ARD und ZDF wollen nicht mehr für die Verbreitung ihrer Programme durch die großen Kabelnetzbetreiber zahlen und haben die Verträge gekündigt. Das Umfeld habe sich geändert, weshalb die Zahlung von Einspeisegebühren nicht länger zu rechtfertigen sei, begründeten ARD und ZDF die Kündigung. Die Verträge mit Kabel Deutschland, Unitymedia und Kabel BW laufen nun per Ende des Jahres aus.
"Die Einspeisegebühr ist historisch überholt", erklärte ZDF-Intendant Thomas Bellut. Die Regelung stamme aus der Zeit, als die ehemalige Bundespost die Infrastruktur mit Unterstützung der Programmveranstalter aufgebaut habe, so die Intendantin des für die ARD in dieser Frage federführenden MDR, Karola Wille. "Eine Alimentierung aus den Gebührentöpfen der Rundfunkanstalten ist nicht mehr marktgerecht."
Überraschend kommt die Kündigung nicht - ARD und ZDF hatten bereits vor einiger Zeit damit gedroht. ZDF-Intendant Bellut sagte, bereits beim Abschluss der jetzt gekündigten Verträge im Jahr 2008 habe das ZDF erklärt, es werde nach Ablauf nicht mehr weiter für die Kabelverbreitung seiner Programme zahlen. Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten habe "dementsprechend für die Gebührenperiode ab 2013 auch keine Finanzmittel für die Kabelverbreitung der ZDF-Angebote für die Gebührenbemessung kalkuliert".
Die Kommission besteht aus 16 unabhängigen Sachverständigen, die von den Ministerpräsidenten der Bundesländer jeweils für die Dauer von fünf Jahren berufen werden.
"Wir haben gleichlautende Schreiben bekommen", sagte Kabel-Deutschland-Sprecherin Insa Calsow auf Dow-Jones-Anfrage mit Blick auf entsprechende Pressemitteilungen der Sender. Kabel Deutschland hofft dennoch weiter auf eine Einigung. "Dass die Verhandlungspositionen zu Beginn weit auseinanderliegen, ist normal", sagte Calsow. "Wir sind zuversichtlich, dass wir eine Einigung erzielen." Ob es schon einen Termin für die Gespräche gibt, wollte die Sprecherin nicht sagen. Unitymedia und Kabel BW waren kurzfristig nicht für einen Kommentar zu erreichen.
Kabelnetzbetreiber wie Kabel Deutschland sind rechtlich verpflichtet, die Angebote der öffentlich-rechtlichen Sender in ihr Angebot einzuspeisen. Dieses "must carry"-Prinzip bedeute aber auch "must pay", hatten Vorstandschef Adrian von Hammerstein und Finanzvorstand Andreas Siemen bei der Bilanzpressekonferenz des Unternehmens Mitte Juni in München betont.
Nach Angaben von Sprecherin Calsow hat sich an dieser Einschätzung nichts geändert. Dagegen sehen die öffentlich-rechtlichen Sender die Kabelnetzbetreiber auch ohne die Zahlung von Einspeisegebühren verpflichtet, diese und die Digitalsender einzuspeisen: "Das wird auch ohne Gebühr so sein", sagte ein ZDF-Sprecher auf Anfrage.
Ob, wie in der Presse spekuliert, im Zweifelsfall die Bildschirme schwarz bleiben, wenn nicht rechtzeitig eine Lösung erzielt wird, wollten von Hammerstein und Siemen damals nicht sagen. Traditionell würden solche Verträge in letzter Minute, also am 30. Dezember, geschlossen.
Kabel Deutschland nimmt nach eigenen Angaben pro Jahr 100 Millionen Euro durch Einspeiseentgelte ein. Davon entfallen 27 Millionen Euro auf die öffentlich-rechtlichen Sender. Zum Vergleich: Alles in allem belief sich der Umsatz im abgelaufenen Geschäftsjahr auf 1,7 Milliarden Euro.
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June 25, 2012 13:05 ET (17:05 GMT)
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