Intercore Financial Research - Pascal Höfliger- Solange die Wirtschaft in China boomte, liefen auch die Exporte für die deutschen Unternehmen gut. Doch mittlerweile kränkelt die chinesische Wirtschaft, was auch die deutsche Industrie zu spüren bekommt.
In der Metropole Shanghai rieben sich die Experten in den Bankenzentren die Augen, als Finanzminister Lou Jiwei die Bombe platzen ließ. Bei einem Wirtschaftsgipfel von US-Politikern plauderte er ausgiebig über die jüngsten Wirtschaftsreformen der Pekinger Regierung. Dabei kam er auf das offizielle Regierungsziel zu sprechen. Demzufolge will das Land in diesem Jahr ein Wachstum von 7,5 Prozent erreichen. Aber auch mit 7 oder 6,5 Prozent wäre die Regierung auch zufrieden. Dem ersten Anschein nach zufolge klingt diese Äußerung recht harmlos. Allerdings habe die Worte es in sich und senden auf Dauer Schockwellen in die Weltwirtschaft aus. Diese Schockwellen würden zuerst in Deutschland ankommen und die deutschen Exporte treffen. Wenn das eintritt, was der Finanzminister aus Peking beschreibt, läuft es darauf hinaus, dass China eine Vollbremsung durchführt.
In den Ohren klingen die Worte, die das europäische Wachstum gewöhnt sind, nicht besonders dramatisch. Für China wäre es aber die schlechteste Rate in den letzten 23 Jahren. Und es ist nicht das einzige negative Zeichen, was gesetzt wurde. Die Zollbehörde in Peking hat Anfang Juli erstmals nach zwei Jahren einen unerwarteten Einbruch in den Exportgeschäften. Der Finanzsektor macht sich seit Wochen Gedanken über faule Kredite, sodass die Banken den Kredithahn für Unternehmen und Privatleute zudrehen. Dadurch entstanden so große Unruhen, dass die Regierung sich gezwungen sah, eine Informationssperre in dem Bereich zu verhängen.
Das kommende Szenario lässt sich recht einfach beschreiben. Die Firmen, denen der Geldhahn zugedreht wird, haben keine Gelder mehr, die sie investieren können. Daher kappen sie Ausgaben für neue Maschinen. Die deutsche Wirtschaft wird dies als Erstes spüren, da sie in diesem Bereich Spitzenreiter sind und qualitativ hochwertige Maschinen produzieren. Wenn sich der Finanzsektor weiter sorgt, werden auch jene Chinesen um ihr Geld fürchten müssen, denen die chinesische Wachstumsmaschine immer mehr Geld brachte. Es sind beispielsweise diejenigen, die sich einen BMW-Luxuswagen oder einen VW-Mittelklassewagen leisteten. Experten versuchen, die Aussage des chinesischen Finanzministers, zu analysieren und eine Diagnose zu stellen. Die Fragen, die auftauchen lauten: Ist es nur ein Schwächeanfall, unter dem das Land leidet, von dem es sich wieder erholen wird? Oder ist es langfristig gesehen das Ende eines Booms? Vielleicht will die chinesische Regierung einfach mit den Aussagen des Finanzministers den Wachstumsapparat sanft ausbremsen oder droht ein mit einem Knall zu kollabieren.
Das waren die Hoffnungswerte
Für Deutschland sind die Entwicklungen in China zunächst nicht entscheidend. Allerdings stellen sie fest, wie abhängig sie vom glücklichen Händchen der Pekinger Regierung und anderen Unwägbarkeiten sind. Auch in anderen Boomländern wie Brasilien, Indien und Russland ist das Wachstum ins Stocken geraten. Auch die USA, die die Wiedergeburt ihrer Wirtschaft gefeiert haben, haben ihre Partymusik wieder weggepackt, denn es waren nur Hoffnungswerte, die zum Optimismus veranlassten.
Der Internationale Währungsfonds hat seine Voraussagen, im Bezug auf die Weltwirtschaft, heruntergefahren. Die deutsche Exportstatistik erhielt schon im Mai dieses Jahres ihren ersten Dämpfer und kann die ganze Mechanik der globalisierten Wirtschaft hautnah miterleben
Mittlerweile hat sich aber auch herauskristallisiert, dass die Amerikaner nicht alle Produkte kaufen, die die deutschen Maschinen herstellen. Daher verkaufen die Rohstoffexportländer weniger Rohstoffe und sehen die Preise sinken. Die Luxusgüter werden nicht mehr nach China, sondern gehen in weniger betuchte Länder. In der nüchternen Amtssprache des Bundeswirtschaftsministeriums bedeutet dies, das bei Auslandsaufträgen die Tendenz seitwärts gerichtet ist und vorerst begrenzt bleibt. Wer diese Aussage in den Klartext setzt, wird feststellen, dass Deutschland froh sein kann, wenn es an einer kurzfristigen Rezession vorbeirutscht
Streitigkeiten um das deutsche Wirtschaftsmodell
Die Suche nach einem Ausweg hat noch nicht begonnen. Die Stimmen aus dem Volkswagen-Konzern, für den China der wichtigste Markt ist, sprühen nur so vor Optimismus. Schon alleine aus dem Grund, weil gerade sieben neue Fabriken aus dem Boden gestampft werden. Bosch und Daimler spüren schon längst den auffrischenden Gegenwind, der aus den Exportmärkten herüber weht. So sollten die Nachrichten aus China zum Umdenken auffordern. Es ist keine Lösung für die Eurokrise, wenn auf Zeit gespielt wird, wenn der Hintergedanke mit den Chinageschäften verknüpft ist.
Im bevorstehenden Wahlkampf wird wieder über das deutsche Wirtschaftsmodell gestritten und nach Veränderungen gesucht, die den Wählern versprochen werden. Die Fragen, die sich dabei auftun, beschäftigen sich mit dem Thema: Wie viel Exportabhängigkeit ist gesund? Können mehr Investitionen und mehr Kauflust Deutschland retten? Der Deutsche Bank Volkswirt Schneider bringt es auf den Punkt. Seiner Meinung nach eine richtige Exportabkühlung das Land nicht retten. Vielmehr sieht er durch die geringeren Exporteinnahmen einen Stopp des Beschäftigungsbooms und somit weniger Kaufkraft.