bonner Unternehmen bei der Vorlage der schlechten Zahlen für 2011 am gestrigen Mittwoch wenig Hoffnung auf Besserung.
Abstimmung bei Praktiker
Luft anhalten ist derweil bei Praktiker angesagt. Die kriselnde Baumarktkette drängt Anleihegläubiger zum Zinsverzicht: Statt 5,875 Prozent sollen Anleger für die bis 2016 laufende Schuldverschreibung nur noch 1 Prozent erhalten. Die erste Abstimmung dazu findet zwischen dem 22. und dem 25. März statt. Nach dem dramatischen Absturz Anfang März konnte sich die Anleihe (WKN A1H3JZ) etwas erholen, notierte zuletzt aber wieder schwächer.
Gefragt war Daniel zufolge hingegen eine auf brasilianische Real lautende KfW-Anleihe (WKN A1K0WU) sowie das bis 2014 laufende Papier von Air Berlin (WKN AB100C). "Nach den schlechten Zahlen in der Vorwoche legte Air Berlin aufgrund des Beitritts zum Luftfahrtbündnis One World zu." Gleichzeitig hätten sich Anleger von einer Anleihe der Deutschen Telekom (WKN A0DW8D) getrennt. "Da wurden Gewinne mitgenommen." Rege Umsätze mit einem leichten Verkaufsüberhang hat der Händler außerdem bei einem Papier der GFK Capital (WKN A0JCC9) registriert.
Hochtief, Daimler, Fresenius und Otto mit Neuemissionen
Unterdessen brummt das Emissionsgeschäft. "Kaum war in punkto Griechenland die Katze aus dem Sack, da kam es zu einer wahren Flut an Neuemissionen", erläutert Klaus Stopp von der Baader Bank. Viele Vorstände seien offenbar der Meinung, die Karte "Corporates sind die besseren Staatsanleihen" spielen zu können.
Stark nachgefragt war etwa eine Neuemission des Essener Baukonzerns Hochtief (WKN A1MA9X), wie Händler berichten. Die Anleihe läuft fünf Jahre, der Kupon beträgt 5,5 Prozent, die Mindeststückelung 1.000 Euro. Gregor Daniel verweist auf eine neue Anleihe von Daimler (WLN A1MLXN): Bei der dritter Bondemission in diesem Jahr konnte der Autobauer bis 2019 einen Betrag von 750 Millionen Euro in einer für Privatanleger freundlichen Mindeststückelung von 1.000 Euro zu 2,625 Prozent aufnehmen.
Rege Nachfrage
Petz meldet eine Neuemission von Fresenius mit Laufzeit bis 2019 und Nominalzins von 4,5 Prozent (WKN A1G2YN). "Zwar ist der Kupon nicht mehr ganz so interessant, Fresenius gehört aber zu den Lieblingen der Anleger." Seit heute im Handel sei eine Anleihe des Versandhändlers Otto (WKN A1MLOL), wie Petz weiter berichtet. Das Papier, das 2017 fällig wird, bietet einen Kupon von 4,625 Prozent, die Stückelung ist mit 1.000 Euro kleinanlegerfreundlich. "Die Nachfrage war gut."
Golfino: Sehr gut angenommen
Sehr erfolgreich verlief im Segment der Mittelstandsanleihen die Emission des Golfmodeanbieters Golfino (WKN A1MA9E). Die "Liebhaberemission", wie Petz sie bezeichnet, war gleich am ersten Zeichnungstag verkauft. Die Anleihe bietet bei einer Laufzeit von 5 Jahren einen Kupon von 7,250 Prozent. Eyemaxx-Anleihe in der Zeichnung
Bis zum 5. April kann noch die Anleihe der Eyemaxx Real Estate (WKN A1MLWH) gezeichnet werden, die ebenfalls im Entry Standard für Unternehmensanleihen der Börse Frankfurt gehandelt werden soll. Das Papier bietet eine Nominalverzinsung von 7,75 Prozent bei einer Laufzeit bis 2017. Das Unternehmen gehört zu den führenden Entwicklern und Betreibern von Fachmarktzentren, vor allem in Osteuropa, die Anleihe ist von Creditreform mit BBB+ bewertet. Das im vergangenen Jahr begebene Papier des Unternehmens (WKN A1K0FA) mit einem Kupon von 7,5 Prozent wird aktuell zu 101 Prozent gehandelt, das ergibt eine Rendite von 7,1 Prozent.
Insolvenz im Segment der Mittelstandsanleihen
Dass der hohen Rendite der Mittelstandsanleihen auch das entsprechende Risiko gegenüber steht, verdeutlicht das Beispiel von Siag Schaaf. Der Windkraftzulieferer hat am Montag dieser Woche beim Amtsgericht Montabaur Insolvenzantrag gestellt. Das Papier (WKN A1KRAS), das Ende Februar noch zu rund 100 Prozent gehandelt wurde, kostet derzeit nur noch 7,50 Euro.
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© 23. März 2012 / Anna-Maria Borse
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)
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