Frankfurt (ots) - Wer mit dem chinesischen Parteitag Hoffnungen
auf sichtbaren und möglichst raschen Reformschwung im Reich der Mitte
verbunden hat, wird den Champagner zunächst einmal wieder vorsichtig
in den Eiskübel zurückgleiten lassen. Der erste Blick auf die
Mannschaftsaufstellung im alles entscheidenden Ständigen Ausschuss
des Politbüros lässt eine "Defensivformation" erkennen, der es vor
allem darum gehen könnte "den Ball zu verwalten".
Der neue Parteisekretär und künftige Staatspräsident Xi Jinping
(59) sowie der als Premierminister vorgesehene Li Keqiang (57) haben
im von neun auf sieben Mitglieder reduzierten Ständigen Ausschuss nun
fünf kollektive Mitentscheider zur Seite, die 64 oder mehr Lenze
hinter sich haben. Mit Ausnahme des bislang für Wirtschaftsbelange
aber künftig für Korruptionsbekämpfung zuständigen Wang Qishan
verbreiten sie kaum liberalen Flair.
Man zählt nun drei vorsichtige Reformer und vier konservative
kommunistische Parteikader im Gremium. Heißt dies reformpolitischen
Stillstand? Nicht unbedingt; die neue Formation spricht zwar für
Wahrung einer rigiden politischen Fassade, aber nicht dagegen, dass
Xi, Li und Wang im Rahmen des verkleinertes Kollektivs
Durchsetzungskraft für drängende wirtschaftspolitische Reformen
finden.
Unter westlichen Beobachtern hatte man sich zwar eine etwas
flottere Formation gewünscht, mit dem auf internationaler Bühne
erprobten Wang Qishan in einer wirtschaftspolitischen Regisseurrolle
und den reformfreudigen Kräften Wang Yang und Li Yuanchao als
liberale Flügelzange. Letzteren beiden ist der Sprung in den
Ständigen Ausschuss allerdings nicht gelungen. Dafür finden sich mit
Zhang Dejiang, der eine Ökonomieausbildung an der
Kim-Il-Sung-Universität in Nordkorea genossen hat, oder dem
langjährigen Propagandaminister Liu Yunshan Akteure wieder, bei denen
man weniger Enthusiasmus für eine hyperaktive Finanzreformagenda
vermuten darf.
Es gibt aber keinen Grund, die Lage als verzweifelt anzusehen. Im
Prinzip hat es eine als konservativ geltende Mannschaft sogar
leichter, zwei für den langfristigen Umbau der chinesischen
Wirtschaft eminent wichtige Problemzonen anzugehen: Da wäre das mit
der Korruptionsthematik eng verbundene Feld der Finanzbeziehungen
zwischen Zentral- und Lokalregierungen und die politisch nicht minder
brisante Frage des Privilegienentzugs für Staatsbetriebe als
wichtigster Ansatz zur Förderung des privaten Unternehmertums.
(Börsen-Zeitung, 16.11.2012)
Originaltext: Börsen-Zeitung
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auf sichtbaren und möglichst raschen Reformschwung im Reich der Mitte
verbunden hat, wird den Champagner zunächst einmal wieder vorsichtig
in den Eiskübel zurückgleiten lassen. Der erste Blick auf die
Mannschaftsaufstellung im alles entscheidenden Ständigen Ausschuss
des Politbüros lässt eine "Defensivformation" erkennen, der es vor
allem darum gehen könnte "den Ball zu verwalten".
Der neue Parteisekretär und künftige Staatspräsident Xi Jinping
(59) sowie der als Premierminister vorgesehene Li Keqiang (57) haben
im von neun auf sieben Mitglieder reduzierten Ständigen Ausschuss nun
fünf kollektive Mitentscheider zur Seite, die 64 oder mehr Lenze
hinter sich haben. Mit Ausnahme des bislang für Wirtschaftsbelange
aber künftig für Korruptionsbekämpfung zuständigen Wang Qishan
verbreiten sie kaum liberalen Flair.
Man zählt nun drei vorsichtige Reformer und vier konservative
kommunistische Parteikader im Gremium. Heißt dies reformpolitischen
Stillstand? Nicht unbedingt; die neue Formation spricht zwar für
Wahrung einer rigiden politischen Fassade, aber nicht dagegen, dass
Xi, Li und Wang im Rahmen des verkleinertes Kollektivs
Durchsetzungskraft für drängende wirtschaftspolitische Reformen
finden.
Unter westlichen Beobachtern hatte man sich zwar eine etwas
flottere Formation gewünscht, mit dem auf internationaler Bühne
erprobten Wang Qishan in einer wirtschaftspolitischen Regisseurrolle
und den reformfreudigen Kräften Wang Yang und Li Yuanchao als
liberale Flügelzange. Letzteren beiden ist der Sprung in den
Ständigen Ausschuss allerdings nicht gelungen. Dafür finden sich mit
Zhang Dejiang, der eine Ökonomieausbildung an der
Kim-Il-Sung-Universität in Nordkorea genossen hat, oder dem
langjährigen Propagandaminister Liu Yunshan Akteure wieder, bei denen
man weniger Enthusiasmus für eine hyperaktive Finanzreformagenda
vermuten darf.
Es gibt aber keinen Grund, die Lage als verzweifelt anzusehen. Im
Prinzip hat es eine als konservativ geltende Mannschaft sogar
leichter, zwei für den langfristigen Umbau der chinesischen
Wirtschaft eminent wichtige Problemzonen anzugehen: Da wäre das mit
der Korruptionsthematik eng verbundene Feld der Finanzbeziehungen
zwischen Zentral- und Lokalregierungen und die politisch nicht minder
brisante Frage des Privilegienentzugs für Staatsbetriebe als
wichtigster Ansatz zur Förderung des privaten Unternehmertums.
(Börsen-Zeitung, 16.11.2012)
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