Von Eyk Henning
FRANKFURT--Der sieben Jahre alte Streit zwischen UniCredit und ehemaligen Minderheitsaktionären der Bank Austria geht vor das Wiener Handelsgericht. Da die italienische Bank die Auseinandersetzung nicht in einem Schiedsverfahren beilegen konnte, sieht es nun danach aus, dass sich beide Seiten demnächst vor dem Wiener Gericht treffen werden, wie aus dem am Montag vorgelegten Halbjahresbericht der Italiener hervorgeht. Dies könnte schon im Herbst der Fall sein, sagte eine mit der Sache vertraute Person.
Der Rechtsstreit geht auf das Jahr 2005 zurück, als sich UniCredit die HypoVereinsbank und die von ihr kontrollierte Bank Austria sowie eine polnische Tochter einverleibte. Die damalige Minderheitsaktionäre der HVB und deren Tochter Bank Austria fühlten sich von UniCredit über den Tisch gezogen und verlangen seitdem Entschädigung. Sollte das Gericht in Wien - und später das Münchener Oberlandesgericht - der Argumentation der Kläger folgen, müsste die UniCredit bis zu rund 2,6 Milliarden Euro zahlen.
Ein UniCredit-Sprecher sagte, die Bank sei zuversichtlich, dass die bei der Zwangsabfindung für die Bank Austria und HVB gezahlten Preise fair und angemessen waren. Doch in dem Fall geht es um mehr als Geld. In Wien wollen die ehemaligen Minderheitsaktionäre der Bank Austria darlegen, dass die UniCredit sie wissentlich getäuscht hat, wie aus Dokumenten hervorgeht in die das Wall Street Journal Einblick hatte.
Die Kläger, darunter der britische Hedgefonds Polygon Global Opportunities Master Fund, behaupten, die italienische Großbank und ein Wirtschaftsprüfer von Deloitte hätten den Wert der beiden Kaufobjekte HVB und Bank Austria bewusst zu niedrig angesetzt. Zudem soll noch ein Schlichter eine unrühmliche Rolle gespielt haben, wie Dokumente nahelegen.
Die italienische Bank hatte im Jahr 2005 eine rund 15 Milliarden schwere Übernahmeofferte für die HVB vorgelegt. Da sich die Bank Austria zu diesem Zeitpunkt mehrheitlich im Besitz der Bayern befand, ging die österreichische Bank im Rahmen der HVB-Übernahme ebenfalls an UniCredit. Die Transaktion wurde seinerzeit als Wegweiser für die Integration des europäischen Finanzplatzes gefeiert.
Als UniCredit sich schließlich an den Ausschluss der verbliebenen Kleinaktionäre machte, ermittelten eigens dazu angeheuerte Experten von Deloitte einen fairen Wert von 129,40 Euro je Bank-Austria-Aktie. Doch das war den Minderheitsaktionären zu wenig.
Im Streit über den Preis kamen viel später bei einem nicht-öffentlichen Treffen der Kontrahenten im Wiener Hilton Hotel im Jahr 2010 einige Ungereimtheiten ans Licht. So fehlten in der Bewertung der Bank Austria eine 3,6 Milliarden Euro schwere Zahlung, die die UniCredit der Bank Austria für deren Mehrheitsanteil an der polnischen Bank BPH schuldete, wie aus Dokumenten hervorgeht, in die das Wall Street Journal Einsicht hatte.
Zudem setzte Deloitte-Wirtschaftsprüfer Gottfried Spitzer offenbar einen ungewöhnlich hohen Risikoabschlag für die Bank Austria wegen ihres Engagements in Osteuropa an. So geht aus Dokumenten hervor, dass Spitzer einen doppelt so hohen Abschlag anwandte wie der New Yorker Wirtschaftsprofessor Aswath Damodaran, auf dessen Formel er sich zur Berechnung bezog. Deloittes Wirtschaftsprüfer Spitzer lehnte eine Stellungnahme ab.
Die Bank-Austria-Minderheitsaktionäre sind der Ansicht, dass die Bewertung der verbliebenen Bank-Austria-Aktien fast doppelt so hoch hätte ausfallen müssen, wenn diese und andere relevante Faktoren berücksichtigt worden wären. Das wiederum hätte die UniCredit zumindest 750 Millionen Euro mehr gekostet.
Der Kampf um einen fairen Abfindungspreise zog sich in die Länge, als sich UniCredit und der Hedgefonds Polygon im Jahr 2009 auf ein Schlichtungsverfahren einigten, das im "fast track"-Modus eigentlich eine rasche Lösung herbeiführen sollte. Daraus wurde nichts, weil das Wiener Handelsgericht den Vorsitzenden des dreiköpfigen Ausschusses, den österreichischen Wirtschaftsprüfer Fritz Kleiner, rund zwei Jahre später als befangen absetzte.
Kleiner hatte zunächst mehrere Bewertungsexperten ausfindig gemacht, um die Deloitte-Bewertung zu überprüfen. Wie aus Dokumenten hervorgeht, fragte Kleiner dazu mehrere Experten nach deren vorläufiger Einschätzung und zog auch die UniCredit mit Blick auf die Auswahl der Experten zu Rate, wie aus Dokumenten zu einer Anhörung aus dem Jahr 2011 in Wien hervorgeht, in die das Wall Street Journal Einblick hatte.
Die Dokumente legen zudem den Schluss nahe, dass Kleiner schließlich denjenigen Experten auswählte, der die niedrigste Bewertung der Bank Austria angesetzt hatte. In einer E-Mail an die beiden anderen Schiedsrichter im Januar 2010 betonte Kleiner, dass die UniCredit diesem Experten erst nach internen Diskussionen zugestimmt habe.
Auf Anfrage des Wall Street Journal erklärte Kleiner, er habe UniCredit über seine voraussichtliche Auswahl informiert, nicht aber über die vorläufige Einschätzung zur Bewertung der Bank Austria durch den entsprechenden Experten, Aswath Damodaran von der New Yorker Stern School of Business.
Die beiden anderen Ausschussmitglieder, Walter Platzer und Hellwig Torggler, bestritten bereits 2011, von der Ausfragung der Experten gewusst zu haben.
Im November 2011 wurde dann Kleiner als Vorsitzender des Schlichtungsausschusses abgesetzt. Das Urteil des Wiener Richters dazu liest sich wie eine Ohrfeige: "Nicht nachvollziehbar ist dem Gericht jedoch, eine deutliche Exploration der inhaltlichen Auffassungen der Sachverständigen zur konkreten Sache vor die Auswahlentscheidung zu stellen", hieß es im Urteil. Gleichwohl räumte das Gericht ein, dass es keine generellen Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit von Kleiner hegt.
Kleiner wurde schließlich durch den Verfassungsrichter Christoph Herbst ersetzt, der Ende 2012 einen Abfindungspreis von 139,20 Euro je Bank-Austria-Aktie festsetzte - 7,6 Prozent über dem ursprünglichen Abfindungsangebot von UniCredit. Da Herbst seine Einschätzung auf Basis des abgesetzten Schiedsrichters Kleiner sowie von Professor Damodaran getroffen haben soll, hatte der Hedgefonds Polygon den Schlichtungsprozess eigentlich im Januar 2012 für beendet erklärt. Weil das Schiedsverfahren damit im Grundsatz gescheitert ist, geht der Streit nun vor das Wiener Handelsgericht.
In München wiederum steht ein ähnlicher Prozess in Sachen HVB-Squeeze-Out bevor. Dabei hat das Gericht in München schon angekündigt, dass es sich zumindest teilweise am Urteil des Wiener Gerichts orientieren wird, weil eine zusätzliche Abfindung für die Bank-Austria-Minderheitsaktionäre zugleich auch den Wert der HVB erhöhen würde.
Die HVB-Minderheitsaktionäre, behaupten, die HVB sei um bis zu 1,9 Milliarden Euro unterbewertet worden. Zusammen mit der Forderung der ehemaligen Bank-Austria-Investoren summiert sich das Risiko für die UniCredit damit auf rund 2,6 Milliarden Euro.
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August 11, 2014 15:41 ET (19:41 GMT)
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