Von Jürgen Hesse
Die Misere des Handyherstellers Nokia hat sich im dritten Quartal ungebremst fortgesetzt. Tiefrote Zahlen und schrumpfende Barmittelbestände zeigen, dass die Krise bei den Finnen anhält. Nokia selbst vertröstet auf das neue Smartphone, das im laufenden vierten Quartal den Markt aufrollen soll. Doch außer Hoffnung - und einem kurzzeitig steigenden Aktienkurs - haben die Finnen nichts zu bieten.
Im dritten Quartal blieb die Profitabilität des finnischen "Patienten" tief im negativen Bereich, der Nettoverlust erreichte fast 1 Milliarde Euro. Damit liegen die Finnen aber immerhin etwas besser als im Vorquartal, als sie rote Zahlen von 1,4 Milliarden Euro geschrieben hatten. Sah es beim Nettogewinn nicht mehr ganz so düster aus, so enttäuschte umso mehr der Barmittelbestand, den Nokia zur Überwindung der Durststrecke dringend braucht. Dieser schrumpfte im dritten Quartal auf 3,6 Milliarden. Hier hatte Nokia im Vorquartal noch positiv mit 4,2 Milliarden Euro überrascht.
Operativ verbrennt der einstige Handy-Weltmarktführer weiterhin Geld. Die operative Marge lag bei negativen 8 Prozent nach minus 11 Prozent im Vorquartal. Nokia selbst betonte zwar, ganz knapp eine positive Marge erreicht zu haben. Dies gelang aber nur unter Umgehung der Bilanzvorschriften und auf bereinigter Basis.
Die schwache Entwicklung beim Telekomausrüster ist keine neue Entwicklung. Alleine in diesem Jahr hat Nokia die Erwartungen der Aktionäre mit drei Gewinnwarnungen auf den Nullpunkt gebracht. Zuletzt waren die Erwartungen an die Durchhaltefähigkeit der Finnen so niedrig, dass schon kleine Erfolgsmeldungen oder Übernahmespekulationen ausreichten, um den Aktienkurs wieder kräftig nach oben zu treiben. Seit Juli haben kurzfristige Spekulanten den Kurs vom Jahrestief bei 1,33 Euro schon wieder fast verdoppelt. So ließen auch jetzt die etwas besseren Zahlen als im Vorquartal den Aktienkurs um 7 Prozent in die Höhe schießen.
Nokia kämpft derzeit um nichts geringeres als das nackte Überleben. Im lukrativen Smartphone-Markt haben die Finnen den Anschluss verpasst und sind gegenüber Apple und Samsung immer weiter ins Hintertreffen geraten.
Um nicht vollständig abgehängt zu werden und Zeit zu sparen hatte Vorstandschef Stephen Elop kurz nach Amtsantritt 2010 einen radikalen Schnitt gewagt. Er stoppte die eigenen Entwicklungsprogramme zu Smartphone-Betriebssystemen und fädelte stattdessen eine Allianz mit Microsoft ein. Tatsächlich konnte er nach weniger als einem Jahr eine neue Smartphone-Serie präsentieren.
Allerdings zündet die Allianz mit Microsoft nicht so richtig. Das Ergebnis der Zusammenarbeit, das mit dem Betriebssystem des US-Partners laufende Smartphone Lumia, blieb trotz guter Kritiken der Experten deutlich hinter den Erwartungen zurück. Die Markteinführung eines neuen Modells Lumia 920 im November soll nun den lange erhofften Erfolg bringen.
Ob das neue Smartphone den Durchbruch bringt, wird sich erst noch zeigen müssen. Nokia-Manager loben das Gerät zwar stets in den höchsten Tönen. Bei Vorstellung des Lumia 920 vor einem Monat hatten viele Investoren aber noch enttäuscht reagiert und die Aktie mal wieder auf Talfahrt geschickt.
Hinzu kommt, dass der verschlafene Smartphone-Trend nicht die einzige Baustelle bei Nokia ist. Auch bei den normalen Handys geht es bergab. Dieses Jahr mussten die Finnen nach 14 Jahren an der Spitze ihren Titel als größter Handyhersteller der Welt abgeben. Samsung hat diesen Rang mittlerweile eingenommen, zudem nehmen Billighersteller den Finnen laufend Marktanteile ab.
Auch das Joint Venture von Nokia und Siemens zur Lieferung von Telekomausrüstung an die großen Telefongesellschaften schwächelt seit Jahren. Deshalb läuft eine Restrukturierung nach der anderen. Zuletzt hatten sich aber kleine Erfolge eingestellt. Im dritten Quartal schaffte der Bereich sogar die Rückkehr in die Gewinnzone, 182 Millionen Euro verdiente der Telekomausrüster operativ.
Mit einem laufenden Sparprogramm will Nokia die Wende schaffen. Der Konzern wird umgebaut, das Handygeschäft soll umstrukturiert, Fabriken geschlossen und 10.000 Stellen gestrichen werden. Mehrere hochrangige Manager mussten ihren Hut nehmen. Insgesamt wollen die Finnen 1,7 Milliarden Euro einsparen. Das geht aber nur mit einem Erfolg am Markt. Den soll das neue Lumia-Modell bringen. Die alten Lumia-Modelle kommen jedenfalls nicht gut an. Der Absatz der Modelle fiel, wie Nokia nun im Quartalsbericht eingestehen musste.
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October 18, 2012 06:30 ET (10:30 GMT)
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