Von Florian Faust
Seit Mitte März marschiert der DAX erkennbar nach oben. Und nicht nur der DAX: Besonders deutlich fallen die Aufschläge an den Börsen der Europeripherie aus, die nach dem langen konjunkturellen Siechtum von Nachholeffekten profitieren. An den US-Börsen sind neue Rekordstände mittlerweile Alltag.
Das sorgt zugleich für eine gewisse Vorsicht. Die Analysten von Jefferies warnen denn auch, dass so ziemlich alle Indizes in Europa und den USA recht starke Verkaufssignale erzeugten. Kurzfristig erwarten sie jedoch keine großen Korrekturen. Eine Woche der Konsolidierung sollte reichen, um dann zum Ende des Monats die Aufwärtsbewegung wieder aufzunehmen. Mit Blick auf die kommende Woche erwarten die Analysten, dass "der Markt ein paar Tage auf der Stelle treten wird."
Ab Montag beginnt langsam die Berichtssaison zum ersten Quartal. In den USA gewähren mit dem Aluminiumkonzern Alcoa am Dienstag und den Banken J.P. Morgan Chase bzw. Wells Fargo am Freitag drei namhafte Unternehmen einen Blick in die Bilanzen.
In Europa läuft die Saison der Quartalsausweise wie gewöhnlich erst etwas später an. Dies verschafft Anlegern noch ein wenig Zeit zum Nachdenken über Geschäftsverlauf und Kursentwicklung. Jefferies rechnet mit einer "typischen Berichtssaison, bei der die Erwartungen so niedrig sind, dass zum Schluss alles wieder ganz gut aussehen wird."
Insbesondere die Frage nach den Wechselkurseinflüssen auf die Ergebnisentwicklung dürfte Investoren interessieren. Mit Stada hat bereits ein Unternehmen in Deutschland vor einer Belastung durch den Rubelabsturz gewarnt. Zwar stuft die Commerzbank die Effekte auf deutsche Unternehmen in den ersten drei Moanten insgesamt als gering ein, gleichwohl dürfte sich die Krise der Schwellenländerwährungen auch in den Bilanzen anderer Konzerne bemerkbar machen.
Carsten Klude, Chefvolkswirt von M.M. Warburg, stellt daher die Frage, ob insbesondere deutsche Aktien mittlerweile zu teuer seien. Der DAX weise ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von knapp 13 auf - eine verhältnismäßig hohe Bewertung. Allerdings relativiere sich diese Einschätzung, wenn man den Beobachtungszeitraum verändert. Vor 15 Jahren seien Anleger bereit gewesen, das 20-Fache eines Jahresgewinns für den DAX zu bezahlen und auch das durchschnittliche KGV seit Ende der 80er-Jahre betrage gut 15.
Nähere sich der DAX dieser langfristigen Durchschnittsbewertung wieder an, könnte der deutsche Leitindex auf rund 12.000 Punkte steigen. Und selbst bei einem unveränderten KGV stünden die Chancen gut, dass in den nächsten Wochen die Marke von 10.000 Punkten genommen werde. Klude sieht daher keinen Grund, nicht in deutsche Aktien zu investieren.
Makroökonomisch kehrt in der kommenden Woche etwas Ruhe ein. Wie üblich ist nach dem zumeist lebhaften Monatsauftakt in der zweiten Woche die Zahl der Indikatoren übersichtlicher. Oben auf der Liste stehen am Montag frische Daten zur Industrieproduktion in Deutschland. Bis Donnerstag folgen entsprechende Zahlen aus Spanien, Großbritannien sowie Frankreich und Italien.
Aus den USA werden am Mittwoch das Fed-Protokoll zur vorangegangenen Offenmarktsitzung und am Freitag die Erhebung zur Stimmung unter den US-Verbrauchern erwartet. Ebenfalls zum Wochenausklang könnte mit den Verbraucherpreisen aus Deutschland und Spanien die Deflationsdebatte in der Eurozone frische Nahrung erhalten.
Denn die Europäische Zentralbank hat ihre Leitzinsen trotz eines abermaligen Inflationsrückgangs am Donnerstag nicht gesenkt. EZB-Präsident Mario Draghi zeigt sich aber erneut wild entschlossen, den Preisrisiken falls erforderlich entschieden zu begegnen. An den Märkten verstärkt sich nach den Aussagen des Italieners der Eindruck, dass quantitative Lockerungen - wie der Ankauf von Anleihen - für die Europäische Zentralbank einen gangbaren Weg darstellten. Am Devisenmarkt verfehlten die Worte Draghis ihre erhoffte Wirkung nicht, der Euro wertete in der Folge ab, und die europäischen Aktienmärkte machten einen Freudensprung. Insofern dürften die frischen Preisdaten genau unter die Lupe genommen werden.
Doch über allem schwebt ein Damoklesschwert, das viele Anleger und Marktbeobachter nicht mehr recht auf dem Schirm haben. Mag die Krimkrise aus Marktsicht auch als erledigt gelten, birgt sie jedoch weiter Sprengstoff. Denn trotz aller Beteuerungen macht Russland derzeit wenig Anstalten, seine Truppen an der eigenen Westgrenze zur Ukraine abzuziehen oder wenigstens zu reduzieren. Die mehrheitlich von russischstämmigen Bewohnern besiedelte Ostukraine bleibt ein Objekt russischer Begierde. Sollte es hier zu einem militärischen Abenteuer russischer Kräfte wie auf der annektierten Krim-Halbinsel kommen, sind alle Vorhersagen zur Marktentwicklung Makulatur.
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April 04, 2014 08:38 ET (12:38 GMT)
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