
"Dabei sollten Betroffene von Menschenhandel einen Aufenthaltstitel unabhängig davon erhalten, ob sie bereit sind, in einem Strafverfahren gegen die Täter mit den Strafverfolgungsbehörden zu kooperieren; zumindest aber diejenigen Betroffenen, die als Zeuginnen ausgesagt haben, sowie minderjährige Betroffene und diejenigen, die ihre eigenen Rechtsansprüche auf Lohn und Schadenersatz in Deutschland durchsetzen wollen", so Follmar-Otto weiter. "Auch muss allen Betroffenen ein Anspruch auf Entschädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz eingeräumt werden." Zudem solle die Bundesregierung eine unabhängige Berichterstatterstelle in Bezug auf alle Formen des Menschenhandels einrichten, um eine effektive und wissenschaftsbasierte Bekämpfung von Menschenhandel zu gewährleisten.
Betroffene von Menschenhandel werden in Deutschland nach wie vor primär als Zeugen und Zeuginnen in Strafverfahren betrachtet. Dementsprechend gestalten sich ihre Rechte aus. Sind sie Drittstaatsangehörige erhalten sie einen Aufenthaltstitel nur, wenn sie gegen die Täter und Täterinnen im Strafverfahren aussagen können. Während des Verfahrens haben sie kaum Zugang zu Qualifizierungs- oder Arbeitsmöglichkeiten. Danach müssen sie Deutschland verlassen. Das gilt für Kinder wie für Erwachsene und unabhängig davon, ob sie vor Gericht ihre eigenen Ansprüche auf Lohn und Schadenersatz gegen die Täter durchgesetzt haben. Dies widerspricht der Europaratskonvention gegen Menschenhandel, die für Minderjährige einen am Kindeswohl orientierten Aufenthaltstitel vorschreibt. Auch ihre staatliche Entschädigung hängt maßgeblich von der Durchführung eines Strafverfahrens ab. Darüber hinaus haben Zugang zu staatlicher Entschädigung nur die, die Opfer körperlicher Gewalt geworden sind. Menschenhandel aufgrund der Bedrohung mit Gewalt oder der Bedrohung von Kindern und anderen Familienangehörigen ist nach dem geltenden Opferentschädigungsgesetz nicht entschädigungsfähig.
Deutschland hatte trotz Fristablauf im April 2013 und Mahnung der EU-Kommission die EU-Richtlinie gegen Menschenhandel noch nicht umgesetzt. Einen Gesetzesbeschluss des alten Bundestages, der sich auf das Straf- und Gewerberecht beschränkte, stoppte der Bundesrat im September. Die Europaratskonvention gegen Menschenhandel war zwar Ende 2012 ratifiziert worden, ohne jedoch gesetzliche Verbesserungen der Opferrechte vorzunehmen.
Anlässlich des Europäischen Tages gegen Menschenhandel stellt das Deutsche Institut für Menschenrechte heute auch eine neue Publikation vor, welche die aktuelle Rechtslage und Praxis in Bezug auf die Betroffenenrechte analysiert und detaillierte Empfehlungen an Behörden, Politik und Beratungsstellen zur Stärkung der Menschenrechte der Betroffenen ausspricht.
Die Handreichung ist eine gemeinsame Publikation des Projektes "Zwangsarbeit heute: Betroffene von Menschenhandel stärken" am Deutschen Institut für Menschenrechte und des KOK e.V. - Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess.
Das Projekt "Zwangsarbeit heute" wurde von 2009 bis 2013 in Kooperation mit der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" durchgeführt.
Heike Rabe, Naile Tanis (2013): Menschenhandel als Menschenrechtsverletzung - Strategien und Maßnahmen zur Stärkung der Betroffenenrechte. Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess - KOK e.V. und Institut für Menschenrechte, Berlin. www.institut-fuer-menschenrechte.de/no_cache/publikationen.html
Hintergrundinformationen: http://ots.de/5Ai3p
OTS: Deutsches Institut für Menschenrechte newsroom: http://www.presseportal.de/pm/51271 newsroom via RSS: http://www.presseportal.de/rss/pm_51271.rss2
Pressekontakt:
Bettina Hildebrand, Pressesprecherin Telefon: 030 25 93 59 - 14 E-Mail: hildebrand@institut-fuer-menschenrechte.de
© 2013 news aktuell