Von Steffen Gosenheimer
Das bislang mit großer Spannung erwartete Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtmäßigkeit des europäischen Rettungsschirms ESM hat nach Ansicht der Commerzbank (CoBa) stark an Bedeutung verloren. Nach der Verkündung von unlimitierten Käufen von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank (EZB) am Donnerstag spiele die Größe der europäischen Rettungsschirme nämlich keine Rolle mehr.
Die EZB habe zwar mehrfach die Konditionalität ihrer in Aussicht gestellten Hilfen unterstrichen, auf der Homepage des bereits existierenden Rettungsschirms EFSF zu den Bedingungen finden sich aus Sicht von Commerzbank-Analyst Ralph Solveen aber nicht mehr als wachsweiche Formulierungen. Demnach fordert die EZB von Euro-Krisenländern nicht die Unterwerfung unter ein hartes Reformprogramm, dass von den Rettungsschirmen verordnet wird. "Die EZB könnte sich auch mit dem Einräumen einer erweiterten vorsorglichen Kreditlinie (ECCL) durch EFSF/ESM zufrieden geben, die für das betroffene Land mit wesentlich geringeren Auflagen verbunden ist", erklärte Commerzbank-Volkswirt Solveen.
Noch wichtiger sei aber, dass eine ECCL-Kreditlinie lediglich bestehen müsse, der EFSF allerdings keine einzige Anleihe eines um Hilfe ersuchenden Staates kaufen müsse, damit die EZB loslegen könne, betont der CoBa-Experte.
Letztlich bedeute das, dass die Größe der europäischen Rettungsschirme keine Rolle mehr spiele. Die EZB garantiere durch ihre Anleihekäufe, dass die Länder bei niedrigeren Renditen zahlungsfähig blieben. Damit seien weitere Hilfsprogramme (abgesehen vielleicht von Griechenland) nicht mehr zu erwarten.
Die Marktteilnehmer, die also bisher mit Sorgen auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum ESM am kommenden Mittwoch gewartet hätten, könnten sich nun entspannen. Am Markt könnte die neu erwachte Risikofreude damit noch etwas anhalten.
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September 07, 2012 02:15 ET (06:15 GMT)
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