Von Benjamin Krieger
DOW JONES NEWSWIRES
FRANKFURT (Dow Jones)--Ein rabenschwarzer Tag war es für die internationalen Finanzmärkte. In den Niederlanden ist die Regierung an der Haushaltspolitik zerbrochen, in Frankreich ging die erste Runde der Präsidentschaftswahlen an den Sozialisten Francois Hollande, die Eurozone rutscht immer tiefer in die Rezession und auch in China verlangsamt sich das Wachstum. Das waren einfach zu viele Hiobsbotschaften. Die Optimisten an den Märkten warfen das Handtuch. Europaweit brachen die Aktienkurse ein.
Der DAX büßte 3,4 Prozent auf 6.523 Punkte ein. Das ist der niedrigste Stand seit dem 31. Januar. Und zugleich war es der größte Tagesverlust seit dem Ausverkauf am 6. März. Nur in Mailand und Stockholm gaben die Kurse noch stärker nach als am deutschen Markt. Das Malheur begann schon am frühen Morgen mit schwachen Ergebnissen einer Umfrage unter Chinas Einkaufsmanagern. Der DAX eröffnete daraufhin bereits mehr als ein Prozent leichter.
Es folgten noch schlechtere Einkaufsmanager-Indizes aus der Eurozone. Der Index für das verarbeitende Gewerbe fiel sogar auf den tiefsten Stand seit drei Jahren. "Beunruhigend an den Daten ist, dass sich die Einschätzung in allen Ländern verschlechtert. Nicht nur in der Peripherie, sondern auch in Deutschland", sagte Ralf Zimmermann vom Münchener Vermögensverwalter Döttinger Straubinger. "Aufgrund der strukturellen Probleme in der Eurozone wird jedwede Konjunkturerholung zäh verlaufen", lautete die düstere Prognose des Anlagestrategen.
Die Aktien weiteten im Verlauf des Handels ihre Verluste immer mehr aus. Erst rutschte der DAX unter die 6.700er Marke, wenig später fiel auch die Marke von 6.600 Zählern. Erst bei 6.500 Punkten, also nach einem Verlust von 250 Punkten, wagten sich im späten Handel wieder zaghaft Käufer an den Markt und verhinderten einen noch stärkeren Einbruch.
Die Schuldenkrise hat einen langen Atem
Politische Börsen haben kurze Beine, lautet eine alte Weisheit. Doch die Schuldenkrise in der Eurozone hat einen langen Atem und sie hat die Finanzmärkte fest im Griff. Dieser Griff verstärkte sich am Montag noch. Nach dem Scheitern der Gespräche über ein Sparpaket reichte der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte seinen Rücktritt ein. Zugleich erklärte auch das Regierungskabinett den Rücktritt. In Amsterdam brachen daraufhin vor allem die Aktien der Finanzkonzerne ein. Aegon verloren 6,7 Prozent und ING 6,1 Prozent. Es droht eine Abstufung des Ratings der Niederlande.
Ungemach droht aus Börsensicht auch aus Frankreich. Dort hat der Sozialist François Hollande die erste Runde der Präsidentschaftswahlen für sich entschieden. Seine Ankündigungen kommen an den Märkten nicht gut an. Hollande hat unter anderem massive Steuererhöhungen für Besserverdienende und neue Verhandlungen über den Fiskalpakt in der EU gefordert. In Paris verlor der Leitindex CAC-40 2,8 Prozent. Auch hier standen die Bankenaktien unter Druck: BNP-Paribas, Credit Agricole und Societe Generale verloren 4 Prozent und mehr.
Die politischen Ereignisse in Frankreich und den Niederlanden schüren Sorgen, dass der Fiskalpakt der EU zunehmend in Frage gestellt werden könnte. Marco Wagner von der Commerzbank sprach von einer "Feuerprobe" für den Pakt zur Meisterung der Schuldenkrise. Auch die Rabobank fand deutliche Worte: "Das Nichteinhalten der Defizitziele durch ein Kernland stellt eine massive Entwertung des Vertrags dar".
Europaweit büßten Banken im Schnitt 3 Prozent ein. In den kommenden Wochen veröffentlichen Europas Geldhäuser ihre Quartalsergebnisse. Dass es um die Branche nach wie vor nicht gut bestellt ist, zeigen täglich von der Europäischen Zentralbank publizierte Zahlen. Demnach haben Europas Banken jüngst 775,65 Milliarden Euro bei der EZB "geparkt", statt sich die Liquidität untereinander auszuleihen. Von Vertrauen also trotz üppiger Liquiditätsspritzen der Zentralbank nach wie vor keine Spur.
Die US-Notenbank soll es wieder ausbügeln
Im ebenfalls schuldengebeutelten Italien ist das Vertrauen der Konsumenten auf den niedrigsten Stand aller Zeiten eingebrochen. An der Mailänder Börse ging es um 3,8 Prozent nach unten. "Die Optimisten werden nun darauf setzen müssen, dass die Federal Reserve im Verlauf der Woche wieder Hoffnungen auf geldpolitische Lockerungen schürt", sagte Chris Beauchamp von IG Index in London. Andernfalls dürfte es in den kommenden Tagen weitere Kursverluste geben.
Des eines Leid, des andern Freud. Während Aktien auf breiter Front einbrachen, gab es bei Bundesanleihen erneut kein Halten auf dem Weg nach oben. Der Bund-Future als marktführender Kontrakt auf Bundesanleihen stieg den dritten Handelstag in Folge auf ein neues Rekordhoch. Angesichts der steigenden Anlagerisiken in der überschuldeten Eurozone setzen Anleger auf sichere Bundespapiere, auch wenn diese mittlerweile negative Renditen abwerfen.
Unter Druck geriet der Euro, wenn auch nicht so stark wie die Aktienmärkte. Handelte der Euro zum Dollar im Asien noch über 1,32 Dollar, so gab die Gemeinschaftswährung im Tagestief bis auf 1,3105 Dollar nach. Gesucht war unter den großen Währungen vor allem der als vergleichsweise sichere Devise geltende japanische Yen, der zum Euro und zum Dollar zulegen konnte.
Nestlé setzt auf Expansion und Philips auf die Trendwende
Nestlé baut die Marktführerschaft im Bereich Babynahrung mit einem Milliardenkauf aus. Für 11,85 Milliarden US-Dollar übernehmen sie das Babynahrungsgeschäft des US-Pharmakonzerns Pfizer. 2011 erzielten die Amerikaner damit Erlöse von rund 2,1 Milliarden Dollar. Nestle ist bereits Marktführer bei Säuglingsmilch.
"Der Preis erscheint hoch, wirkt sich aber schon im ersten Jahr positiv auf den Gewinn je Aktie aus", meint Analyst Patrick Schwendimann von der Zürcher Kantonalbank, der die hohen Margen des Geschäfts lobte. Die Aktie verzeichnet zwar einen Verlust von 2,8 Prozent bzw. 1,60 Franken. Der ist aber ausschließlich dem Dividendenabschlag von 1,95 Franken zuzuschreiben.
Philips entzogen sich mit einem Plus von 3,3 Prozent dem Abwärtssog. Der niederländische Elektronikkonzern hat Umsatz und Gewinn im ersten Quartal deutlich gesteigert. Dank besserer Margen blieb von den Umsätzen unterm Strich auch wieder mehr hängen. Die Analysten von Kepler loben die Margenentwicklung, die zuvor über mehrere Quartale hinweg enttäuscht hatte.
.=== . Index Schluss- Entwicklung Entwicklung Entwicklung . stand absolut in % seit . Jahresbeginn Europa Euro-Stoxx-50 2244,83 -66,44 -2,9% -3,1 . Stoxx-50 2377,65 -47,39 -2,0% 0,3 . Stoxx-600 251,75 -6,04 -2,3% 2,9 Frankfurt XETRA-DAX 6523,00 -227,12 -3,4% 10,6 London FTSE-100 5665,57 -106,58 -1,8% 1,7 Paris CAC-40 3098,37 -90,21 -2,8% -1,9 Amsterdam AEX 301,27 -7,93 -2,6% -3,6 Athen ATHEX-20 269,75 -5,93 -2,2% 1,8 Brüssel BEL-20 2191,40 -54,91 -2,4% 5,2 Budapest BUX 17125,37 -385,64 -2,2% 0,9 Helsinki OMXH-25 1983,60 -60,21 -2,9% 2,1 Istanbul NAT30 72235,51 243,56 +0,3% 17,1 Kopenhagen OMXC-20 454,98 -8,00 -1,7% 16,7 Lissabon PSI 20 5190,97 -86,93 -1,7% -7,1 Madrid IBEX-35 7040,60 -194,00 -2,8% -20,1 Mailand FTSE-MIB 13849,55 -552,23 -3,8% -8,2 Moskau RTS 1572,88 -46,65 -2,9% 13,8 Oslo OBX 378,56 -11,27 -2,9% 5,9 Prag PX 914,00 -11,20 -1,2% 0,3 Stockholm OMXS-30 1007,32 -48,41 -4,6% 2,0 Warschau WIG-20 2167,13 -54,78 -2,5% 1,1 Wien ATX 2022,25 -44,58 -2,2% 6,9 Zürich SMI 6114,83 -122,96 -2,0% 3,0 DEVISEN zuletzt +/- % Mo, 8.00 Uhr Fr, 22.15 Uhr EUR/USD 1,3134 -0,37% 1,3183 1,3220 EUR/JPY 106,5708 -0,53% 107,1409 107,7628 EUR/CHF 1,2019 0,01% 1,2018 1,2016 USD/JPY 81,1265 -0,17% 81,2650 81,5350 GBP/USD 1,6111 0,03% 1,6107 1,6138 .===
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April 23, 2012 12:40 ET (16:40 GMT)
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