Von Michael Denzin
Eine der interessantesten Wochen des Jahres könnte Europas Börsen bevorstehen. Nicht nur die Flut an Unternehmenszahlen gibt den Takt vor, auch steht eine Fülle wichtiger Konjunkturdaten an. Gleichzeitig stehen Europas Blue-Chip-Indizes an wichtigen Wendemarken. Die Chance auf eine Bodenbildung im DAX über der 9.700er-Marke ist da. Sollten Unternehmen und Konjunktur nicht enttäuschen, ist die Chance auf einen neuen Anlauf in Richtung 10.000er-Marke da.
Relativ schnell zur Sache kommt in Deutschland und Europa die Berichtssaison zum zweiten Quartal. Die kommende Woche ist nämlich bereits die am dichtesten besetzte der ganzen Saison. Spitzentag ist dabei der Donnerstag. Bereits danach flaut die tägliche Flut der Unternehmensberichte wieder ab. "Da Fondsmanager rund ein Drittel aller Veröffentlichungen abwarten, bevor sie daraus erste Rückschlüsse über die Gesamtentwicklung ziehen, könnten schon per Ende nächster Woche entscheidende Weichen für die Anlageentscheidungen gestellt werden", sagt ein Händler.
Doch davor stehen natürlich zunächst die Unternehmensergebnisse. Allein aus dem DAX berichten Deutsche Bank, Linde, HeidelbergCement, Bayer, Infineon, Siemens, FMC, Lufthansa, Conti und VW. Im MDAX stehen unter anderem GEA, Wincor, Osram, Airbus, Evonik, Metro, ProSieben, Fuchs und Wacker an. Dazu einige aus dem TecDAX wie Aixtron und Dialog. Insgesamt also schon genügend Unternehmen, um dem deutschen Markt einen neuen Trend zu geben.
Interessanter dürfte allerdings die Breite der Branchen sein. Kein relevanter Sektor, der in der kommenden Woche nicht mit seinen Vorzeigeunternehmen glänzt. Damit liegt also eine ausreichende Grundlage für Analysten vor, um repräsentative Branchentrends der kommenden Monate zu erkennen. Möglicherweise werden die Anlageentscheidungen, die am Ende der nächsten Woche gefällt werden, über das Wohl und Wehe der Kurse Europas bis zum Jahresende bestimmen.
Dicht besetzt ist vor allem der Bank-Sektor. Hier legen neben Deutscher Bank noch Schwergewichte wie UBS, BBVA, Barclays, BNP, Santander, Societe Generale, RBS und Intesa ihre Daten vor. Damit werden sich auch klare Trends in der Entwicklung zwischen Südeuropa und anderen Instituten herauskristallisieren.
Ähnlich bei den Autounternehmen: Nachdem Daimler bereits gut vorgelegt hat, werden VW, Conti, Michelin, Renault, Peugeot-Citroen und MAN einen guten Überblick geben, wie sich sowohl Kfz- als auch Lkw-Markt entwickelt haben.
Bei den Telekom-Gesellschaften sorgen Orange (die ehemalige France Telecom), British Telecom, KPN und Telefonica für eine länderübergreifende Übersicht. Daneben stehen noch zahlreiche Versorger wie Suez, Energieunternehmen wie Total und Royal Dutch Shell an. In diversen anderen Branchen legen IAG bei den Airlines, Sanofi und AstraZeneca im Pharmabereich, Versicherer wie AXA und Generali, sowie im Stahlbereich ArcelorMittal und L'Oreal für die Konsumsparte Daten vor.
Per Saldo dürfte die Saison zwar nicht so stark wie in den USA verlaufen, dennoch ist das Potenzial auch in Europa hoch. Dafür spricht unter anderem die negative Grundstimmung, die sich in hohen Absicherungspositionen der Anlageportfolios zeigt. Den Markt schützt so etwas vor großem Verkaufsdruck. Clifford Davis, Leiter im Handel für Aktienderivate bei der BNP Paribas sieht schon seit Tagen, dass sich die Kunden defensiver positionieren. Sie fangen an, ihre Aktienpositionen vor Verlusten abzusichern: "Es ist schon lange her, dass sich die Kunden so gegen einen Rücksetzer am Aktienmarkt positioniert haben", sagt Davis.
Per Saldo führt das zu einem widerstandsfähigen Markt, der die Basis für weitere Aufschwünge bildet. Dies zeigte schon die kaum vorhandene Reaktion auf den schwächeren ifo-Index. Hier beruhigten vor allem Aussagen des datenerhebenden ifo-Institutes, dass ein Teil des Rückgangs nur auf die geopolitischen Spannungen zurückgeht. "Das ist etwas anderes, als wenn es konjunkturzyklisch bedingt wäre", sagte ein Händler dazu.
Und auch der gute Verlauf der US-Berichtssaison zeigt, dass das zweite Quartal unterschätzt worden ist. Dort bringt sie zumeist positive Überraschungen hervor und zwingt Analysten zu Erhöhungen ihrer Gewinnschätzungen. Für den S&P-500 rechnen sie nun mit einem Gewinnanstieg von 5,6 Prozent in der laufenden Saison, wie Daten von FactSet zeigen. Vor dem Beginn der Berichtssaison lag diese Erwartung nur bei 4,9 Prozent.
Eine offene Flanke sind daher die Konjunktur-Indikatoren aus der ersten Reihe. Allein die monatlichen Arbeitsmarktdaten aus den USA würden ausreichen, um den Markttrend zu bestimmen. Dazu gesellen sich aber noch die Einkaufsmanager aus Chicago, der wichtige ISM-Index und vor allem die erste Bekanntgabe des US-BIP zum zweiten Quartal. Diese Daten sind allemal ausreichend, um dem Markt eine klare Richtung zu geben.
In Deutschland dürften die VDMA-Auftragseingänge des Verbandes der Maschinen- und Anlagenbauer den Ton angeben. Langfristige Investoren betrachten ihn als einen der wichtigsten Indikatoren für die Zukunft des MDAX. Sollte es kein zu großes Störfeuer geben, dürften sich Anleger auf einen erneuten Anblick der 10.000 im DAX freuen.
DJG/mod/hru/raz
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July 25, 2014 08:08 ET (12:08 GMT)
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